Personalnot vor der Kommunalwahl zwingt AfD im Allgäu zum Spagat

Um die Listen zur Kommunalwahl zu füllen, wagt die AfD eine Öffnung für Kandidaten aus gesellschaftlich marginalisierten Gruppen. Diesen schlägt dafür Kritik aus der eigenen Community entgegen oder sie ziehen sich zurück.

Der Ortsverband der AfD Kempten ist händeringend auf der Suche nach Personal für die Kommunalwahlen im kommenden März. Obwohl die rechtspopulistische Partei auf Listen in den Gemeinden verzichten will, tut sie sich schwer, Kandidaten für den Kreisrat und Stadtrat Kempten zu finden. Bei einer Veranstaltung in der Waldschenke Durach gibt sich Peter Felser trotz Gegenprotesten optimistisch. Doch die ersten Kandidaten ziehen bereits zurück oder geraten in den Fokus öffentlicher Kritik.

»Wir müssen uns kommunal verankern«

Peter Felser und Roland Aicher am 20.5.17 am AfD-Wahlkampfinfostand in der Kemptener Fußgängerzone ©S. Lipp

»Wir müssen uns kommunal verankern.« Mit dieser Aussage von AfD Ortsvorstand und Fraktionsvize im Bundestag Peter Felser betitelt die Allgäuer Zeitung ihren Artikel zur Kandidatensuche der Rechtsaußenpartei in der Waldschenke Durach bei Kempten. Damit ist das hohe Interesse der AfD an den kommenden Kommunalwahlen klar umrissen. Für Felser, der immer wieder durch deutliche Verbindungen in rechtsradikale Kreise aufgefallen ist, geht es darum, eine bisher kaum vorhandene Parteibasis vor Ort aufzubauen und der Partei ein bürgerliches Antlitz auf kommunaler Ebene zu verschaffen. Genau hiervor warnen die etwa 40 AfD-Gegner, die sich an diesem Abend vor rund zwei Wochen ebenfalls in Durach eingefunden hatten. Aus ihrer Sicht ist die AfD »aufgrund ihres rechtspopulistischen und in Teilen rechtsradikalen Personals sowie ihrer teils klar verfassungswidrigen Forderungen (z.B. Obergrenze für Asyl) keine Partei wie jede andere.« Mit dieser Begründung warnt die Kampagne Keine Stimme für Rassismus vor einer »Normalisierung rechtsradikaler Positionen durch die AfD«, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilte. Die Kampagne sieht in der gesamten Region die Gefahr, dass Wahllisten der AfD zum Sammelbecken von Rechtsradikalen, Rassisten und Reichsbürgern werden könnten.

Wohl auch aus diesem Grund gibt sich die AfD deutlich bedeckter was die Namen anstehender Kandidaturen angeht als manch andere Partei. Dennoch stellten sich bei der Veranstaltung in Durach anders als beim angegliederten Ortsverband Lindau einige mögliche Kandidaten vor. Unter ihnen sind mehrere ehemaligen Funktionäre der CSU. Hierzu zählt etwa Thomas Senftleben, der bei seiner Vorstellung vorrangig seine homosexuelle Orientierung betonte und dabei eine große Weltoffenheit der AfD ebenso unterstrich wie Tatjana Preuss. Sie gab wie Senftleben an, für den Stadtrat Kempten kandidieren zu wollen. Vor ihrer Geschlechtsanpassung war Preuss genau wie Senftleben nach Angaben der AfD Kempten Funktionärin der CSU.

Zu der ehemaligen Rolle von Preuss kann bei der CSU Kempten auf Anfrage niemand eine Angabe machen. Sie sei vor Ort schlicht nicht bekannt. In Bezug auf Senftleben erklärt Kemptens CSU Stadtrat Alexander Wulf Buck hingegen, man sei »nicht im Streit auseinandergegangen.« Tatsächlich dürften Sentflebens mangelnde Karriereaussichten bei der CSU den Ausschlag gegeben haben, es mit der AfD zu versuchen. Senftleben ist zuletzt als Ortsvorsitzender Kempten-West für die Union zur Wahl angetreten. Dabei habe er aber laut Buck zu viele »Hochkaräter« auf den vorderen Listenplätzen als Mitbewerber und mit dem schlechten Listenplatz kaum eine Chance auf einen persönlichen Wahlerfolg gehabt. Nachdem sich das bewahrheitete, habe Senftleben gleich nach der Wahl den Ortsvorsitz frustriert abgegeben. Erst mit dem Bericht aus der Allgäuer Zeitung zur AfD Veranstaltung in der Waldschenke habe die CSU von dem Wechsel erfahren.

Überläufer in der Kritik

Indessen stößt Senftleben mit seiner geplanten Kandidatur auf der Sammelliste der AfD Kempten auf Kritik. Entsprechende Stimmen werden sowohl in den eigenen Reihen als auch unter Homosexeullen und in der feministischen Szene laut. So zog etwa Marko P. seine Ankündigung zurück für die selbe Stadtratsliste der AfD eine Kandidatur in Betracht zu ziehen. Der Geschäftsführer eines Kemptener Kamingeschäfts weiß nicht, »was das mit den Schwulen soll. Das passt doch nicht«, erklärte er im Gespräch mit Allgäu ⇏ rechtsaußen. Zudem sei die bisherige Liste der AfD Kempten aus seiner Sicht viel zu schwach aufgestellt. Für einen Erfolg fehlen P. die »Hochkaräter«, die Senftleben bereits um sein CSU-Mandat gebracht hatten. Deshalb zog er seine ursprünglich angedachte Unterstützung der AfD-Wahl zurück.

Eine feministische Gruppe aus Kempten wirft der AfD indes vor, entgegen ihrer Selbstdarstellung in Durach eine »antifeministische, homophobe und transfeindliche« Politik zu verfolgen. In einem Offenen Brief an Tatjana Preuss und Thomas Senftleben kritisiert die Feministische Arbeitsgruppe Kempten auch die beiden möglichen Kandidaten der AfD.  Durch ihre Kandidatur würden sie es der AfD ermöglichen, ihre persönliche Verortung in Bezug auf Homo- und Transsexualität zu instrumentalisieren, um die tatsächliche Politik der Rechtspartei in diesem Themenfeld zu verschleiern.

Weiter heißt es in dem Offenen Brief: »Wir, als Gruppe von Menschen, die sich gegen jede Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder sexueller Orientierung engagiert, finden es absolut unangemessen, in welcher Weise Sie Ihre persönliche Verortung gezielt zu Gunsten einer Partei instrumentalisieren, welche eben solche Diskriminierungen aufs Schärfte befördert. Wir hoffen, dass die angefügten Beispiele hierfür Sie davon überzeugen können von Ihrem Engagement für die AfD Abstand zu nehmen. Davon unabhängig werden wir die AfD in Kempten und Umgebung im Kommunalwahlkampf in jedem Fall mit unserer Kritik an deren Antifeminismus, Homophobie und Transfeindlichkeit konfrontieren.«

Zum Beleg ihrer Argumentation fügt die feministische Gruppe dem Brief eine vierseitige Listung von Zitaten an. Äußerungen von prominenten AfD-Funktionären, Auszüge aus Grundsatz- und Wahlprogrammen der Partei aus Bund und Ländern stützen eindrücklich die Angaben der feministischen Gruppe. Preuss und Senftleben reagierten dagegen niht auf den Offenen Brief. Auch der betroffene Kreiserband der AfD reagierte auf eine Anfrage von Allgäu ⇏ rechtsaußen nicht.


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