Verleihung des ASF-Rose in Füssen bringt Abtreibungsgegner_innen auf die Palme.

Frauentag: Rechtsaußen demonstrieren gegen Gleichstellungspreis

Eine Preisverleihung der Sozialdemokratischen Frauen in Füssen bringt Abtreibungsgegner_innen und CSU-Rechtsaußen derart auf die Palme, dass sie am Internationalen Frauentag dagegen demonstrieren. Kommentar einer Feministin.

Eine ungewollte Schwangerschaft ist eine belastende Situation. Keine Frau trifft die Entscheidung gegen eine Schwangerschaft leichtfertig. In Bayern ist die Situation besonders prekär, vor allem für Frauen, die auf dem Land wohnen.

Die Gesetze, die einen Schwangerschaftsabbruch regeln, sind in erster Linie ein Kompromiss. Denn ein Recht darauf besteht in Deutschland nicht. Abtreibungen werden zum Teil im Strafgesetzbuch geregelt und sind nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Das Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) schreibt dazu vor dem Abbruch eine verpflichtende Beratung vor. Diese Beratung soll zwar laut Gesetz »wohnortnah« und »ausreichend« angeboten werden.

Offensiver Angriff auf Frauen und Mediziner_innen, die Abtreibungen durchführen

In der Realität bedeutet das für viele Frauen jedoch, dass sie weite Wege für eine Beratung auf sich nehmen müssen. Der Eingriff selbst muss gesetzlich »ausreichend« ermöglicht werden. Bisher gibt es jedoch keine zentrale Übersicht an Ärzt_innen, die Abtreibungen durchführen. Künftig soll immerhin eine deutschlandweite Hotline Auskunft über Praxen in der Nähe geben. Zusätzlich dürfen sich Ärzt_innen gesetzlich immer weigern, derartige Eingriffe durchzuführen.

Was die Situation zusätzlich erschwert, ist ein offensiver Angriff von Abtreibungsgegner_innen auf Frauen und auf Ärzt_innen, die Abtreibungen durchführen. Immer wieder wurden sogenannte Gehsteigberatungen durchgeführt, bei denen Frauen vor gynäkologischen Praxen mit verstörendem Bildmaterial und Plastikembryonen »sensibilisiert« werden sollen. Frauen werden damit unter psychischen Druck gesetzt. Der § 219a Strafgesetzbuch kriminalisiert Ärzt_innen zusätzlich: Die öffentliche Information, dass Praxen Abtreibungen durchführen, kann strafrechtlich geahndet werden.

Umso mehr ist der Einsatz verschiedener Ärzt_innen zu würdigen, die sich davon nicht einschüchtern lassen und die für den Zugang zu einem legalen Abbruch einstehen.

Presiverleihung Sozialdemokratischer Frauen in Füssen

Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen verleiht ihre ASF-Rose für besondere Dienste um die Gleichstellung am Internationalen Frauentag 2019 an Kristina Hänel und Friedrich Stapf. (Bild: SPD Ostallgäu)
Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen verleiht ihre ASF-Rose für besondere Dienste um die Gleichstellung am Internationalen Frauentag 2019 an Kristina Hänel und Friedrich Stapf. (Bild: SPD Ostallgäu)

Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) im Unterbezirk Ostallgäu/Kaufbeuren und der SPD-Unterbezirk Ostallgäu/Kaufbeuren verleihen deshalb am 8. März anlässlich des Internationalen Frauentags 2019 die Rote ASF-Rose für besondere Verdienste um die Gleichstellung an Kristina Hänel und Friedrich Stapf, sowie einen lokalen Preis an Pro Familia Kempten, die eine Beratungsaußenstelle in Füssen eröffnet hat.

Zur Begründung heißt es, Hänel und Stapf hätten dazu beigetragen, »dass Frauen in Deutschland, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, nach einer persönlichen Beratung diesen Eingriff in der Obhut qualifizierter ÄrtInnen durchführen lassen können, nicht nur stationär, sondern auch ambulant.«. Hänel wurde wergen »unerlaubter Werbung für Abtreibungen» zu einer Geldstrafe verurteilt, hat aber Revision eingelegt.

Kundgebung gegen Preisverleihung im »Kulturkampf« gegen »Abtreibungslobbyisten«

Nicht allen gefällt das: Die Vereine Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) aus Augsburg oder die Christdemokraten für das Leben (CDL) haben eine Kundgebung gegen die Verleihung vor der Geschäftsstelle der Bayern-SPD organisiert, zu der auch der Konservative Aufbruch (KA) als rechter Flügel der CSU aufruft. Und das am Internationalen Frauentag!

Neben offenen Anfeindungen setzen Abtreibungsgegner_innen auch auf subtilere Mittel – eine Art »Kulturkampf« (1) über Diskurse. Durch die Umdeutung von Begriffen versuchen sie Abtreibungen als Mord zu stigmatisieren. Sie stilisieren sich als »Lebensschützer« gegen »Abtreibungslobbyisten« und anstelle von »Fötus« oder »Embryo« benutzen sie »Kind« oder »Ungeborenes«. Dabei geben sie sich frauenfreundlich, da sie sich angeblich um die psychischen Folgen für Frauen sorgen, (2) da Frau-Sein und Mutter-Sein untrennbar miteinander verbunden und Abtreibungen »wider der Natur« seinen. Genauso geben Sie sich als Kämpfer für Menschen mit Behinderung, deren Recht auf Leben sie schon mit Mutterleib verteidigen wollen.

Frauen müssen über ihren Körper selbst bestimmen können

Diese Strategien sind durchaus wirkungsvoll und oft schwer zu durchschauen. Deshalb muss die politische Diskussion von feministischer Seite weiter gehen. Schwangerschaftsabbruch darf nicht weiter im Strafgesetzbuch geregelt werden, das Werbungsverbot für Abtreibungen im § 219a muss gestrichen werden, Frauen müssen über ihren Körper selbst bestimmen können.

Aber eine feministische Debatte darf sich auch nicht vor Widersprüchen und der Notwendigkeit zur Differenzierung drücken! So machen etwa technische Entwicklungen wie Pränataldiagnostik neue Auseinandersetzungen nötig: Was ist, wenn eine vorgeburtliche Diagnostik eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Behinderung bei einem Fötus feststellt? Wie kann das Recht auf Selbstbestimmung mit dem Kampf gegen Behindertenfeindlichkeit miteinander vereint werden? Emanzipatorische Bewegungen wie die des Feminismus dürfen auf keinen Fall gegen den Anspruch auf selbstbestimmtes Leben etwa von Menschen mit Behinderungen ausgespielt werden!


(1) Vgl. Elke Sanders, Kirsten Achtelik, Ulli Jentsch (2018): Kulturkampf und Gewissen. Medizinethische Strategien der „Lebensschutz“-Bewegung. Verbrecher Verlag, Berlin.

(2) Jens Spahn möchte im Gesundheitsministerium eine Studie über die psychischen Folgen einer Abtreibung für Frauen in Auftrag geben.


Hilfe: Du hast selbst einen Übergriff erlebt?

Dann kannst du Hilfe bei B.U.D. Bayern bekommen. Das ist eine unabhängige Beratungsstelle für Betroffene von rechten, rassistischen und antisemitischen Übergriffen.

Zeug_innen können sich an B.U.D. Bayern wenden, dann wird der Vorfall registriert und Betroffenen geholfen – wenn sie das wollen.

Wenn du in Baden-Württemberg bist, ist dieLeuchtlinie für dich da.

Eltern, Angehörige und Freunde von Jugendlichen, die sich rechts orientieren, können Hilfe bei der Elternberatung bekommen.

Und wenn du selbst etwas gegen Rechts unternehmen willst, steht dir die Mobile Beratung zur Seite.

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