Am frühen Sonntagnachmittag  machte die sogenannte »Frauen-Bus-Tour« einen Stopp auf dem Stadionparkplatz in Memmingen.

Querdenken: Viele Aktionen stoßen auf wenig Interesse

Die vorweihnachtlichen Querdenken-Versammlungen im ganzen Allgäu fallen deutlich kleiner aus als geplant – oder ganz ins Wasser. Dafür wird der Gegenprotest auf’s übelste beleidigt.

»Mitdenken statt Querdenken – kein Schulterschluss mit rechts«. Nachdem sich eine junge Aktivistin mit diesem Spruch im Internet zeigte, musste sie sich die Bezeichnung als Nazi gefallen lassen sowie eine ganze Tirade übelster misogyner (frauenfeindlicher) und behindertenfeindlicher Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Sie meldete den Vorfall – und steht weiterhin zu ihrem Statement.

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Zu der Aktion aufgerufen hatte die Gruppe Kempten gemeinsam gegen Rechts, das so kurz vor Weihnachten aus Gründen des Infektionsschutzes den zahlreichen von Querdenken geplanten Versammlungen nicht direkt  gegenüber treten wollte. Stattdessen luden sie zum Online-Protest in den sozialen Netzwerken ein. Am Dienstag resümieren die Initiator_innen: »Das lange Wochenende der Solidaritätsverweigerer, Verschwörungsmythen, Diktatur-Vergleiche, der Halb- und Unwahrheiten und des ewigen unsolidarischen und egoistischen MNS-Gejammers im Allgäu ist zu Ende und wir möchten uns bei all den tollen Menschen, die sich an unserem Online-Protest beteiligt haben ganz ❤lich bedanken!«

Die Allgäuer Querdenker_innen hätten dagegen keinen großen Erfolg verzeichnen können. Zumindest in den Chatgruppen scheine »die Stimmung eher bedrückt zu sein.« So ist gleich die erste für das Wochenende geplante Aktion ins Wasser gefallen. Einen Autokorso in Kaufbeuren sagten die Organisator_innen kurzfristig ab, da nur drei Autos am Startpunkt Parkplatz Waldfriedhof erschienen sein sollen.

Kempten: »Schülerdemo« voller Erwachsener

Bis zu 1000 Personen wollte Querdenken mitten in der Hochphase der Pandemie am vorweihnachtlichen Samstagnachmittag zum Hildegardplatz in Kempten mobilisieren.
Bis zu 1000 Personen wollte Querdenken mitten in der Hochphase der Pandemie am vorweihnachtlichen Samstagnachmittag zum Hildegardplatz in Kempten mobilisieren.

Bis zu 1000 Personen wollte Querdenken mitten in der Hochphase der Pandemie am vorweihnachtlichen Samstagnachmittag zu einer »Schülerdemo« der Youngsters um Samuel Eckert auf den Hildegardplatz in Kempten mobilisieren. So viele sollten es jedenfalls der Versammlungsanmeldung nach werden. Die Versammlungsbehörde reduzierte die Zahl der zugelassenen Teilnehmenden jedoch auf 200, was das Verwaltungsgericht Augsburg bestätigte. Etwa einhundert Beamtinnen und Beamte der Polizei sollten die Einhaltung der Auflagen überwachen.

Im Verlauf der Versammlung fanden sich laut Polizei rund 200 Teilnehmende im zugewiesenen abgesperrten Gelände vor der Basilika ein. Im Umfeld hätten sich zeitweise wesentlich mehr Personen aufgehalten. Insgesamt sprachen die Einsatzkräfte deshalb 112 Platzverweise an Personen aus, die im Umfeld länger verweilten, sodass die Versammlung auf die zulässige Teilnehmendenzahl begrenzt blieb.

In 14 Fällen wollen die Beamten eine Anzeige erstattet haben, weil Teilnehmende die erforderliche Mund-Nasen-Bedeckung nicht trugen. In mehreren Dutzend Fällen hätten die Einsatzkräfte Personen mit Attesten registriert, die eine Befreiung von der Pflicht beinhalten, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Dabei habe sich in drei Fällen der direkte Verdacht auf den unzulässigen Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse ergeben, eine Vielzahl weiterer Atteste soll im Nachgang an die zuständigen Behörden zur Überprüfung weitergeleitet werden. Zudem habe ein Versammlungsteilnehmenden eine Anzeige nach dem Versammlungsgesetz wegen des Verdachts der unerlaubten Vermummung erhalten.

Trotz der Ankündigung einer »Schülerdemo« befanden sich unter den Versammelten nur wenige Schülerinnen und Schüler, während die überwiegend Erwachsenen erneut für rechte und verschwörungsideologische Youtuber warben. Julian Aicher, der schon in der ersten Jahreshälfte in einer Rede in Kempten von einer Verschwörung der »Mächte der Finsternis« sprach und seine Rede als Neffe von Hans und Sophie Scholl mit den Worten »die Wahrheit macht uns frei« beendete, instrumentalisierte erneut den Widerstand der Weißen Rose für seinen Feldzug gegen die Corona-Maßnahmen. Mittels eines Aufstellers mit einem Zitat von Sophie Scholl taten es ihm Infostandbetreiber_innen gleich – und wetterten gegen Massenmedien.

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»Merkel-Diktatur« und »streben nach einer »globalen Weltherrschaft« in Memmingen

Am frühen Sonntagnachmittag  machte die sogenannte »Frauen-Bus-Tour« einen Stopp auf dem Stadionparkplatz in Memmingen.
Am frühen Sonntagnachmittag  machte die sogenannte »Frauen-Bus-Tour« einen Stopp auf dem Stadionparkplatz in Memmingen.

Am frühen Sonntagnachmittag  machte die sogenannte »Frauen-Bus-Tour« einen Stopp auf dem Stadionparkplatz in Memmingen. Das nach der Hauptakteurin auch »Rosenbus« genannte Projekt zieht ähnlich der »Corona-Info-Tour« von »Schwindelarzt« Bodo Schiffmann und Verschwörungs-Missionar Samuel Eckert, dem die Kirche ein Predigtverbot auferlegte, von Stadt zu Stadt, um mit Kundgebungen gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu wettern. Der »Rosenbus« ist dabei aber deutlich weniger erfolgreich. So fanden sich am Sonntag lediglich rund 50 Personen inklusive der Busbesatzung auf dem Stadionparkplatz ein, während das Vorbild vor einigen Wochen rund 400 Personen auf den Parkplatz lockte, darunter auch Anhänger von Voice of Anger und ein ehemaliger Vorstand der AfD Unterallgäu.

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»Für Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung« seien die Frauen mit dem Bus nach Memmingen gekommen. Sie distanzierten sich »von jeglichen Formen von Extremismus, Gewalt, Rassismus«, so die Initiatorin im ersten Redebeitrag. Man sei keine Versammlung von Corona-Leugner_innen, hieß es zunächst. Doch bald wurden andere Töne angeschlagen. Von »der größten globalen Massentäuschung« war da etwa die Rede. Doch man brauche keine Angst zu haben, denn mit einem gesunden Immunsystem könne einem nichts passieren.

Bald befänden wir uns in einer »Merkel-Diktatur«, glaubt eine Rednerin zu wissen, während das Publikum sich den Zwischenrufen nach schon längst dort angekommen wähnt: »Da sind wir längst!« Die Rednerin wittert eine Verschwörung, einen »Plan« hinter der Pandemie: Zunächst würden kleine Firmen bewusst in die Insolvenz getrieben, während »Regime-wichtige Großunternehmen« bezuschusst und Wahlen ausgesetzt würden. Dazu käme das »streben nach einer globalen Weltherrschaft, Neue Weltordnung«. Durch die MNS würde der Bevölkerung eine Uniformierung aufgezwungen, denn »Menschen sollen keine Individuen mehr sein«.

Diesem Verschwörungsmythos entsprechend nahmen die Teilnehmenden auch die Maßnahmen der Polizei zur Einhaltung des Infektionsschutzes als Unterdrückung ihrer Meinungskundgabe wahr: Daniel Langhans würde von der Polizei festgehalten und dürfe nicht sprechen. Tatsächlich hatte er sich geweigert, gemäß den Auflagen der Versammlung einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und durfte daher das Versammlungsgelände nicht betreten. Zuletzt bediente Langhans in Memmingen antisemitische Verschwörungsmythen als er etwa sagte: »Wir lassen uns nichts von den Politikern, die nur irgendwelche Marionetten sind, die irgendwelche Handlanger sind von irgendwelchen fernab entscheidenden Leuten. Wir lassen uns von denen nichts mehr sagen!« Erst vor wenigen Tagen schlug der Querdenken-Dauerredner in Sonthofen in die selbe Kerbe.

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Auch andere Teilnehmende versuchten am vergangenen Sonntag, die im Versammlungsbescheid angeordnete Maskenpflicht zu missachten. Neun von ihnen zeigte die Polizei entsprechend an. Damit zog sie den Unmut der Redner_innen und der Versammllungsteilnehmenden auf sich. In sämtlichen Reden wetterten diese gegen die Maßnahme, die einen schweren und unzulässigen Eingriff in ihre Freiheit darstelle und forderten ihr Publikum auf, Anzeige gegen die Polizei wegen Verfolgung unschuldiger zu erstatten.

Schon zur Eröffnung der Kundgebung wetterte die Initiatorin, man lasse sich von der Polizei nicht weiter schikanieren« weil vermeintliche Atteste, die von der Maskenpflicht befreien sollen, nicht akzeptiert würden. Ein weiterer Redner drohte gar der Polizei: »Ihr werdet noch sehr bereuen, was ihr hier tut, euch wird das noch sehr leid tun«. Die Masken durchzusetzen sei »eine diktatorische Maßnahme« und die Regierung »eine kriminelle Vereinigung«.

Gegen Kritiker_innen dagegen würden die Redner_innen am liebsten selbst zu nicht gerade freiheitlichen Maßnahmen greifen. So forderten sie in Memmingen etwa, »alle Medien, die die Unwahrheit verbreiten, zu verbieten!« Zudem solle »die Antifa« als »terroristische Organisation« eingestuft werden.

Füssen: Kontaktfreier Protest empfängt »Rosenbus«

Am Sonntagabend fand sich der Demonstrationsbus der Frauen am Stadtbrunnen in der Füssener Fußgängerzone ein. Vor nur rund 20 Teilnehmenden wetterte man hier weniger als in Memmingen gegen die Polizei und lieferte ein zwar gekürztes, aber inhaltlich in etwa deckungsgleiches Programm wie zuvor in Memmingen ab.

Auch in Füssen wähnen sich die Querdenker_innen in einer Diktatur. Wenn man Maske tragen müsse, sei das keine Demokratie, sagte eine Teilnehmerin im Interview. Die Pandemie müsse »aufgehoben werden«. Heute dürfe sie »wie früher« keine »andere Meinung« haben und würde für diese denunziert. Nun gäbe es eine »neue demokratische Partei«, erklärt ihr Begleiter und deutet auf einen Button auf seiner Brust: »dieBasis Allgäu«. Dort seien beide engagiert, er »würde für meine Freiheit sterben«. Sie lieber ins Ausland gehen. Eine ältere Teilnehmerin zeigt sich begeistert von den Reden der Bustour.  Sie sei »wirklich froh, wenn die ganze Regierung bestraft wird, das wünsche ich mir von Herzen«. Sie könne nicht fassen, dass »alle an die Pandemie-Lüge glauben«. Das verstehe sie nicht. Sie selbst sei ja schon seit Jahren nicht mehr krank geworden.

In Füssen allerdings erwarteten den »Rosenbus« eine Reihe von Protestplakaten. »Abstand halten von Pandemie-Leugnern und braunen Rattenfängern: Kein Schulterschluss mit Rechts«, hieß es darauf etwa. Neben der Kritik an rechten Bezügen von Querdenken forderten diese auch zur Solidarität mit verschiedenen Gruppen der von den Maßnahmen gegen die Pandemie betroffenen auf: »Keine Bühne dem braunen Mob! Kulturschaffende und ihre Forderungen ins Rampenlicht!«

Kaum Besuch für »Frauen-Bus« in Kempten

Beim Stopp der »Frauen-Bus-Tour« in Kempten zählte die Polizei 43 Teilnehmende.
Beim Stopp der »Frauen-Bus-Tour« in Kempten zählte die Polizei 43 Teilnehmende.

Auch am Montag änderte sich nicht viel am inhaltlichen Profil der »Frauen-Bus-Tour«, als diese auf dem Hildegardplatz in Kempten halt machte. Die Polizei zählte 43 Versammlungsteilnehmende. Wieder hätten zwei Personen entgegen der Auflagen ohne Mund-Nasen-Schutz an der Versammlung teilgenommen, weshalb die Polizei Verfahren einleitete. Bereits vor der Versammlung habe die Polizei in der Innenstadt zwei Personen ohne MNS festgestellt.

Trotz der verhältnismäßig schlecht besuchten Querdenken-Versammlungen der vergangenen Tage befürchtet Kempten gegen Rechts weitere Aktionen und will ebenfalls weiter aktiv bleiben. Leicht sarkastisch kommentiert die Initiative: »Da die Schwurbler jetzt natürlich leider nicht müde werden zu versuchen das ›Merkel-Regime‹ zu stürzen, uns ›Schlafschafe‹ mit ihren glänzenden Weisheiten zu erleuchten und den Leuten nicht mal über die Feiertage ihre Ruhe lassen wollen, gilt es natürlich weiterhin Haltung zu zeigen und solidarisch zu bleiben« – insbesondere mit jenen, die am Härtesten unter den Folgen von Corona und den Maßnahmen zu dessen Eindämmung leiden, so die antifaschistische Gruppe.


Hilfe: Du hast selbst einen Übergriff erlebt?

Dann kannst du Hilfe bei B.U.D. Bayern bekommen. Das ist eine unabhängige Beratungsstelle für Betroffene von rechten, rassistischen und antisemitischen Übergriffen.

Zeug_innen können sich an B.U.D. Bayern wenden, dann wird der Vorfall registriert und Betroffenen geholfen – wenn sie das wollen.

Wenn du in Baden-Württemberg bist, ist dieLeuchtlinie für dich da.

Eltern, Angehörige und Freunde von Jugendlichen, die sich rechts orientieren, können Hilfe bei der Elternberatung bekommen.

Und wenn du selbst etwas gegen Rechts unternehmen willst, steht dir die Mobile Beratung zur Seite.

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