Um sich kommunal zu verankern gibt sich die AfD betont bürgerlich. Damit will sie auch von ihren rechtsradikalen Bestrebungen ablenken. Unfreiwillig belegt das Rainer Rothfuß mit einem skurrilen Versuch unseren Vortrag über die AfD in Lindau zu kapern und zum Dialog umzudeuten.
Als Ortsvorsitzender der AfD in Lindau versuchte Rainer Rothfuß vergangenen Donnerstag, einen Vortrag Allgäu ⇏ rechtsaußen im Club Vaudeville als Plattform zu missbrauchen, um für seine Partei zu werben. Mit mehrfachen Störungen, häufigem Husten und hämischen Kommentaren versuchten seine in großer Zahl angereisten Parteifreunde, den Referenten und die Moderation aus dem Konzept zu bringen.
Kommunalpolitik als Vehikel
Angesichts der anstehenden Kommunalwahlen stellte der Vortrag am Donnerstag dar, welche Gefahren damit einher gehen, wenn die AfD sich nach dem Einzug in Bundestag und alle Landesparlamente nun auch in der Fläche verankert. In den kommunalen Vertretungen wird sich die Partei wie nie zuvor als Kümmerer geben können.
Um sich bürgerlich und moderat darzustellen, wird sie normale kommunale Themen aufgreifen: Gehwegbeleuchtung, Verkehrspolitik oder Stadtentwicklung etwa. Zugleich kann die AfD dieselben Themen als Vehikel für ihre problematischen Positionen nutzen. So zeigen Interna des AfD-Wahlkampfteams in Kempten, dass dort Geflüchtete gegen andere Wohnungssuchende ausgespielt werden sollen.
Doppelgesichtigkeit im Bodenseekreis
Exemplarisch lässt sich diese Doppelgesichtigkeit auch am Kreisrat im Bodenseekreis nachvollziehen. Teil der dreiköpfigen AfD-Fraktion ist der Kreisvorsitzende Detlev Gallandt, der sich am Donnerstag ebenfalls unter das Publikum im Club Vaudeville mischte.
Gallandt präsentiert sich lokalpolitisch vorrangig mit unverfänglichen Themen. Mit Blick auf die Bundespolitik spricht sich die AfD am Bodensee hingegen immer wieder vehement gegen Zuwanderung nach Deutschland aus. So fordert sie mit Alice Weidel »Grenzkontrollen an den deutschen Landesgrenzen, Schließung der Mittelmeerroute sowie Asyl- und Schutzzentren in Afrika« und macht in einer eigenen Veröffentlichung Gutmenschen und Machtkartell für eine vermeintlich total außer Kontrolle geratene Situation in der Bundesrepublik verantwortlich. Ihre Anhänger machten mit Nazi-Sprüchen in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen von sich reden.
Auch in selbst erstellten Unterrichtsmaterialien offenbart die AfD am Bodensee ihren Hang zu radikal rechten Themen. Diese sollen Schülern vermitteln, »welche Strategien gegenüber welchen Gruppen von Deutschen nötig sind, um den Anteil der Deutschen mit deutscher Identität zu stärken«. In einer zugehörigen Folie unterscheidet die Bodenseekreis-AfD dann zwischen Deutschen im völkischen und Deutschen im staatsbürgerlichen Sinne und prangert einen angeblichen Verfall deutscher Identität in Folge von Zuwanderung an.
Doppelgesichtigkeit unfreiwillig demonstriert
Wohl eher unfreiwillig demonstrierte diese Doppelgesichtigkeit nun auch Rainer Rothfuß. Am Freitag sekundierte er seinen Auftritt im Club Vaudeville mit einem skurrilen Schreiben. In einem Offenen Brief an den Referenten, den Club Vaudeville, die Schwäbische Zeitung, sowie eine ganze Reihe weiterer Medienhäuser suggeriert Rothfuß, die Veranstaltung sei eine Reaktion auf ein Dialogangebot, das er rund einen Monat zuvor erfolglos Parteigegnern unterbreitete.
Erneut warb der ehemalige Universitätsprofessor für seine Partei als normale demokratische Alternative. Mit Vorwürfen gegen politische Gegner meinte er, von den hochproblematischen Positionen und dem entsprechenden Personal der AfD ablenken zu können. Eigene Verstrickungen in Kreise von Rechten, Reichsbürgern und Verschwörungsideologen wies er pauschal von sich.
Durchsetzung mit Rechtsradikalen
Auf die im Vortrag ausführlich nachgewiesene Durchsetzung seines eigenen Kreisverbandes mit Rechtsradikalen ging er weder am Donnerstagabend noch in seinem Offenen Brief ein. Letztlich verbreitet auch Rothfuß selbst verschwörungsideologische Ideen, wie wir bereits vor über einem Jahr dokumentierten. Demnach dürften diese Ideologien seine langjährige Rechtsdrift angestoßen und unterfüttert haben.
Erst vor Kurzem sprach Rainer Rothfuß in aggressiven Kommentaren von »D(ä)monstranten« und von »Drahtziehern« die hinter den Demonstrationen gegen die AfD in Lindau stünden. Als große Verschwörung säßen diese »alle im Hintergrund, in den Parteizentralen, in den Medienhäusern, in den Universitäten, in den NGOs…«. Rainer Rothfuß ist bisher der einzige, der sich öffentlich zu seiner Kandidatur in Lindau bekannte. Es bleibt abzuwarten, ob es ihm gelingt, ausreichend Personal um sich zu scharen für eine ernstzunehmende Kommunalwahlliste um sich zu scharen.