Unbekannte schmieren »Fuck Islam« auf ein Fahrzeug im Wasserburger Weg. Entgegen aller Erfahrung hält die Polizei die Tat für religiös motiviert, Fachkundige gehen dagegen von einer rechten Tatmotivation aus – und der Verfassungsschutz kann den Fall gar nicht einordnen.
Am Samstag vor einer Woche besprühten Unbekannte einen weißen PKW im Wasserburger Weg in Günzburg mit Farbe. Das berichtet die Polizei am Sonntag und ruft Zeugen auf, sich zu melden. Die Tat soll am 9. November zwischen 3:00 Uhr und 9:00 Uhr morgens stattgefunden haben.
Erst auf konkrete Nachfrage sprach ein Polizeisprecher von einer politischen Tatmotivation. Auf das Auto seien die Worte »Fuck Islam« gesprüht worden. Deshalb werde sie als »politisch motivierte Kriminalität – religiöse Ideologie« geführt, so ein Sprecher der Polizei. Das sind definitionsgemäß »Straftaten, bei denen
Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine religiöse Ideologie entscheidend für die Tatbegehung war und die Religion zur Begründung der Tat instrumentalisiert wird.«
Verwirrung über politische Tatmotivation
Wie es zu der Einstufung der Tatmotivation als »religiöse Ideologie« kommt, geht aber weder aus der ursprünglichen Polizeimeldung, noch aus der Beantwortung unserer Nachfrage hervor. Als Fachjournalisten würden wir eine Einstufung als rechtsradikal motivierte Straftat erwarten. Denn hier scheint es nicht um die Instrumentalisierung einer Religion zu gehen. Eher dürfte sie selbst beziehungsweise deren vermeintliche Anhänger Ziel des Angriffs sein.
Das entspricht auch der Erfahrung in der unabhängigen Antidiskriminierungsarbeit, wie Damian Groten von der Beratungsstelle BEFORE gegenüber Allgäu ⇏ rechtsaußen bestätigte. Der Münchner Verein unterstützt Betroffene von rechter und rassistischer Gewalt und Diskriminierung in München. »Wir sehen in unserer Beratungsarbeit oft, dass Muslim*innen ausgegrenzt, angefeindet und angegriffen werden«, erklärte Groten weiter. Rassismus und Muslimenfeindlichkeit seien weit verbreitete Probleme, die Folgen von Diskriminierungen und Angriffen für Betroffene gravierend. Groten fordert: »Gesellschaft aber auch Behörden müssen hier genau hinsehen, Betroffene schützen und Taten bei denen Muslim*innen als Feindbild dienen entsprechend einordnen.«
Kriminologisch bildet sich diese Erfahrung auch in den jährlich erhobenen Fallzahlen zur politisch motivierten Kriminalität (PMK) in Deutschland ab. Seit Januar 2017 gibt es sogar ein eigenes Unterthema »islamfeindlich«. Darin erfasste das Bundesinnenministerium im Jahr 2018 insgesamt 910 Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund (2017: 1.075). 840 davon entfielen auf den »Phänomenbereich PMK-rechts«, was einen Anteil von 92,3 % an den Straftaten ausmacht (2017: 994). Insgesamt erfassten die Ermittler 20.431 rechte Straftaten im Jahr 2018, mit 586 jedoch nur einen Bruchteil davon im »Phänomenbereich PMK- religiöse Ideologie«.
Wir fragen also erneut beim für Günzburg zuständigen Polizeipräsidium in Kempten nach. ob die genauen Tatumstände oder ein möglicherweise bereits gefasster Tatverdächtiger Hinweise für eine Einstufung als religiös motiviert lieferte. Dem ist nicht so, wie Polizeisprecher Holger Stabik mitteilte. Derzeit laufen die Ermittlungen gegen Unbekannt. Weitere Tatumstände sind der Polizei bis dato nicht bekannt. Zudem könne man einen Fall nur einem Phänomenbereich zuteilen. Allerdings meldete die Polizei den Vorfall auch an den Bayerischen Verfassungsschutz. Dieser stuft die Tat nun als »Politisch motivierte Kriminalität – nicht zuzuordnen« ein.
Serie muslimfeindlicher Straftaten in Günzburg
Dem ging offenbar eine Serie ähnlich gelagerter Straftaten in Günzburg voraus. Bereits am 1. Juni 2018 bewarfen Unbekannte Autos von Besuchern einer Veranstaltung in einer Moschee in Günzburg mit Steinen und verursachten erheblichen Sachschaden. Täter konnten nicht ermittelt werden.
Auf die Frage, ob es seither weitere Ermittlungen zu Taten in Günzburg gab, die »den Islam«, dessen religiöse Einrichtungen oder vermeintliche Muslime zum Ziel gehabt haben könnten, nennt die Polizei fünf Ermittlungen aus dem Jahr 2018. Nur eine davon hatte sie bis dato öffentlich benannt.
In zwei Fällen vom 1. /2. Juli 2018 und dem 9. Juli 2018 konnten Ermittler demnach Tatverdächtige ausmachen. In drei weiteren Fällen vom 16. bis 18. September 2018, dem 13./14. Dezember 2018 und dem 14./15. Dezember 2018 laufen die Ermittlungen bis heute gegen Unbekannt. Dennoch stufte die Polizei alle fünf Fälle als rechtsmotiviert ein. Beim jüngsten davon ging es ebenfalls um die Worte »Fuck Islam« – und ein Hakenkreuz.
(Titelbild: CC by-sa liebeslakritze ; Quelle: Pressemeldungen der Polizei vom 10. November 2019)
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