Feter Felser äußert sich auf Facebook zum Bürgerentscheid gegen die Moschee in Kaufbeuren (Screenshot)

Rechtsradikale jubeln – und verschärfen den Ton nach Bürgerentscheid

Bis ins Neonazimilieu reicht die Freude Rechtsradikaler über den Ausgang des Bürgerentscheids gegen die Moschee in Kaufbeuren. Jetzt verschärft die AfD ihren Ton. Hassbriefe, Beleidigungen und Drohungen überschreiten Grenzen.

Vor rund anderthalb Wochen ist eingetreten, was viele befürchtet hatten: Knapp 60 Prozent der 15.128 Wähler stimmten gegen die Vergabe eines städtischen Grundstücks zum Bau einer DITIB-Moschee. Damit sind die Initiatoren des Bürgerentscheids erfolgreich, die mit Unterstützung des islamfeindlichen Wanderpredigers Michael Stürzenberger in den vergangenen Wochen gegen »den Islam« und Muslime im Allgemeinen wetterten.

Bambule rief trotz einer ihrer Meinung nach notwendigen aber differenzierten Kritik an der DITIB, dem Dachverband des islamischen Kulturvereins in Kaufbeuren zur Wahl im Sinne der muslimischen Gemeinde auf. Die Kaufbeurer Gruppe befürchtete bereits im Vorfeld des Bürgerentscheides eine weitere Verrohung der Auseinandersetzung:

»Sollte die Entscheidung am 22. Juli also im Sinne der rechtspopulistischen Anti-Islam Hetzer ausfallen, würden diese nach ihrem Sieg zu einer noch schärferen Rhetorik gegen Muslime und andere Minderheiten übergehen.«

Die Entwicklung der vergangenen zehn Tage scheint der Befürchtung von Bambule Recht zu geben.

Autokorso auf der einen, Fassungslosigkeit auf der anderen Seite

Am 23. Juni hielt Michael Stürzenberger mit seiner sogenannten Bürgerbewegung Pax Europa eine Kundgebung ab, in der er gegen Muslime hetzte.
Am 23. Juni hielt Michael Stürzenberger mit seiner sogenannten Bürgerbewegung Pax Europa eine Kundgebung ab, in der er gegen Muslime hetzte.

Die Initiatoren des Bürgerentscheids um Werner Göpel, ihre Anhänger und die AfD, die bei der Kampagne gegen den Moscheebau zunächst heimlich die Fäden zog, sahen allen Grund zum Feiern. Sie applaudierten als die Ergebnisse der Auszählung im Kaufbeurer Rathaus präsentiert wurden. Wie bei der Fußball-WM soll es am Sonntagabend sogar einen Autokorso vor dem Rathaus gegeben haben, bei dem sich einige deutsche Moschee-Gegner nach dem sportlichen Desaster doch noch einmal als Sieger fühlen durften, schreibt die Augsburger Allgemeine. »Das Motto: Denen haben wir es gezeigt«, sagte Oberbürgermeister Stefan Bosse laut der Zeitung.

Fassungslos reagierten Angehörige der muslimischen Gemeinde Kaufbeurens und Stadtratsmitglieder auf die Ergebnisse. Bilder einer SPD-Stadträtin, die Angesichts des deutlichen Votums gegen das Gebetshaus mit den Tränen kämpfte, wurden von überregionalen Medien aufgegriffen, machten aber vor allem in islamfeindlichen Internetmedien am rechten bis rechtsradikalen Rand und ihren Lesern in den sozialen Netzwerken die Runde.

»Know your Enemy«

Schon Abend nach dem Bürgerentscheid legt der AfD Kreisverband Kaufbeuren Ostallgäu mit einem gehässigen Kommentar den sprichwörtlichen Finger in die Wunde. (Screenshot)
Schon am Abend nach dem Bürgerentscheid legt der AfD Kreisverband Kaufbeuren Ostallgäu mit einem gehässigen Kommentar den sprichwörtlichen Finger in die Wunde. (Screenshot)

Mit einem gehässigen Kommentar legt der örtliche Kreisverband der AfD schon am Abend nach dem Bürgerentscheid den sprichwörtlichen Finger in die Wunde: »Alahu Abgang: Kaufbeurer bringen DITIB-Moschee zu Fall!« heißt es neben einem Bild auf Facebook. Darauf ist eine Moschee in das Stadtbild montiert, deren Minarett gesprengt wird und zu Boden fällt.

»Know your Enemy« – kenne deinen Feind – schreibt später die AfD Memmingen/Unterallgäu mit Bezug auf die Stadträtin, die  nach der Wahl vor laufender Kamera um Fassung rang.

Pauschal gegen »den Islam« und »die Moslems«

Auch der Bundestagsabgeordnete und Fraktionsvize der AfD aus Kempten freut sich über die Ablehnung, die Kaufbeurens Muslimen entgegen gebracht wurde. So begrüßt Peter Felser auf seinem privaten Facebookauftritt die »Aufklärungsarbeit« von Werner Göpel und seinen Mitstreitern von der AfD, die Aufgabe von Bürgermeister und Stadtrat gewesen sei.

Zur Aufklärung habe laut Felser »sicherlich auch die von der AfD Ostallgäu/Kaufbeuren durchgeführte Veranstaltung mit Leyla Bilge beigetragen«. Das Thema: »Der Islam.« Schon der Titel der Veranstaltung, die genau eine Woche vor dem Bürgerentscheid stattfand, ist extrem verallgemeinernd. Um eine differenzierte Kritik scheint es ohnehin nicht zu gehen, da ist man sich von Göpel über Stürzenberger und die AfD bis nach ganz rechts außen einig. Sämtlich wird pauschal gegen »den Islam« und »die Moslems« gewettert.

»Zeit diese Volksverräter aus ihren Ämtern zu jagen«

Nazivokabular und Widerstandsrhetorik bleibt beim Bundestags-Vize der AfD, Peter Felser,, auf Facebook unkommentiert stehen. (Screenshot)
Nazivokabular und Widerstandsrhetorik bleibt beim Bundestags-Vize der AfD, Peter Felser, auf Facebook unkommentiert stehen. (Screenshot)

Der Beitrag des Felsers, der seit Mitte der 90er Jahre immer wieder mit rechtsradikalen Bezügen aufgefallen ist, geht mit keinem Wort auf die Vermittlungsbemühungen aus der Stadtpolitik ein. Im Stadtrat etwa wurde der Beschluss zur Grundstücksvergabe ausdrücklich auch gefasst, um angesichts durchaus berechtigter Vorbehalte und Kritik Einfluss auf den islamischen Kulturverein nehmen zu können.

Bürgermeister und Stadtrat seien »so abgehoben, dass sie entweder die Stimmung in der Gemeinde bewusst ignorieren oder schlicht nicht kennen«, schreibt Felser. »Es wird Zeit diese Volksverräter aus ihren Ämtern zu jagen«, heißt es dazu in einem der ersten Kommentare. Das Vokabular ist aus dem Nationalsozialismus entlehnt. Felser scheint sich daran nicht zu stören, bis heute ist der Kommentar uneingeschränkt abrufbar.

Völkisch-rassistische Argumentation

Selbst ausgewiesene Neonazis sind begeistert vom Ausgang des Bürgerentscheids. »Auch wenn die Vergabe von städtischem Baugrund an den DiTiB vorerst verhindert ist, wird sich der türkische Verein davon nicht ausbremsen lassen«, schreibt etwa Der Dritte Weg auf seiner Homepage. Die Partei, deren Programm sich am historischen Nationalsozialismus orientiert, knüpft an der ursprünglich von Göpel, der AfD und Stürzenberger in Kaufbeuren ins Spiel gebrachten vermeintlichen »Islamisierung« an. Daher, so die völkisch-rassistische Argumentation, müssten »art- und kulturfremde« Ausländer deportiert und die Grenzen geschlossen werden.

Mitglieder der Neonazipartei wurden im Versammlungsgeschehen um den zweiten Auftritt Stürzenbergers in Kaufbeuren gesehen, nachdem sie im Stadtteil Neugablonz Flugblätter verteilten.

Aufmarsch der Partei »Der III. Weg« am 1. Mai 2016 in Plauen. Später liefern sich die Neonazis gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei. ©S. Lipp
Aufmarsch der Partei »Der III. Weg« am 1. Mai 2016 in Plauen. Später liefern sich die Neonazis gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei. ©S. Lipp

Ebenso richtet die NPD Memmingen/Unterallgäu ihren »Glückwunsch an den pensionierten Kriminalpolizisten Werner Göpel und die anderen Initiatoren des Bürgerbegehrens«. Doch das Bürgerbegehren »verhindert die Moschee nur auf städtischem Grund«, bedauern die Nationalisten. Privat könnten »die Moslems« dennoch bauen. Allerdings seien die Bürger Kaufbeurens »jetzt aufgewühlt«.

Hassbriefe, Beleidigungen und unverhohlene Drohungen

Diese aufgewühlte Stimmung schlägt sich offenbar auch in Hassbriefen, anonymen Emails, Beleidigungen und unverhohlenen Bedrohungen gegen Stadtratsmitglieder und Muslime nieder, wie die Allgäuer Zeitung am 31. Juli 2018 berichtet.

In der Rathauspost fanden sich demnach Briefe, die Verschwörungstheorien transportieren, einschüchtern sollen und in denen Teilen des Stadtrates mangelnde Neutralität vorgeworfen wird. Auch Kirchenvertreter und Mitglieder der Initiative Kaufbeuren gestalten statt spalten, von der Friedensinitiative Kifias und vom Asylkreis seien »Ziel dieser Tiraden« gewesen. Manche der Betroffenen hätten Anzeige bei der Polizei erstattet, die ausdrücklich dazu rät.

»Grenzen überschritten«

Etwas verwirrend ist die Wahlentscheidung der Kaufbeurer. Wer für einen solidarischen Umgang mit den Muslimen der Stadt eintritt, muss am Sonntag mit Nein stimmen, um dem rechtspopulistischen Vorstoß eine Abfuhr zu erteilen.
Wer für einen solidarischen Umgang mit den Muslimen der Stadt eintrat, hatte mit Nein zu stimmen. Nur rund 40 Prozent erteilten dem rechtspopulistischen Vorstoß so eine Abfuhr.

»Wir sind fassungslos, mit welcher Leichtigkeit Grenzen überschritten werden, vor deren Überschreitung man sich bei uns in Deutschland bislang sicher glaubte«, schrieben die Stadtratsfraktionen von SPD, Grünen und FDP in einer Stellungnahme. Kai Huber, der Sprecher von Bambule, befürchtet, dass es zu Gewalt kommen könnte. Durch das Abstimmungsergebnis und die Aussagen der »rechten Hetzer« könne rassistisch motivierte Gewalt legitimiert werden.


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