»Haltet Abstand von rechten Ideologien und Verschwörungskram« fordern Antifaschist_innen in Memmingen bereits seit einem Jahr.

Corona-Demos im Allgäu: Leugnung statt Abgrenzung

Überall im Allgäu ernten die sogenannten Grundrechte-Demos nun Gegenwind. Ein Problembewusstsein entwickeln sie dadurch nicht.

Rassistische und antisemitische Verschwörungsmythen in Kempten

»Zerstörung Deutschland. Phase 1: Massenmigration. Phase 2: #Corona«, heißt es auf einem Schild auf der #Hygienedemo
»Zerstörung Deutschland. Phase 1: Massenmigration. Phase 2: Corona«, heißt es in rassistischer und unausgesprochen antisemitischer Manier auf einem Schild auf der Hygienedemo am 9. Mai 2020.

»Ich sehe keine Verschwörungstheoretiker oder Reichsbürger. Ich sehe normale Bürger«, sagte etwa der Redner Stefan Forstmeier. Dafür erhielt er tosenden Applaus aus der Menge. Anderslautende Berichte hält Forstmeier für falsch und fordert eine objektive Berichterstattung. Die Maßnahmen der Regierung findet er wie die Darstellung der Gefährlichkeit der Corona-Pandemie überzogen. Eine normale Grippe sei schlimmer, heißt es in einer der folgenden Reden. Die letzte Rednerin schließlich bezeichnet sich als »(ver)fassungslos« und fragt sich, »ob ein großer Plan dahinter steht«. Als sie erwähnt, dass sie »GEZ-Gebühren« zahle, reagiert die Menge mit Buh-Rufen.

Tatsächlich waren am Samstag auf der Demonstration in Kempten erneut Alubommel, Schilder gegen Impfzwang und Bill Gates, Werbung für Verschwörungs-Youtuber und die vermeintliche »Mitmach-Partei« Widerstand 2020 zu sehen. Ebenfalls wieder zugegen waren vielfache Verweise auf den Verschwörungsmythos um QAnon. Das Motto dieser Verschwörungsgläubigen und den Slogan »(ver)fassungslos« trugen zwei Ordnerinnen des Versammlungsleiters. Auch ein Mann, der der Deutschen Mitte, die als rechte Querfrontpartei mit Reichsbürger-Anleihen gehandelt wird, war wieder dabei.

»WWG1WGA« steht für »where we go one we go all« und ist ein Motto der QAnon-Verschwörungsgläubigen.
»WWG1WGA« prangt auf dem Shirt einer Ordnerin der »Grundrechtsdemo« am 9. Mai 2020 in Kempten. Es steht für »where we go one we go all« und ist ein Motto der QAnon-Verschwörungsgläubigen.

Auf einem Schild verband sein Träger eine bei Rechten aller Coleur beliebte rassistische und meist unausgesprochen antisemitische Verschwörungstheorie, nach der »Massenmigration« zur »Zerstörung Deutschlands«  gesteuert würde mit der Corona-Krise. Letzteres sei »Phase 2« des Plans. Schon am Gitter, das die der Demonstration zugewiesene Fläche umgab hing neben einem »(ver)fassungslos«-Schild eines, das ebenfalls antisemitische Verschwörungstheorien bedient.

Vor vereinfachten Welterklärungen und Verschwörugnsmythen hatten Antifaschist_innen jüngst in einem Audio-Statement gewarnt. Der Glaube an eine im Geheimen wirkende mächtige Gruppe finsterer Verschwörer_innen sei historisch aufs Engste mit der Vorstellung verwoben, Jüdinnen und Juden seien diese Gruppe.  Mit Schildern und einem Transparent intervenierte dann auch eine kleine Gruppe gegen die »Querfront«, die die Versammlung bilde und forderte »Abstand« zu »Verschwörungsmythen, Antisemitismus und rechten Positionen«, für die es keinen Platz geben dürfe.

Dumm stellend spazieren in Memmingen

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»Haltet Abstand von rechten Ideologien und Verschwörungskram« fordern Antifaschist_innen am 9. Mai auch in Memmingen.

Laut Polizei bis zu 200 Personen versammelten sich am Samstag auf dem Marktplatz. Den Kern der Versammlung bildeten etwa 50 Personen. Darum herum gesellten sich teilweise bewegend vermeintliche »Zuschauer«, bei denen auch ein Schild von Widerstand 2020 zu sehen war, echte Schaulustige und einige wenige Antifaschist_innen, die »Abstand von rechten Ideologien & Verschwörungskram« forderten.

Ein Video der Veranstaltung zeigt eine Szene, wie die Polizei über fünf Minuten versucht, eine Verantwortliche für die Versammlung ausfindig zu machen. Wie in der vergangenen Woche gelingt es ihr nicht. Angesprochene feixen, der Versammlungsleiter sei wahlweise »Anonym« oder »Max Mustermann«. Andere behaupten, es handle sich nicht um eine Versammlung, sondern einen Spaziergang.

Um nicht als Versammlung bewertet zu werden, sollen Teilnehmende sich »dumm stellen« und als Spaziergang tarnen, heißt es in internen Chats.
Um nicht als Versammlung bewertet zu werden, sollen Teilnehmende sich »dumm stellen« und als Spaziergang tarnen, heißt es in internen Chats.

Das Video hatte Suzan L. auf ihrer Facebook-Präsenz veröffentlicht, die ihre Verantwortung für die Demonstration in der vergangenen Woche zurückzog. Wie an anderen Orten im Allgäu konnten so Auflagen erfolgreich umgangen und die Versammlungen ohne Veranstalter abgehalten werden. Entsprechend wird inzwischen allgäuweit intern aufgerufen: »Dumm stellen« und als Spaziergang tarnen.

Alternativ-Veranstaltung in Wangen scheut Polarisierung – und polarisiert

Kritiker_innen entschieden sich am Samstag für eine kritische Intervention mit ihren Forderungen am Rande der Alternativ-Veranstaltung. in Wangen.
Kritiker_innen entschieden sich am Samstag für eine kritische Intervention mit ihren Forderungen am Rande der Alternativ-Veranstaltung. in Wangen.

Der Gruppe um Gerhard Fiegl, die die sogenannten Grundrechte-Demos in Wangen bisher veranstaltete, kam am vergangenen Samstag eine Versammlungsanmeldung aus dem alternativen Spektrum zuvor. Statt auf dem belebten Marktplatz fand die Veranstaltung auf einem Parkplatz statt.

Doch auch die Alternativen scheuen eine eindeutige Positionierung. Antifaschist_innen hatten im Vorfeld zugesagt bekommen, einen Redebeitrag zur Abgrenzung von Rechten und Verschwörungsgläubigen halten zu dürfen. Das wurde zurückgezogen. Man wolle nicht »die Polarisierung anheizen«, hieß es. Deshalb entschieden sich die Kritiker_innen für eine kritische Intervention mit ihren Forderungen am Rande der Alternativ-Veranstaltung. Teilnehmende diskutieren mit ihnen, ob eine klare Abgrenzung gegen Rechts überhaupt notwendig sei.

Kritiker_innen entschieden sich am Samstag für eine kritische Intervention mit ihren Forderungen am Rande der Alternativ-Veranstaltung. in Wangen.
Kritiker_innen entschieden sich am Samstag für eine kritische Intervention mit ihren Forderungen am Rande der Alternativ-Veranstaltung. in Wangen.

Unter den rund 200 Teilnehmenden waren nur vereinzelt »Gib Gates keine Chance«-Schilder und ein »(ver)fassungslos«-Schild zu sehen. Gerhard Fiegl warf den Alternativ-Veranstaltern laut Insider-Informationen im Vorfeld Spaltung vor, weil diese nicht mit ihm zusammen arbeiten wollten. Dennoch rief er zur Teilnahme auf. Auch unter seinen Anhänger_innen ist nach Informationen von Allgäu ⇏ rechtsaußen strittig, ob die Aktion als Angriff zu werten oder als Nebeneinander zu begrüßen sei, das weniger Angriffsfläche biete.

Nach der Veranstaltung habe sich Fiegl dann wütend beschwert, dass die Ankündigung seiner nächsten Versammlung in der kommenden Woche wegen AfD-Nähe abgelehnt wurde. Dabei bezeichnete Gerhard Fiegl die Alternativen im menschenverachtenden NS-Jargon als »Volksschädlinge«. Der Begriff tauchte im vergangenen Jahr in einer rassistischen Schmiererei in Wangen auf.

Mehr zu diesem Thema:  NS-Kampfbegriff an Sporthalle

Ob sich die Alternativen nun klar positionieren, bleibt abzuwarten. Für kommenden Samstag hat die frisch gegründete Seebrücke Wangen eine Kundgebung angekündigt, die sich ausdrücklich gegen Rechts und gegen Fiegls Versammlung positionieren und auch auf die Situation von Geflüchteten in der Corona-Krise aufmerksam machen will.

Ohne glaubhafte Abgrenzung demonstrieren immer mehr in Ravensburg

So sehr dieses Schild darum bemüht ist, eine glaubhafte Abgrenzung von Rechts findet bei Nicht ohne uns! in Ravensburg nicht statt.
So sehr dieses Schild darum bemüht ist, eine glaubhafte Abgrenzung von Rechts findet bei Nicht ohne uns! in Ravensburg nicht statt.

Immer mehr kommen in Ravensburg zu den Versammlungen der Nicht ohne uns!-Bewegung. Diesen Samstag kamen nach Polizeiangaben 1500 Menschen vor der Oberschwabenhalle zusammen. Die Redner und manch Teilnehmende wollen mit Rechts nichts zu tun haben. Doch Einblicke in die interne Kommunikation der Organisationsgruppen zeigen deutlich, wie stark hier rechtsradikale Verschwörungstheorien und Erklärungsmuster vorherrschen.

Auch deren Anhänger_innen stellen dies am Samstag wieder offen zur Schau. Neben dem allgegenwärtigen »Querdenkerbommel« waren wieder Neonazis vor Ort. Mehrere Personen trugen an diesem Tag Kleidung mit direktem Bezug zur stark von Rechtsradikalen geprägten QAnon-Bewegung und einem rechten YouTuber und Verschwörungstheoretiker. Kritik oder sogar einen Ausschluss aus der Veranstaltung mussten sie dabei nicht fürchten.

Während eine kleine Gruppe auf dem Rivoliplatz in Ravensburg »Grenzenlose Solidarität« fordert und sich für Klimaschutz, Feminismus und einen vernünftigen Umgang mit der Corona-Krise stark macht, versammeln sich 1500 mit Rechten an der Oberschwabenhalle.
Während eine kleine Gruppe auf dem Rivoliplatz in Ravensburg »Grenzenlose Solidarität« fordert und sich für Klimaschutz, Feminismus und einen vernünftigen Umgang mit der Corona-Krise stark macht, versammeln sich 1500 mit Rechten an der Oberschwabenhalle.

Ein ganz anderes Bild lieferte eine deutlich kleinere Kundgebung auf dem ​Rivoliplatz. Hier demonstrierten Menschen in Schutzmasken mit der Aufschrift »Grenzenlose Solidarität« für die Rechte von Geflüchteten und machten sich in Redebeiträgen, die bis zu 70 Zuhörende erreichten, für Klimaschutz, Feminismus – und einen vernünftigen Umgang mit der Corona-Krise stark.


Hilfe: Du hast selbst einen Übergriff erlebt?

Dann kannst du Hilfe bei B.U.D. Bayern bekommen. Das ist eine unabhängige Beratungsstelle für Betroffene von rechten, rassistischen und antisemitischen Übergriffen.

Zeug_innen können sich an B.U.D. Bayern wenden, dann wird der Vorfall registriert und Betroffenen geholfen – wenn sie das wollen.

Wenn du in Baden-Württemberg bist, ist dieLeuchtlinie für dich da.

Eltern, Angehörige und Freunde von Jugendlichen, die sich rechts orientieren, können Hilfe bei der Elternberatung bekommen.

Und wenn du selbst etwas gegen Rechts unternehmen willst, steht dir die Mobile Beratung zur Seite.

10 Gedanken zu „Corona-Demos im Allgäu: Leugnung statt Abgrenzung“

  1. Ich finde es sehr schade, dass jede Kritik und jede Demo gegen sinnlose Schikanen im Zuge der Coronakrise als rechts, Verschwörungstheorien und in die Nähe von Reichsbürgern und AfD gerückt wird.

    Der Kreis Oberallgäu, das Kleinwalsertal und das Außerfern sind lt. seriösen Quellen (die Zeit, staatliche Seiten) frei von aktiven Fällen. Warum also Grenzkontrollen, Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen. Dagegen darf und soll man als liberal denkender Mensch auf die Straßen gehen. Kann auch nichts dafür, dass Leute die glauben, das Virus wurde von Chinesen im Auftrag von Bil Gates gezüchtet, auch auf die Straße gehen. https://www.nzz.ch/international/coronavirus-pauschale-abwertung-von-protesten-verdraengt-kritik-ld.1556319?fbclid=IwAR2LIY9IeGOXD5eQwD-2k-iDTVrMi_ybWQlW1rDi_X5cGYDNo7uVjUexNgU

    1. Dafür, dass Rechte, Verschwörungslgäubige und Reichsbürger auf die Straße gehen, können Sie vielleicht wenig. Aber alles, falls Sie mit Ihnen auf die Straße gehen und sich dazu nicht kritisch äußern. Dann rücken Sie sich eben in deren Nähe.

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