»Warnschuss« zieht nicht bei waffenaffinem Neonazi

Im vorvergangenen Sommer glaubte das Amtsgericht, einem Kemptener Neonazi einen »wirksamen Warnschuss verpasst« zu haben. Doch der waffenaffine Staatsfeind legte trotz Bewährung direkt wieder los. Als Quittung erhält er nun eine Haftstrafe.

Nachdem der den Behörden als Reichsbürger bekannte Claus A. Polizistinnen und Polizisten mehrfach bedrohte, beleidigte und bewaffnet angriff, wollte ihm das Amtsgericht Kempten Anfang Juni 2019 »einen wirksamen Warnschuss verpasst« haben. 100 Tagessätze zu je 15 Euro und die Aussicht auf eine einjährige Haftstrafe sollten den waffenaffinen Neonazi von weiteren Straftaten abhalten: Würde Claus A. innerhalb der nächsten drei Jahre noch einmal straffällig, so »werde ich nicht lange zögern, die Bewährung zu widerrufen«, drohte der Richter damals. Die Staatsanwaltschaft hingegen mache es sich zu einfach, wenn sie davon ausgehe, dass der Angeklagte weiter Straftaten begehen werde, weil der den Ideen der Reichsbürger anhänge und deshalb auf eine Bewährung zu verzichten sei.

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Mord- und Gewaltdrohung

Doch es dauerte kein halbes Jahr, bis sich Claus A. wieder zum Gegenstand polizeilicher Ermittlungen machte. Auf unseren Artikel »Lebensschützer im Allgäu: Professionell und ohne Kompromisse« drohte A. den Autor_innen nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft mit den Worten »Passt bloss auf Du linker Volksverräter, wenn wir Dich kriegen, blasen wir Dein Lebenslicht aus!« (Fehler im Original)

Zwei Monate später legte Claus A. in antisemitischer Manier nach und quittierte unsere Berichterstattung darüber, wie sich rechte, teils bürgerlich getarnte Netzwerke in Nordschwaben gegenseitig stärken mit einer weiteren Drohung und Beleidigungen: »Dir dreckigem Verräterschwein, ritze ich den Davidstern auf Deine Verräterstirn! Du kleiner dreckiger Hurensohn!«

Neonazi wittert »Gestapo Methoden« im Landratsamt Oberallgäu

Noch bevor die Staatsanwaltschaft das Verfahren bis zur Anklageerhebung bringen konnte, gab Claus A. im April vergangenen Jahres erneut Anlass für Ermittlungen. In einer Mail an das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beschuldigte er laut Anklage der Staatsanwaltschaft einen Mitarbeiter des Landratsamtes Oberallgäu, rechtsradikales Gedankengut zu pflegen und Straftaten, nämlich Amtsmissbrauch und Freiheitsentzug, zu begehen. Dieser habe den Neonazi unschuldig verhaftet und eine psychiatrische Zwangsuntersuchung seines Geisteszustandes veranlasst. Das sei »geisteskrank« und erinnere überdies an »Gestapo Methoden«, weshalb Claus A. erwarte, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet würde.

Das Verfahren gegen den Landratsamtsmitarbeiter wurde tatsächlich eröffnet, nachdem der Verfassungsschutz die Mail an die Kriminalpolizei in Kempten weiterleitete. Als dieses aber mangels Tatverdachts eingestellt wurde, fiel es zurück auf den Neonazi, der sich deshalb nun auch wegen falscher Verdächtigung und einer weiteren Beleidigung verantworten muss.

Holocaustleugnung und Beleidigungen

Auf seiner inzwischen abgeschalteten Website »Verbrecherstaat BRD« beleidigte der 47-jährige Neonazi am 19. August 2020 zwei Polizisten und einen Mitarbeiter des Landratsamtes als »behördliche Faschisten« und warf diesen abermals fälschlicherweise Amtsmissbrauch und Rechtsbruch vor. Unter dem Titel »Keine Beweise für Gaskammern in deutschen Konzentrationslagern« leugnete er darauf noch vor Ende des Monats den Holocaust, was die Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung zur Anklage brachte. Den selben Artikel veröffentlichte er bereits ein Jahr zuvor auf seiner ebenfalls abgeschalteten Website »Der Reichsbürger«. Gegen den Betreiber von Allgäu rechtsaußen richtete Claus A. auch auf seiner Website wiederholt Beleidigungen und Verleumdungen.

Zudem klagte die Staatsanwaltschaft Claus A. wegen einer weiteren Beleidigung und Hausfriedensbruchs an. Demnach hatte er am 16. August 2020 ohne den zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz eine Feneberg-Filiale betreten. Auf Ermahnung des Filialleiters verweigerte er diesen weiterhin, worauf er ein Hausverbot ausgesprochen bekam und den Filialleiter beleidigte. Am 19. Oktober betrat A. trotz schriftlichem Hausverbots des Feneberg-Bezirksleiters erneut eine Filiale. Damit handelte er sich eine weitere Anklage wegen Hausfriedensbruchs ein.

Neonazi legt trotz Haftstrafe von 14 Monaten direkt wieder los

Insgesamt legte die Staatsanwaltschaft bis November 2020 vier Anklagen vor, die das Amtsgericht zu einem Gerichtsverfahren verband und Claus A. am 12. Januar 2021 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten ohne Bewährung verurteilte. Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig, da der Angeklagte, sein Pflichtverteidiger sowie die Staatsanwaltschaft inzwischen Berufung dagegen eingelegt haben.

Schon wenige Tage nach dem Urteil legt der notorische Volksverhetzer online wieder los. In einer Gruppe aus dem Umfeld der Querdenken-Bewegung leugnet Claus A. alias »Bürgerwehr« erneut den Holocaust und ruft zu Gewalt und Mord an vermeintlichen »Volksverrätern« auf. Widerspruch erntet er unter den hiesigen Querdenken-Anhängern kaum, die selbst längst ganz rechts außen angekommen sind. Erneut beschäftigen die Äußerungen die Polizei.

Mehr zu diesem Thema:  Querdenken zwischen NS-Relativierung und Umsturzphantasien

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