Polizei und Justiz machen es Neonazis leicht – auch im Allgäu. Das zeigt eine SWR-Dokumentation heute Abend in der Story im Ersten.
»Man kann ohne Weiteres zumindest hier im Allgäu eine Nazi-Propagandaschmiede aufbauen, die ohne Ende rechtsradikales Zeug unter die Leute bringt und damit ordentlich Geld macht ohne dass da wirklich etwas passiert. Und selbst wenn am Ende eine Verurteilung steht, für die jetzt noch an zwei Händen abzählbaren Taten, dann ist das eine Geldstrafe, die der ohne weiteres aus der Portokasse bezahlen kann.«
Das sagt Allgäu ⇏ rechtsaußen-Chefredakteur Sebastian Lipp heute in der »Story im Ersten« über den seit Jahren andauernden Prozess gegen das rechtsradikale Plattenlabel Oldschool Records. Der Journalist hat den gesamten Prozess verfolgt und kennt die Allgäuer Neonaziszene aus jahrelangen Recherchen.
Wie geht der Staat im Alltag mit seinen Feinden um?
Die Dokumentation „Der schwache Staat“ wirft ein Schlaglicht auf den ganz alltäglichen Umgang mit extrem rechten Straftaten in einem hochnervösen Deutschland zwischen Terrormeldungen, Trauerbeflaggung und Gedenkminuten. Der Bundesinnenminister hat den Kampf gegen die extreme Rechte zur Staatsräson erklärt. Ist das auf der Vollzugsebene angekommen? Wie geht der Staat im Alltag mit seinen Feinden um? Diese Fragen untersucht die SWR-Dokumentation von Anna Tillack und Anna Klühspies – auch im Allgäu.
Zu sehen ist die Reportage „Die Story im Ersten – Der schwache Staat. Wenn Polizei und Justiz es Rechtsextremisten leicht machen“ am 6. April 2020 um 22:45 Uhr in der Story im Ersten. Und bereits jetzt in der ARD-Mediathek.
Wiederholungen laufen am morgigen Dienstag um 4:45 im Ersten, auf tagesschau24 am Mittwoch, dem 11. April um 14:15 und Dienstag, dem 14. April um 19:15 sowie am Mittwoch, dem 15. April im Fernsehen des Bayerischen Rundfunk.
Opfer der extremen Rechten
Im Garten seines Wohnhauses wird ein Mann aus Kassel ermordet von einem Rechtsradikalen – die Synagoge in Halle: angegriffen von einem Nazi, zwei Menschen werden im Umfeld erschossen – neun Menschen in Hanau: getötet von einem Rassisten. Die Bundesregierung, der Generalbundesanwalt und das BKA haben dem rechten Hass den Kampf angesagt, aber auf der Arbeitsebene, so scheint es, spielen Polizisten, Staatsanwälte und Richter seit Jahren rechte Tatmotive herunter und bagatellisieren immer noch rassistische Übergriffe.
Mutmaßliche Rechtsterroristen auf freiem Fuß
Die Autorinnen Anna Tillack und Anna Klühspies begleiten einen Rechtsanwalt bei seinem täglichen Kampf, den Opfern rechter Gewaltverbrechen Gehör zu verschaffen – und die Täter vor Gericht zu bringen. Aber kommt es zu Anklagen und angemessenen Urteilen? Der Rechtsanwalt führt die Autorinnen auf die Spur einer Gruppe, gegen die der Generalbundesanwalt schon seit geraumer Zeit wegen Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Mitglieder der Vereinigung sind unterdessen auf freiem Fuß. Die Szene entwickelt dadurch ein ganz neues Selbstbewusstsein. Immer wieder greift sie bei Tageslicht an, mitten in deutschen Fußgängerzonen.
Rechtsradikale mit waffenrechtlicher Erlaubnis
Viele amtlich bekannte Rechtsradikale verfügen über waffenrechtliche Erlaubnisse. Trotz verschärfter Gesetze. Die Dokumentation findet heraus: Der Verfassungsschutz informiert die Waffenbehörden offenbar nur unzureichend. So hat sich die Zahl der als Rechtsextremisten registrierten mit waffenrechtlichen Erlaubnissen seit 2016 fast verdoppelt.
Nur wenige Anklagen und Verurteilungen bei rechten Straftaten
Und auch bei der juristischen Aufklärung von rassistischen Angriffen zeigt der Staat Schwäche: Das Bundesinnenministerium erklärt, im Zeitraum von 2015 – 2018 seien knapp 600 rechte Straftaten gegen Asylunterkünfte polizeilich aufgeklärt worden. Was die Bundesregierung aber nicht sagt: Nur ein Bruchteil der Täter wurde je angeklagt oder gar verurteilt.
Taten mit rechtsradikalem Hintergrund tauchen mitunter gar nicht in Statistiken oder Polizeiberichten auf. Bekannte Neonazis verdienen, auch im Allgäu und unter den Augen der Justiz, eine Menge Geld mit der Verbreitung von Hass: Aus Bad Grönenbach vertreibt ein Rechtsradikaler Musik mit volksverhetzenden Texten – und Polizei und Gerichte lassen es zu.
Ein Gedanke zu „Der schwache Staat im Allgäu“