Verschwörungsideologen, Flüchtlingsfeinde, völkische Burschenschafter und Naziverbindungen: Wir haben uns genau angesehen, wie die AfD im Allgäu bei der Kommunalwahl abgeschnitten hat und wer künftig in den kommunalen Gremien mitreden wird.
Kommunalpolitik, das klingt nach wenig, ist aber viel: Sozial- und Kulturpolitik, Stadt- und Bauentwicklung, lokale Gedenk- und Geschichtspolitik, Kitas, Jugendförderung und Schulpolitik, Integration, lokale Ordnungspolitik. All dem wird die AfD mit ihren 20 Sitzen in allgäuer Kommunalparlamenten künftig ihren Stempel aufdrücken und unzählige Grußworte auf Schützenfesten, bei der Feuerwehr, im Sportverein halten dürfen – und dabei zunehmend auch in den Lokalblättern als ganz normaler politischer Akteur ankommen. Wir haben uns genau angesehen, wie die AfD im Allgäu abgeschnitten hat und wer künftig in den kommunalen Gremien mitreden wird.
- Völkischer Burschenschafter im Stadtrat Memmingen
- »Unter dem Deckmantel der Christlichkeit« jetzt auch im Kreistag Unterallgäu
- Flüchtlingsfeindlicher Einpeitscher im Stadtrat Kempten
- Völkisch-nationalistischer Kader im Kreistag Oberallgäu
- Verschwörungsideologe ist Stadt- und Kreisrat Lindau
- So schnitt die AfD im Allgäu ab
So schnitt die AfD im Allgäu ab
Völkischer Burschenschafter im Stadtrat
In Memmingen ist die AfD mit neun Kandidat*innen angetreten und erhielt 5,4 Prozent der Stimmen. Damit dürfen Christoph Maier und Genovefa Kühn künftig zwei der 40 Sitze für die AfD im Stadtrat Memmingen besetzen.
Christoph Maier gilt als rechte Hand von Katrin Ebner-Steiner. Gemeinsam mit Fraktionskollegen verließen sie während einer Rede im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus demonstrativ den Plenarsaal. Der Landtagsabgeordnete bekennt sich zum offen völkischen Flügel der AfD, auf dessen Treffen er im vergangenen Jahr mit Björn Höcke auf der Bühne stand und die erste Strophe des Deutschlandlieds sang. Darin wird Deutschland zunächst »über alles, über alles in der Welt« gestellt. Dann wird ein Deutschland weit über dessen tatsächliche Grenzen »von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt« besungen.
Auch im Allgäu umgibt sich Christoph Maier mit Personen von ganz rechts außen. Den Ordnerdienst seiner Anti-Merkel-Kundgebung in Ottobeuren, die auch Besuch der Neonazi-Parte Der Dritte Weg anzog, rekrutierte Maier aus dem Milieu korporierter Studenten, er selbst soll bis heute der Sudetia angehören, die Beobachter im Umfeld stramm rechtsnationaler Burschenschaften sehen. Noch kurz vor der Kommunalwahl wurde Maier mit FDP-Stadtratskandidat Fritz Tröger und einem Neonazi erwischt.
»Unter dem Deckmantel der Christlichkeit« jetzt auch im Kreistag Unterallgäu
Bei der Wahl zum Kreistag Unterallgäu am 15. März 2020 ist die AfD mit 20 Kandidat*innen angetreten und erhielt 7,4 Prozent der Stimmen. Damit erhält sie fünf der 60 Sitze. Als künftige Kreisräte dürfen sich damit der Legauer Lehrer und Bezirkstagsabgeordnete Wolfgang Reitinger, der Babenhausener Kinderpfleger Franz Schmid, der Architekt Ernst Gradl aus Wiedergeltingen, der Mindelheimer Logistiker Johann Wesselak sowie der Berufskraftfaher Karl Bühler aus Westerheim bezeichnen.
Der Präsident des Bezirkstags warf Wolfgang Reitinger in einer Rede vor, »unter dem Deckmantel der Christlichkeit« soziale Leistungen, Unterstützung für Behinderte und kulturelle Förderung in Frage zu stellen. Reitinger ist Funktionär der Christen in der AfD (ChrAfD) im Süden, die sich um eine »Islamisierung« sorgen. Die Organisation präge unter Anderem »unser Bekenntnis zur traditionellen Familie, unsere Ablehnung der Ehe für Alle, unsere Haltung gegen Frühsexualisierung und gegen die Gender-Ideologie«. Zu diesen Themen hielt Reitinger im Mai einen Vortrag beim AfD-Kreisverband Oberallgäu. Die Presse erhielt allerdings keinen Zutritt.
Ohne das Kernthema der AfD kommt auch der ehemalige Lehrer nicht aus: »Immer wieder spricht Reitinger von Vergewaltigungen durch Flüchtlinge«, berichtet die Augsburger Allgemeine von einem Vortrag des AfD-Politikers in Kammlach. Belastbare Zahlen bleibe Reitinger schuldig, beziehe sich zum Beleg anderer Vorwürfe auf den islamfeindlichen Verschwörungsautor Udo Ulfkotte und sprach von einer angeblichen »Umvolkung«.
Flüchtlingsfeindlicher Einpeitscher im Stadtrat Kempten
Neben CSU-Überläufer Thomas Senftleben und Christian Kaser darf künftig Walter Freudling einen von drei AfD-Sitzen im Stadtrat Kempten besetzen. Der Spitzenkandidat und zweite stellvertretende Vorsitzende von Peter Felsers Kreisverband heizte auf einer Veranstaltung der AfD zur Landtagswahl die Stimmung im Publikum gegen Geflüchtete auf. »Und da geht mir auch das Messer im Sack auf, wenn unsereins muss schaffa und dua, damit er zu was kommt und deana werd’s nag’stellt«, sagte Freudling damals etwa.
Völkisch-nationalistischer Kader im Kreistag Oberallgäu
Neben dem Altusrieder Landwirt Hubert Seif besetzt künftig der Bundestagsabgeordnete Peter Felser einen der insgesamt 60 Sitze im Kreistag Oberallgäu für die AfD. Peter Felser durchlief in seiner Jugend eine stramm rechte, völkisch-nationalistische Kaderschmiede. Nach deren Lebensbundprinzip ist der Bundestags-Vize der AfD ein Leben lang auf die damals geknüpften Verflechtungen in rechtsradikale Kreise verpflichtet ist.
Als Mitarbeiter brachte Peter Felser einen ehemaligen NPD-Politiker und einen Ex-Republikaner aus seinem Kreisverband in Kempten mit recht fragwürdigen Ansichten in den Bundestag. In seinem Kemptener Unternehmen produzierte Felser rechtsradikale Videos und beschäftigte einen Kader der militanten Neonaziszene der 90er Jahre.
Verschwörungsideologe ist Stadt- und Kreisrat Lindau
Am schlechtesten schnitt die AfD in Lindau unter Rainer Rothfuß ab. Um den Ortsverband am Bodensee gab es in den vergangenen Wochen und Monaten einigen Wirbel. Unter dem Motto »Keine rechte Hetze am See – Kein Raum für Rothfuß und die AfD« waren Rothfuß und seine Kandidaten immer wieder mit Protest konfrontiert. Demonstranten werfen ihm vor, Verschwörungsideologien zu verbreiten und eine Nähe zu Reichsbürger*innen zu zeigen.
Gegenüber den Gegner*innen der AfD schlug Rothfuß einen auffallend aggressiven Ton an, bezeichnet diese beispielsweise als »D(ä)monstranten« und spricht ihnen aufgrund ihres vermeintlichen Alters jegliches Urteilsvermögen ab. In einem Kommentar spricht er von »Drahtziehern« die er hinter der Demonstrationen gegen die AfD vermutet. Die sitzen laut Rothfuß »alle im Hintergrund, in den Parteizentralen, in den Medienhäusern, in den Universitäten, in den NGOs…«.
Auch die Grünen griff Rothfuß an, warf Ihnen vor, seine Wahlplakate gezielt für spätere Zerstörungen markiert zu haben und entwendete ihre Plakate. Zuletzt zerstritt er sich mit seinem einstigen Parteikameraden Peter Birnböck, der Medienvertreter massiv bedrohte, gegen die Rothfuß auf einer von ihm veranstalteten Demonstration in Lindau wetterte.
Das Ergebnis der AfD bei der Kommunalwahl 2020 zum Stadtrat Lindau
Das Ergebnis der AfD bei der Kommunalwahl 2020 zum Kreistag Lindau
Das Ergebnis der AfD bei der Kommunalwahl 2020 zum Landrat Lindau
Als Landrat hatte Rothfuß keine Chance. nur 7,5 Prozent der Wähler (2.620) hätten ihn gerne im Amt gesehen. Die überwiegende Mehrheit stimmte für seinen einzigen Konkurrenten Elmar Stegmann.
Das Ergebnis der AfD bei der Kommunalwahl 2020 zum Stadtrat Kempten
Das Ergebnis der AfD bei der Kommunalwahl 2020 zum Kreistag Oberallgäu
Das Ergebnis der AfD bei der Kommunalwahl 2020 zum Landrat Oberallgäu
Landrat wird nicht der AfD-Kandidat Uwe Schweizer. Er erhielt 2.724 von 77.064 Stimmen, was rund 3,6 Prozent entspricht.
Das Ergebnis der AfD bei der Kommunalwahl 2020 zum Stadtrat Memmingen
Das Ergebnis der AfD bei der Kommunalwahl 2020 zum Kreistag Unterallgäu
Das Ergebnis der AfD bei der Kommunalwahl 2020 zum Stadtrat Mindelheim
Das Ergebnis der AfD bei der Kommunalwahl 2020 zum Stadtrat Kaufbeuren
Das Ergebnis der AfD bei der Kommunalwahl 2020 zum Kreistag Ostallgäu
Das Ergebnis der AfD bei der Kommunalwahl 2020 zum Stadtrat Buchloe
(Titelbild: www.bayernnachrichten.de / Alexander Hauk / www.alexander-hauk.de)
2 Gedanken zu „Kommunalwahl: So radikal sind die neuen Mandatsträger der AfD im Allgäu“