Rainer Rothfuß diskutiert während eines Infostandes zum Europawahlkampf der AfD am 27. April 2019 in Lindenberg mit Gegendemonstranten.

Rainer Rothfuß mit leeren AfD-Listen auf dem Weg ins Licht

Gähnende Leere herrscht auf den Listen der AfD zur Kommunalwahl in Lindau. Zugleich wettert der dreifache Spitzenkandidat Rainer Rothfuß immer schärfer – und skurriler – gegen Medien und Kritiker.

Mit der gescheiterten Geheimhaltung zur kommunalen Nominierungsversammlung in Lindau hat der Ortsvorsitzende Rainer Rothfuß eine weitere Niederlage einstecken müssen. Nachdem in der Inselstadt und ihrer weiteren Umgebung nach mehreren Pannen für und Protesten gegen die AfD offenbar keine Gastwirte mehr bereit sind, der Rechtsaußenpartei Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, hatte sich die AfD am 5. Dezember zur Kandidatenwahl in die persönlichen Geschäftsräume von Rothfuß in der Bayerstraße in Lindau zurückgezogen. Trotz strenger Geheimhaltung von Ort und Uhrzeit kam es dort erneut zu Protesten gegen die Verstrickungen des nun dreifachen Spitzenkandidaten in verschwörungsideologische Kreise und zur Reichsbürgerszene.

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Leere Listen trotz fragwürdiger Methoden

Die AfD konnte außer Rothfuß selbst nur drei weitere Personen für eine Stadtratskandidatur gewinnen. Die einzige Kandidatin auf der entsprechenden Liste hat nun ihre Kandidatur zurückgezogen. Der Ehemann der 86-Jährigen erklärte der Lindauer Zeitung gegenüber, sie komme aufgrund ihrer gesundheitlichen Verfassung für eine Kandidatur nicht in Frage. Der »Werber« der AfD habe dies nicht gewusst und so sei es nur durch ein »Missverständnis« zu der Kandidatur gekommen.

Damit verliert die Rechtsaußenpartei auch eine der Kandidatinnen auf der ebenfalls alles andere als vollständigen Kreistagsliste. Obwohl Rainer Rothfuß auf beiden Listen als Spitzenkandidat antritt und zeitgleich für das Amt des Landrates kandidieren will, kann er selbst bei einer möglichen Dreifachnennung seiner Kandidaten die Listen weniger als zur Hälfte füllen.

Auch der Umstand, dass die Nominierungsversammlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat könnte der AfD im Nachklang noch Probleme bereiten. Zwar schreiben die maßgeblichen Artikel 21 – 33 des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes eine öffentliche Versammlung nicht unbedingt pauschal und zwingend vor. Doch schon die mittlerweile widerlegte Behauptungen von Rothfuß selbst, die Veranstaltung werde »den Regularien gemäß […] öffentlich und auch medienöffentlich stattfinden«, weist auf einen möglichen Verstoß gegen das Wahlrecht im gegebenen Fall hin.

Da die AfD auch Parteilose nominiert hat, könnte der Wahlausschuss etwa davon ausgehen, dass die AfD eine offene Sammelliste nominiert hat und deshalb allen Bürgern eine Möglichkeit zur Teilnahme (und möglichen Kandidatur) hätte geben müssen. Dies ist bei einer Versammlung an einem geheimen Ort höchstens eingeschränkt gegeben. Denn selbst wenn eine Anmeldung über Rothfuß eventuell möglich gewesen wäre, würde dabei gegebenenfalls eine Vorauswahl durch ihn stattfinden, die demokratisch nicht zu rechtfertigen wäre. Auch das aktive Fernhalten der Presse dürfte in diesem Zusammenhang nicht unproblematisch sein. Dies könnte einen der Gründe darstellen, warum Rothfuß für den 9. Januar nach eigenen Angaben eine weitere Nominierungsversammlung plant.

»Strategie des Lichts« gegen »Einheitsfront von Journaktivisten und Linksextremisten«

Im Nachklang der Proteste in der Bayerstraße und der kritischen Berichterstattung über die unseriösen Umstände der Nominierung und die geringe Zahl an Kandidaten gingen Rothfuß und einige seiner Parteifreunde verbal erneut hart gegen die Lindauer Zeitung und Parteigegner*innen vor. Dabei wird in für die Neue Rechte typischer Weise versucht, die Presse generell zu diskreditieren und jegliche Kritik an der AfD und andere rechte Akteure pauschal als »Systempropaganda« abzutun.

Solche Vorstöße gegen Medienanstalten waren bei Rothfuß schon vor seinem Eintritt in die AfD zum Beispiel im Zusammenhang mit einer von ihm initiierten Petition gegen kritische Berichterstattung des ZDF über pro-russische Aktivitäten zu beobachten.

In einer aktuellen Mitteilung geht der Spitzenkandidat der Lindauer AfD noch weiter und bezeichnet das ZDF als »Zentrum der Finsternis«. In seinen vergleichbaren Angriffen auf die Lindauer Zeitung und deren Chefredakteur Dirk Augustin erhält Rothfuß Schützenhilfe von AfD-Funktionären aus benachbarten Gebieten. Der Kemptener Stadtratskandidat Paul Alger etwa fordert die Lindauer Zeitung in einer Stellungnahme zur »Rückkehr zur journalistische Ethik« auf und unterstellt dieser von unbekannten Kräften finanziert zu werden, während die AfD Bodenseekreis gar von einer »Einheitsfront von Journaktivisten und Linksextremisten« schwadroniert.

Rothfuß selbst indes versucht mit zunehmend skurrilen Mitteln, sich gegen jegliche Kritik zu immunisieren. Er inszeniert sich nach einer aktuellen Stellungnahme mit seiner »Strategie des Lichts« als unbeirrbaren und unaufhaltsamen Licht- und Wahrheitsbringer. Niemand könne ihn, könne »die meisten von uns stoppen, die einmal das Licht erkannt haben.«

Skurril aber gefährlich?

Dieser Hang zur esoterisch geprägten, quasi religiösen Selbstüberhöhung ist aus Sicht einer Sprecherin der Initiative gegen Rassismus im Westallgäu (IGRW) bei Rainer Rothfuß schon seit längerem latent vorhanden. Die antirassistische Gruppe beschäftigt sich nach eigenen Angaben bereits seit der Gründungszeit der AfD mit deren rechtspopulistischen Aktivitäten. Im September hatte IGRW den geheimgehaltenen Veranstaltungsort der Rechtsaußenpartei in Nonnenhorn im Vorfeld einer geplanten Veranstaltung dort bekannt gemacht und binnen kurzer Zeit 200 Menschen zu einer Gegenkundgebung mobilisiert. Schon zu diesem Zeitpunkt berief sich die Gruppe auf Quellen aus dem Umfeld der Partei und ist mehrfach an interne Informationen der AfD Lindau gelangt.

Auf Anfrage unserer Redaktion hat eine Sprecherin von IGRW eine umfassende Einschätzung zusammengestellt, welche sich offenbar sowohl aus dem politischen als auch aus dem persönlichen Umfeld des Ortsvorsitzenden speist. Darin nimmt IGRW an, »dass Rothfuß, der mit großen Ambitionen in die AfD eingetreten ist und gerade auch erfolglos für den Bundesvorstand kandidiert hat, mit seinen wiederholten Misserfolgen nur schwer umgehen kann und dadurch in Verbindung mit seinem Hang zu Esoterik und Verschwörungsglaube zunehmend einen regelrechten Realitätsverlust erleidet.«

Dies gehe aus Sicht der Gruppe mit einer immer weiter übersteigerten Selbstdarstellung als einer Art Lichtfigur und Wahrheitsbringer einher. Der weiter verschärfte Verschwörungsglaube von Rothfuß gehe demnach insbesondere auch aus dessen Äußerungen bezüglich Gegner*innen seiner Partei hervor, denen er regelmäßig die Fähigkeit zum eigenständigen Denken abspreche, während er hinter ihnen dunkle, steuernde Mächte vermutet.

Tatsächlich hat sich Rainer Rothfuß kurz vor seiner Nominierung als kommunaler Dreifachkandidat beim Bundesparteitag der AfD in Braunschweig um ein Amt im Bundesvorstand der Partei beworben. In seiner Bewerbungsrede führte Rothfuß aus, er trete für eine »Remigrationsagenda« an. Hierfür erhielt er lokalen Zuspruch von ganz rechtsaußen, wie etwa von der Administratorin der reichsbürgernahen Lindauer Runde, Diana Maria Steffen. Den Zuspruch nahm Rothfuß erneut dankend entgegen, obwohl er wiederholt abgestritten hatte, Kontakte zu Steffen und zur Lindauer Runde zu pflegen. Die bereits mehrfach aufgezeigten Kontakte von Rothfuß zur Reichsbürgerszene bestehen unseren Recherchen zu Folge offenkundig unvermindert fort.

Weitere Radikalisierung befürchtet

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Vor diesem Hintergrund steht laut IGRW zu befürchten, dass sich sowohl Rothfuß als auch sein überschaubarer Kreis an Unterstützer*innen auch weiterhin radikalisieren wird und seine Offenheit gegenüber der Reichsbürgerszene und gegenüber esoterisch geprägten und antisemitischen Verschwörungsideologien noch weiter zunehmen könnte.

Die Gegner*innen der Rechtsaußenpartei in Lindau haben jedenfalls angekündigt, die weiteren Aktivitäten der kleinen Gruppe um Rainer Rothfuß auch weiterhin mit breiten zivilgesellschaftlichen Gegenprotesten zu konfrontieren. Es bleibt abzuwarten wie weit der Spitzenkandidat der AfD noch damit gehen wird, seine mit diesem erheblichen Gegenwind verknüpften Misserfolge nach außen hin als weiteren Schritt auf einem unaufhaltsamen Weg des Lichtes darzustellen.


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