Ein Tätowierer aus Mexico City tourt im August und September durch Europa. Auch im Allgäu wird er wieder halt machen, um die Nazi-Szene um Voice of Anger mit weiteren einschlägigen Tattoos auszustatten – und ihre internationale Vernetzung auszubauen.
»We’re waiting for your glorious Comeback, mate«, schreibt ein Allgäuer Neonazi 2020 an »Liber Hatred«, nachdem ihm der Nazi-Künstler aus Mexico City im Januar das Gesicht tätowiert hatte. Dieser antwortet, er hoffe bald wieder in der Region auftreten zu können. Nun ist es wohl wieder soweit.
Im Allgäu großes Interesse an Nazi-Tätowierer
Offenbar ist das Interesse an dem Nazi-Tätowierer im Allgäu besonders groß. Erst im April war der »Tattoo Artist« in Memmingen. Für August und September kündigt der Neonazi aus Mexico City eine »European Summer Tour« an und will dabei gleich zweimal Bayern besuchen: Vom 16. bis 18. und 22. bis 31. August. Dazwischen will er sich Kameraden in Südtirol widmen. Es ist davon auszugehen, dass die Bayern-Termine wieder bei Voice of Anger im Unterallgäu stattfinden werden.
Mehrere Anhänger und Kader von Voice of Anger bekamen in den vergangenen Jahren bereits von »Liber Hatred« Szenesymbole unter die Haut gestochen. Darunter etwa Boris Gehrig, der 2016 das Clubhaus für Voice of Anger in Buxach-Hart am Stadtrand von Memmingen erwarb. Im Internet zeigt Gehrig etwa stolz sein 2020 frisch von dem faschistischen Künstler gestochenes Tattoo. Er ist auch derjenige, der sich online weitere Besuche des Mexikaners wünschte.
Polizei wird nicht aktiv
Obwohl »Liber Hatred« immer wieder auch mit strafrechtlich relevanten Nazi-Tattoos auffällt, sieht die Polizei keinen Bedarf, im Vorfeld aktiv zu werden: »Sofern in Zusammenhang mit solchen Events Straftaten polizeibekannt werden, werden Ermittlungen aufgenommen und deren Ergebnisse der zuständigen Staatsanwaltschaft zur weiteren rechtlichen Würdigung vorgelegt«, antwortet diese am Montag auf Nachfrage von Allgäu rechtsaußen. Von dem bevorstehenden Tattoo-Event hatte die Behörde erst durch unsere Anfrage erfahren.
Außerdem weiß weder die für den bayerischen noch die für den württembergischen Teil des Allgäus verantwortliche Polizei, ob es im August zu einem Jubiläumskonzert von Voice of Anger kommen wird. In diesem Jahr darf die Neonazikameradschaft ihr 20. Jubiläum feiern. Bereits zum 15-Jährigen zog die Gruppe bis zu 250 überregional und grenzüberschreitend angereiste Neonazis ins Allgäu. Durch Recherchen von Allgäu rechtsaußen flog das konspirativ organisierte Event kurz zuvor auf.
Events dienen dem Ausbau internationaler militanter Netzwerke
Neonazi-Events – seien es nun Konzerte, Tattoo-Touren oder Aufmärsche – dienen dem militanten Neonazi-Milieu immer auch zum Ausbau internationaler Kontakte und Netzwerke. In diesem Sinne tut sich vor allem das in Deutschland zwar seit rund 20 Jahren verbotene aber weiter aktive Blood&Honour-Netzwerk (B&H) hervor. Zu dessen internationalen Größen hält Voice of Anger engsten Kontakt.
Immer wieder holt die Gruppe etwa Bands aus dem Milieu, ohne dessen Unterstützung der Terror des NSU so nicht denkbar gewesen wäre, ins Allgäu. Mehrere beim Allgäuer Plattenlabel Oldschool Records erschienene und vertriebene Tonträger verherrlichen derartige Gruppen. Nazi-Plattenproduzent und Voice of Anger-Kopf Benjamin Einsiedler schickt »seine« Bands international auf Tour. So etwa Smart Violence 2019 nach Chile. Global bedeutende Szenegrößen wie die B&H-Gründungsmitglieder Brutal Attack ziehen Oldschool Records und Voice of Anger etwa für Konzerte und Platteproduktion – aber auch Vernetzung und Absprache – ins Allgäu.