Am Samstag gelang es der örtlichen Neonaziszene, etwa 250 Teilnehmer auf ein konspirativ organisiertes Konzert im Allgäu zu locken. Weil die Pläne aufflogen, wurden die Rechten von Polizei, Antifa und Presse begleitet.
»Keine Veröffentlichung im Internet – nur intern weiterleiten«, heißt es auf einem Flugblatt, das in Neonazikreisen kursierte. Das hat nicht geklappt. Am Abend vor dem Neonazikonzert, das der heimlich verteilte Flyer für den 7. Oktober in »Süddeutschland« ankündigte, veröffentlichte Allgäu ⇏ rechtsaußen das Dokument sowie den ersten Treffpunkt an der A96 südwestlich von Memmingen, von dem die Fans der braunen Musik weiter zum eigentlichen Konzert geschleust werden sollten. Der genaue Ort des Konzerts blieb zunächst geheim, flog aber ebenfalls auf.
Das Voice of Anger #Nazi-Konzert ist bei #Seibranz
zwischen Bad #Wurzach, #Leutkirch und dem Schleuspunkt bei #Memmingen #Allgäu pic.twitter.com/Qqmc4TpJiN
— Sebastian Lipp (@SebastianLipp) October 7, 2017
Laut dem Flugblatt sollten Bands aus dem Umfeld von Blood and Honour und Voice of Anger auftreten. Neben den Allgäuern von Faustrecht und Kodex Frei standen demnach unter dem Motto Angry, Live and Loud auch Kommando Skin aus Baden-Würtemmberg, sowie Stonehammer aus Kanada bei Seibranz in der Nähe von Bad Wurzach auf der Bühne.
Etwa 300 Polizeikräfte waren im Einsatz. Sie kontrollierten die anreisenden Konzertbesucher bereits am Schleusungspunkt, einem Autohof an der A96 bei Aichstetten in der Nähe von Memmingen. Auch die Zufahrt auf das Konzertgelände wurde von der Polizei abgesichert und kontrolliert. Etwa 250 Rechte passierten in über 50 Autos aus dem gesamten Bundesgebiet und Österreich diese Kontrollstelle, um auf das Gelände Talacker 8 zwischen Bad Wurzach und Aitrach zu gelangen.
Angriff auf Journalisten
Direkt an dem wohl ehemals landwirtschaftlich genutzten Anwesen befanden sich zwei Einsatzfahrzeuge der Polizei. Ein Journalist von Allgäu ⇏ rechtsaußen, der versuchte das Geschehen vor Ort zu dokumentieren wurde von einem bekannten Anhänger von Voice of Anger zunächst verbal und dann körperlich angegangen. Der Reporter erlitt leichte Verletzungen, seine Kamera ist beschädigt. Der Angreifer Thomas B. wird sich nun womöglich wegen Beleidigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung zu verantworten haben. Die Polizisten fesselten ihn sofort und brachten ihn auf eine Polizeiwache.
Die Polizei stellte zudem drei Verstöße gegen das Waffengesetz fest, heißt es in einer Pressemeldung der Behörde. Sie fand demnach einen Teleskopschlagstock, ein Einhandmesser und ein Paar Quarzhandschuhe. In zwei Fällen fand die Polizei verfassungsfeindliche Symbole.
Während der Veranstaltung konnten keine indizierten Liedtexte oder andere Straftaten festgestellt werden, die ein Einschreiten der Polizei erforderten, heißt es in der Meldung weiter. Experten des polizeilichen Staatsschutzes hätten sich außerhalb des Veranstaltungsgeländes aufgehalten, erklärte der Sprecher des Polizeipräsidium Konstanz auf die telefonische Nachfrage, wie das geprüft wurde. Dort hätten die Beamten die Texte gut verstehen können.
Unter den Besuchern des Konzertes befanden sich auch Mitglieder der Band Southern Rebels, die vor kurzem noch online in antirassistischen Shirts posierten, nun aber ihre Musik über Subcultural Records, einem vorgeblich unpolitischen Nebenprojekt des Neonazilabel Oldschool Records aus dem Allgäu verbreiten. Der Betreiber des Unternehmens gilt als Führungsfigur von Voice of Anger.
Protest
Nachdem das Konzert aufgeflogen war, meldeten Nazigegner eine Kundgebung am Schleusungspunkt an und konnten innerhalb weniger Stunden etwa ein Dutzend Personen organisieren, die gegen die Neonazis protestierten.
1900: min. 40 #Nazis aus Deutschland und Österreich am Schleuspunkt von Voice of Anger.
Auch massiv Polizei vor Ort. Etwa 1 Dutzend Gegner— Sebastian Lipp (@SebastianLipp) October 7, 2017
zunächst Geheimer Ort
Der genaue Ort des Konzerts blieb zunächst geheim. Auf dem Flugblatt hieß es nur: »Süddeutschland«. Interessenten mussten sich zunächst anmelden und erhielten eine Kontakttelefonnummer, unter der sie am Tag zuvor einen ersten Treffpunkt genannt bekamen.
So gehen Neonazis üblicherweise vor, wenn sie versuchen, ihre Veranstaltungen im Verborgenen durchzuführen. Im Falle des für Samstag angekündigten Konzertes wurde als Schleusungspunkt ein Autohof an der A96 südwestlich von Memmingen angegeben. Fans der braunen Musik sollten sich um 19 Uhr an der Abfahrt Nummer 10 bei Aichstetten einfinden, um weitere Details zum Veranstaltungsort zu erfahren. Die erhielten sie offenbar in der Tankstelle des Autohofes.
Voice of Anger Jubiläum?
Offenbar steht das als »Geburtstagsfeier« getarnte Konzert im Zusammenhang mit dem 15jährigen Jubiläum der Kameradschaft Voice of Anger. Darauf weisen einige Details des Flugblattes hin. Die Allgäuer Neonazigruppe gibt es seit 2002, also inzwischen 15 Jahre. Ein ebenfalls auf dem Flyer abgebildeter Skinhead trägt das Logo von Voice of Anger auf seiner Brust. Die Gruppierung gilt heute als die größte noch aktive ihrer Art in Bayern.
Seit Jahren kämpft Voice of Anger um einen festen Ort für Treffen und Konzerte. Bislang sind die Neonazis immer wieder gescheitert. Vergangenes Jahr gelang ihnen der Kauf eines eigenen Gebäudes in Buxach-Hart bei Memmingen. Unbekannte brannten es aber nach einigen Veranstaltungen nieder. Die Polizei geht inzwischen von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Nun dürften die Rechten das Gebäude nach ihren Bedürfnissen als Neonazilokal wieder errichten. Trotz der häufigen Rückschläge gelingt es Voice of Anger immer wieder, im Allgäu Veranstaltungen mit Vertretern des in Deutschland verbotenen aber weiter aktiven militanten Blood and Honour-Netzwerks zu organisieren.
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