Trotz Verbot führte Voice of Anger am Samstag ein Konzert im Allgäu durch. Rund 200 Neonazis folgten der Einladung der rechtsradikalen Skinheadkameradschaft.
Am Samstag führten Neonazis ein eigentlich verbotenes Konzert bei Aichstetten im Landkreis Ravensburg durch. »Wir hatten eine Konzertveranstaltung mit Kontrolleinsatz. Es gab keinerlei Probleme«, zieht ein Sprecher des zuständigen Polizeipräsidium Konstanz am Sonntag auf Anfrage ein erstes Resümee.
Konzertverbot in Bayern
Zuvor hatte die Verwaltungsgemeinschaft Memmingerberg per Sicherheitsverfügung im Gemeindebereich »alle nichtangezeigten Musikveranstaltungen unter dem Motto ›Angry, Live and Loud 2‹ und etwaige Ersatzveranstaltungen verboten«. Bei Zuwiderhandlungen drohten Zwangsmittel der Polizei und ein Bußgeld.
Um das Verbot durchzusetzen hatte sich die bayerische Polizei laut einem Bericht von new-facts.eu mit einem Großaufgebot an der Tankstelle Ungerhausen an der A96 aufgestellt. Doch die Konzertbesucher waren schon über die Untersagung unterrichtet und fuhren einfach weiter nach Baden-Württemberg, wohin das Konzert kurzfristig verlegt wurde.
Konspiration an der Landesgrenze
»Für uns war der Einsatz ziemlich schnell erledigt, nachdem es bei uns gar nicht stattgefunden hat und es kam auch zu keinen Ersatzveranstaltungen in unserem Bereich«, erklärte ein Beamter der Einsatzzentrale der bayerischen Polizei am Präsidium Schwaben Süd/West ebenfalls am Sonntag im Gespräch mit Allgäu ⇏ rechtsaußen.
Dass das Konzert verlegt wurde, habe sich erst im Laufe des Einsatzes herausgestellt, so der Beamte weiter. »Deswegen machen die das ja konspirativ und an den Landesgrenzen, um uns möglichst wenig Zeit zu geben um zu reagieren. Das ist schlicht und ergreifend taktisches Verhalten.«
Polizei kontrolliert Anreise aus dem ganzen Bundesgebiet und nahen Ausland
Die Neonazis fuhren einfach wenige Kilometer weiter bei Aitrach – unmittelbar hinter der Landesgrenze nach Baden-Württemberg – von der Autobahn ab. Am Bahnhof Aichstetten richtete die dort zuständige Polizei nun eiligst eine Kontrollstelle am Bahnübergang ein, von der unsere Redakteure mit einem Live-Ticker berichteten.
Gegen 19 Uhr stauten sich die meist vollbesetzten Autos der Konzertbesucher an der Kontrollstelle auf. Rund 200 Personen sollten an diesem Abend die Polizeikontrolle vor dem Konzert in Stockbauren passieren – sie kamen aus dem ganzen Bundesgebiet und dem angrenzenden Ausland, wie die Kennzeichen der Fahrzeuge verrieten. Darunter Bandmitglieder von Faustrecht, den Prolligans und Schanddiktat, sowie ein bekannter Stuttgarter Rechtsanwalt, der einst selbst in einer Neonaziband spielte.
Erneut Veranstaltung von Voice of Anger
Bereits Anfang Oktober vergangenen Jahres trafen sich über 250 Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet und dem angrenzenden Ausland zu einem Konzert im Landkreis. Damals feierte die Skinheadkameradschaft Voice of Anger ihr 15-jähriges Jubiläum – ebenfalls unter dem Titel Angry, live and loud. Wenig später deckte unsere Recherche auf: Das Gehöft im Bereich Talacker ging kurz zuvor in das Eigentum eines Anhängers von Voice of Anger über. Dieser lieferte vergangenen Samstag Sitzgelegenheiten zum wenige Konzert ins wenige Kilometer entfernte Stockbauren.
Als Veranstalter der Konzertneuauflage wies ein Beamter des Staatsschutzkommissariates der Konstanzer Polizei am Samstag den Eigentümer der ehemaligen Gartenschänke in Buxach-Hart bei Memmingen aus. Das Gebäude gilt als Clubhaus von Voice of Anger, die laut Verfassungsschutz die mitgliederstärkste Vereinigung ihrer Art in Bayern darstellt.
Initiative will Treff- und Rekrutierungspunkt für gewaltbereite rechtsradikale Szene verhindern
Der Fall dürfte eine Debatte neu entfachen, die seit dem Konzert im Oktober in der Region geführt wird. Viele befürchten, dass sich in der Gegend ein Treff- und Rekrutierungspunkt für eine gewaltbereite rechtsradikale Szene etablieren könnte.
Eine Initiative fordert deshalb die Behörden zu einem konsequenten Einschreiten gegen Neonaziumtriebe auf. Eine entsprechende Petition kann noch gezeichnet werden. Die Behörden beteuern, man könne nichts tun als Straftaten zu verhindern und zu verfolgen. Doch Bayern hat gezeigt: Man kann.
10 Gedanken zu „Neonazikonzert im Allgäu: In Bayern verboten, in Württemberg kein Problem“