Am Samstag deckt Allgäu ⇏ rechtsaußen den geheimen Auftrittsort einer Band aus dem Allgäu auf - noch bevor die Gäste ihn kennen. Die Polizei zeigt dennoch kaum Interesse.

Neonazis unter sich

Am Samstag deckt Allgäu ⇏ rechtsaußen den geheimen Auftrittsort einer Band aus dem Allgäu auf – noch bevor die Gäste ihn kennen. Die Polizei zeigt dennoch kaum Interesse. Ein Rechercheprotokoll.

Neonazis bleiben gerne unter sich. Eine kritische Öffentlichkeit, die Polizei, die ihre Gäste kontrolliert und Behörden, die lästige Auflagen oder gar Verbote erteilen, sollen von ihren Veranstaltungen möglichst nichts erfahren. Deshalb werden vor allem Konzerte immer wieder verdeckt organisiert: Flugblätter werden nur unter der Hand und ohne Ortsangabe an Szeneanhänger verteilt. Wer zum Konzert will, muss eine Art konspirativer Schnitzeljagd absolvieren. Doch nicht immer geht diese Geheimniskrämerei auf.

So auch am vergangenen Samstag. Seit einigen Wochen kursierte in der Neonaziszene ein Flugblatt, das für den 2. März 2019 einen Auftritt von Kommando 192, Germanium und Kodex Frei aus dem Allgäu ankündigte – irgendwo »live in Süddeutschland«, wie es geheimnistuerisch hieß. Wer es genauer wissen wollte, hatte sich per Mail an eine »Sektion SüdWürttemberg« zu wenden und erhielt eine Telefonnummer.

Informationsbeschaffung

Dort erhalten Anrufer am Tag des Konzertes genauere Informationen: Am Abend soll der Parkplatz eines Supermarktes in Gammertingen im Landkreis Sigmaringen als Schleusungspunkt dienen. Was der Neonazi am Telefon nicht weiß: Unter den Anrufern ist auch ein Journalist. Er wird mit einem Rechercheteam für Allgäu ⇏ rechtsaußen und den Störungsmelder von Zeit online schon Stunden vor Beginn der Schleusung vor Ort sein und den genauen Veranstaltungsort veröffentlichen, als er noch nicht einmal den anreisenden Gästen bekannt ist.

Als sich der Journalist am Vorabend beim örtlich für den Schleusungspunkt zuständigen Polizeipräsidium Konstanz nach dem Konzert erkundigt, ist dort noch nichts davon bekannt. Noch am frühen Samstagnachmittag erklärt ein Polizeiführer auf Anfrage: »Ich habe keine Info, gar nichts darüber. Wir haben nur Fasnachtsveranstaltungen heute.« Zu diesem Zeitpunkt ist das Rechercheteam bereits im Begriff, am Schleusungspunkt einzutreffen. Doch die Polizei zweifelt an der Information der Journalisten: »Wenn das gestern schon bekannt gewesen wäre, dann hätte ich die Info auf jeden Fall bekommen. Und wenn ich nichts habe, dann ist da nichts.«

Also doch reingefallen auf eine geschickte Täuschung der Neonazis? Nein, die Rechercheure sind sich sicher und beharren auf der Korrektheit der Information. Also werde man sich »kundig machen und zurückrufen«, sagt der diensthabende Polizeiführer. »Das ist uns bekannt«, heißt es dagegen aus dem Lagezentrum der Polizei in Tuttlingen. Man sei auf einen Einsatz »im Bereich Burladingen« vorbereitet, wisse aber nicht genau, wo das Konzert stattfinden soll.

Die Suche beginnt

Am Samstag deckt Allgäu ⇏ rechtsaußen den geheimen Auftrittsort einer Band aus dem Allgäu auf - noch bevor die Gäste ihn kennen. Die Polizei zeigt dennoch kaum Interesse. Ein Rechercheprotokoll.
Auf der Suche nach dem Veranstaltungsort finden die Rechercheure ein »Deutsches Schutzgebiet« am Rande einer Hauptstraße. Doch es ist ein Wohngebäude: Hier wird das Konzert nicht stattfinden.

Es ist 14 Uhr als das Rechercheteam am Schleusungspunkt eintrifft. Tatsächlich herrscht hier der ganz normale Supermarktbetrieb eines frühen Samstagnachmittag. Also macht sich die Gruppe am südlichen Rand der Neckar-Alb-Region auf die Suche nach dem Veranstaltungsort. Zerfallende Häuser säumen den Straßenrand und zeichnen ein Bild, das die Erinnerung an manche Gebiete in Ostdeutschland aufdrängt. In einem Ort sticht ein Gebäude ins Auge: Ein Schild mit einem Eisernen Kreuz und der Aufschrift »Deutsches Schutzgebiet« markiert den Eingang zum Haus direkt an der Hauptstraße.

Doch es ist ein Wohnhaus, hier wird das Konzert nicht stattfinden. Also weiter. Während das Fahrzeug der Journalisten die halb verlassen wirkende Landschaft passiert, meldet sich erstmals die Kriminalpolizei aus Rottweil: »Sie hatten dem Präsidium netterweise den Schleuspunkt genannt.« Es sei bekannt, »dass da ein Konzert stattfinden soll. Aber wir wissen nicht wo.« Die Journalisten wissen es auch noch nicht genau und sagen nichts.

Erst gegen 16 Uhr kann das Team erste Informationen bestätigen, nach denen das Konzert in der Schwäbischen Hochalbhalle eines Hasenzüchtervereins in Bitz im Zollernalbkreis stattfinden soll. Als der braune Soundcheck beginnt, veröffentlicht jemand aus dem Rechercheteam die Information auf Twitter. Wie sich später herausstellt, wurde das sogenannte Hasenheim unter dem Vorwand einer Geburtstagsfeier angemietet.

Nachdem der Veranstaltungsort gefunden ist, geht es für die Rechercheure zurück zum Schleusungspunkt in Gammertingen. Ein Zivilfahrzeug der Kriminalpolizei bestreift den Supermarktparkplatz als die Schleusung gegen 18:30 Uhr beginnt. Kurz darauf kommt es erneut zum Kontakt mit den Journalisten. Wieder bitten die Polizisten um Informationen zum Veranstaltungsort. Auf den Hinweis, dass man diesen bereits Stunden zuvor veröffentlicht habe, erwidert der Polizist: »Ich kann nur im Auto sitzen oder Twitter auswerten.« Also bekommt er die Information.

Dann fällt plötzlich ein junger Mann auf dem Supermarktparkplatz auf. Mit Jacke und Bauchtasche der Marke Ansgar Aryan und Tarnhose will der tätowierte Glatzkopf nicht in das abendliche Einkaufsgeschehen passen. Offensichtlich ist er nicht hier, um seinen Wochenendeinkauf zu erledigen. Nervös tigert er über den Parkplatz. Es dauert nicht lange, dann fahren erste Fahrzeuge vor, deren meist vier- bis fünfköpfige Besatzung ebenfalls nicht den Eindruck macht, zum Shoppen gekommen zu sein. Jetzt ist klar: Der nervöse Glatzkopf ist tatsächlich der Schleuser. Von ihm bekommen die Konzertbesucher die Adresse des Veranstaltungsortes in Bitz.

Neonazis unter sich

Spät abends sind die Neonazis in Bitz unter sich.
Spät abends sind die Neonazis in Bitz unter sich.

So werden etwa ein Dutzend Autos über den Supermarkt geschleust. Die meisten Gäste finden den längst nicht mehr geheimen Veranstaltungsort im Nachbarlandkreis jedoch ohne den Umweg über Gammertingen. Rund 30 Fahrzeuge finden sich schließlich in Bitz ein. Aus einem großen Einzugsgebiet kommen sie nicht, die meisten Kennzeichen sind aus der Region. Die weiteste Anreise dürfte eine Gruppe aus Vorarlberg gehabt haben.

Auch das Fahrzeug der Kripo ist in Bitz wieder vor Ort. Doch die Beamten rücken noch während der Anreise der Gäste wieder ab, ohne sichtbare Maßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus zeigt die Polizei an diesem Abend keine Präsenz. Die Neonazis dürften ihre Anwesenheit nichteinmal wahrgenommen haben.

Zu diesem Zeitpunkt hat das Konzert noch nicht begonnen. Es gibt technische Probleme mit der Musikanlage. Die Frustration der Gäste, die sich zunehmend vor dem Hasenheim sammeln, scheint zu steigen. Ihr Pegel sowieso. Gegen neun wird es zu gefährlich und auch die Recherchegruppe zieht sich zurück. Nun sind die Neonazis unter sich.


Dies ist eine überarbeitete und erweiterte Version eines Berichts, der zuerst im Onlineangebot der Zeit erschien.


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2 Gedanken zu „Neonazis unter sich“

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