Was machen Nazis Hier?! Meldet rechte und rassistische Vorfälle!

Höchststand bei rechten Straftaten im Allgäu

Reichsbürger, Nazis, Rassisten: Der Aufwärtstrend rechtsmotivierter Straftaten in der Region ist ungebrochen. 2017 verzeichnete die Polizei einen erneuten Höchststand. 

Statistisch vergingen im vergangenen Jahr in der Region keine zwei Tage ohne rechte Straftat. Das Polizeipräsidium in Kempten registrierte 2017 insgesamt 214 Straftaten, bei denen die Ermittler eine rechte Tatmotivation erkannten. Das ist ein Anstieg von 16,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, als das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West 184 rechtsmotivierte Straftaten zählte. Das teilte ein Behördensprecher am Mittwoch Abend auf Anfrage mit.

Trend zu immer mehr rechtsmotivierten Straftaten

Damit ist der seit Jahren anhaltende Trend zu immer mehr rechtsmotivierten Straftaten in der Region ungebrochen. Seit 2013 werden in jedem Jahr konstant mehr und mehr solcher Straftaten registriert, wie ein von Allgäu ⇏ rechtsaußen veröffentlichtes Diagramm verdeutlicht.

Nur 2014 gab es eine auffällige Spitze von 212 Straftaten – kaum weniger als im aktuellen Berichtsjahr. Einen bedeutenden Teil davon stellen in Memmingen registrierte Propagandadelikte dar. Diese sind auf die Razzia bei einem Neonazi-Plattenlabel Oldschool Records zurückzuführen, die aktuell Gegenstand eines Strafprozesses am Landgericht Memmingen ist. Das Unternehmen wird nach wie vor betrieben. Man darf davon ausgehen, dass sich eine erneute Razzia in einer erneuten Spitze der polizeilich registrierten Propagandadelikte niederschlagen würde.

Propaganda und Gewalt

Auch im Jahr 2017 stellt die Mehrheit von 102 der 214 rechten Straftaten Propagandadelikte dar wie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen oder die Verbreitung ihrer Propagandamittel dar. Zudem gab es 16 Fälle der Gewaltkriminalität und neun Sachbeschädigungen. 87 weitere Fälle rubriziert die Polizei als Sonstige.

Die Aufschlüsselung der Polizei erklärt nicht, weshalb 32 Delikte der Volksverhetzung, wie etwa die Leugnung des Holocausts, unter Sonstiges gezählt und nicht als Propagandadelikte gewertet werden. Teile der Sachbeschädigungen könnte man durchaus auch als Propagandadelikte werten – etwa Schmierereien an Asylsuchendenunterkünften. Unter Sonstiges werden auch zwölf Fälle der Nötigung und Bedrohung geführt.

Im Folgenden werden die Fälle nach Meldung der Polizei aufgeschlüsselt.

Gewaltkriminalität

In den frühen Morgenstunden des 01.01.2017 ereignete sich in der Asylsuchendenunterkunft in Altusried eine Explosion. Noch immer unbekannte Täter hatten mit einem pyrotechnischen Sprengkörper einen vor der Eingangstüre befindlichen Standaschenbecher gesprengt. Verletzt wurde niemand, der angerichtete Sachschaden beläuft sich auf mehrere tausend Euro.

Am 12.01.2017 teilte ein 16-jähriger syrischer Asylsuchender mit, dass er am 08.01.2017 gegen 01.30 Uhr in Obergünzburg von drei Personen angegriffen und beleidigt worden sein soll. Von einem türkisch sprechenden Mann wurde er dabei beschimpft und mit der Faust gegen die Brust geschlagen, außerdem erhielt er eine Ohrfeige. Er wurde dann von der zweiten Person festgehalten und vom dritten Mann mit einem Messer am linken Oberschenkel verletzt. Bei der zweiten und dritten Personen handelt es sich nach Angaben des Geschädigten um Deutsche. Die Täter konnten bislang nicht ermittelt werden.

Im Rahmen einer anderweitigen Anzeigenaufnahme teilte ein 26-jähriger Flüchtling den aufnehmenden Polizeibeamten mit, dass er im März 2016 in Schwangau von einem Mann absichtlich vom Fahrrad gestoßen wurde, dabei jedoch keine Verletzungen davontrug. Der 39-jährige Tatverdächtige konnte ermittelt werden.

Am Nachmittag des 04.04.2017 wurde eine Muslima, die zum Tatzeitpunkt ein Kopftuch trug, in Immenstadt von einer Frau zunächst verbal angegangen und aufgefordert sich aus Deutschland zu »verpissen«, dabei hielt sie ihr Opfer auch an der Schulter fest. Die Geschädigte verspürte daraufhin starke Schmerzen im Bauch. Als Tatverdächtige konnte eine 74-Jährige ermittelt werden.

Am 13.04.2017 ging bei der Polizeiinspektion Kempten das Schreiben einer Frau ein, die sich über vermehrte Polizeikontrollen beschwerte. Für den Fall, dass sie selbst einer Polizeikontrolle unterzogen wird, kündigte sie an, Schadenersatz zu fordern und übersandte gleichzeitig eine Gebührenordnung. Die Frau wurde wegen versuchter Erpressung zur Anzeige gebracht.

Am 07.04.2017 versuchte ein Mann Schadenersatz in 6-stelliger Höhe von einer Gerichtsvollzieherin zu erlangen, die Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn vollzog. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren wegen versuchter Erpressung eingeleitet.

Sie fragten, was er in Deutschland wolle und schlugen dann zu

In den Nachmittagsstunden des 06.05.2017 erlitt ein 18-jähriger Asylbewerber leichte Verletzungen, nachdem er in Memmingen von zwei deutschen Männern attackiert wurde. Sie fragten ihn zunächst, was er in Deutschland wolle und schlugen dann zu. Der junge Mann erlitt hierbei leichte Verletzungen. Ein 38-jähriger Tatverdächtiger wurde ermittelt, der zweite Täter ist nach wie vor unbekannt.

16 Fälle rechtsmotivierter Gewalt erfasste die Allgäuer Polizei 2017
16 Fälle rechter Gewalt erfasste die Allgäuer Polizei 2017 (CC by flickr.com/alainalele/)

Am Abend des 10.06.2017 kam es zwischen einem 15-jährigen Flüchtling und einem 28-jährigen Mann in Türkheim zu Streitigkeiten. In weiteren Verlauf wurde der Jugendliche beleidigt und zweimal mit der Faust ins Gesicht geschlagen, er erlitt dabei leichte Verletzungen. Der stark alkoholisierte Tatverdächtige attackierte im Anschluss einen 19-jährigen Flüchtling, indem er diesen beleidigte und am Kinn packte. In diesem Fall wurde ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Körperverletzung und Beleidigung eingeleitet.

Zwei Beamte der Polizeiinspektion Mindelheim unterstützten am 21.08.2017 einen Gerichtsvollzieher bei der Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen. Daraufhin fordert der von der Maßnahme Betroffene schriftlich Schadenersatz in 5-stelliger Höhe. Gegen den Mann wurden zwei Ermittlungsverfahren wegen versuchter Erpressung eingeleitet.

Am 17.08.2017 ging beim Amtsgericht Günzburg das Schreiben einer tschechischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland ein. In ihrem Schriftsatz äußerte sie ihre Unzufriedenheit mit einem Strafbefehl, den das Amtsgericht Günzburg gegen sie erlassen hatte. Sie fordert Schadenersatz in 5-stelliger Höhe und setzte dem Gericht hierzu eine Frist. Es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Erpressung eingeleitet.

Flüchtling mit Pistole bedroht

In den Nachmittagsstunden des 17.09.2017 wurde ein 24-jähriger Flüchtling in Memmingen mit einer Pistole bedroht und beim anschließenden Gerangel mit dem Angreifer leicht verletzt. Der Täter flüchtete daraufhin unerkannt und konnte bislang nicht ermittelt werden. Die genauen Hintergründe der Auseinandersetzung sind bis heute unbekannt.

Am 02.10.2017 führte ein 31-jähriger Mann einen Schlag gegen den Kopf eines 17-jährigen Flüchtlings aus. Hintergrund war eine verbale Auseinandersetzung zwischen der Begleiterin des Beschuldigten und dem Geschädigten. Gegen den Tatverdächtigen wurde Anzeige wegen Körperverletzung und Beleidigung erstattet, der Geschädigte erlitt leichte Verletzungen.

Am 21.12.2017 schlug ein türkischstämmiger 49-jähriger Deutscher auf eine 20-jährige Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund und deren 21-jährigen Lebensgefährten, einen pakistanischen Flüchtling, ein. Die beiden Verletzen erlitten dabei mehrere Hämatome. Der Tatverdächtige war nicht einverstanden, dass die Geschädigt eine Beziehung mit einem Flüchtling unterhielt.

Propagandadelikte

Der Paragraph 86a StGB stellt das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe.
Mehr als 100 Propagandadelikte zählte die Kemptener Polizei 2017.

Als Propagandadelikte wertete die Polizei in erster Line Handlungen, die den Tatbestand des Paragraphen 86a des Strafgesetzbuches erfüllen, nämlich das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.  Teilweise seien die Delikte auch im Zusammenhang mit weiteren strafbaren Handlungen begangen worden. Die Polizei nennt Tatbestände wie Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung, einen Verstoß nach dem Waffengesetz, nach dem Betäubungsmittelgesetz oder die Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen. Insgesamt wurden 102 Propagandadelikte gezählt.

Sachbeschädigungen

In diesem Bereich handelt es sich um Sachbeschädigungen die nicht als Propagandadelikt eingestuft wurden. Zu nennen wären hier Schmierereien an Unterkünften für Asylsuchende, Sachbeschädigungen zum Nachteil von Personen die nach Ansicht der Täter gegen rechts eingestellt sind, Beschädigung von Wahlplakaten und die Anbringung von politisch motivierten Aufklebern mit Sachschaden. Es ereigneten sich insgesamt neun solcher Delikte.

2017 zählte die Polizei neun rechtsmotivierte Sachbeschädigungen um das Allgäu
2017 zählte die Polizei neun rechtsmotivierte Sachbeschädigungen um das Allgäu

Sonstige Delikte

Die Polizei rubriziert 87 der rechtsmotivierten Delikte im Jahr 2017 als Sonstige.

Es kam zu 32 Fällen der Volksverhetzung gemäß Paragraph 130 Strafgesetzbuch. Es handelte sich u. a. um Verfahren gegen Holocaustleugner, wegen Kommentaren in sozialen Netzwerken oder sonstigem Schriftgut oder mündlichen Äußerungen, die den Tatbestand erfüllt hätten. Außerdem ereigneten sich zwölf Fälle der Nötigung bzw. Bedrohung von Mandatsträgern, Gerichtsvollziehern und Polizeibeamten sowie sonstigen Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung.

Weitere 43 Delikte u. a. wegen Beleidigung, Urkundenfälschung, Vortäuschen einer Straftat, Wahlfälschung/Wählerbestechung (Paragraphen 107a und 108b Strafgesetzbuch), Amtsanmaßung, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (Paragraph 126 Strafgesetzbuch), Übler Nachrede und
verfassungsfeindlicher Verunglimpfung von Verfassungsorgangen (Paragraph 90b Strafgesetzbuch) wurden in diesem Bereich bearbeitet.

Aufklärungsquote

Die Aufklärungsquote im Bereich PMK-rechts, wie es bei den Kriminalisten heißt,  liegt bei 63,1 Prozent und damit unter der Gesamtaufklärungsquote von rund 70 Prozent. Das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West ist zuständig für etwa 690.000 Einwohner in den Landkreisen Günzburg, Lindau am Bodensee, Neu-Ulm, Oberallgäu, Ostallgäu und Unterallgäu, sowie die kreisfreien Städte Kaufbeuren, Kempten und Memmingen.

 


Hilfe: Du hast selbst einen Übergriff erlebt?

Dann kannst du Hilfe bei B.U.D. Bayern bekommen. Das ist eine unabhängige Beratungsstelle für Betroffene von rechten, rassistischen und antisemitischen Übergriffen.

Zeug_innen können sich an B.U.D. Bayern wenden, dann wird der Vorfall registriert und Betroffenen geholfen – wenn sie das wollen.

Wenn du in Baden-Württemberg bist, ist dieLeuchtlinie für dich da.

Eltern, Angehörige und Freunde von Jugendlichen, die sich rechts orientieren, können Hilfe bei der Elternberatung bekommen.

Und wenn du selbst etwas gegen Rechts unternehmen willst, steht dir die Mobile Beratung zur Seite.

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