Nazi-Vorwürfe, Datenlecks und die vielen beharrlichen Proteste ihrer Kritiker: Die AfD hatte 2019 im Allgäu nicht nur mit ihrer eigenen Personalnot zu kämpfen.
Für die rechtspopulistische AfD begann das Jahr auch im Allgäu mit dem Wahlkampf fürs Europaparlament. Im bayerischen Allgäu wurde zudem auch der Bezirkstag Schwaben neu besetzt. Im Vorfeld der Wahlen gründete der CSU-Überläufer Rainer Rothfuß in Lindau den bislang einzigen Ortsverband der AfD innerhalb des Kreisverbandes Oberallgäu/Kempten/Lindau. Bereits ein Jahr vor der Gründung des kleinen Lindauer Ortsverbandes zeichnete unsere Redaktion den Weg des ehemaligen Universitätsprofessors nach Rechtsaussen nach.
Galgenhumor auf Kosten der AfD
Sowohl in Lindau, als auch im Oberallgäu musste die AfD mehrfach Wahlkampfveranstaltungen aufgrund von zivilgesellschaftlichem Gegenwind platzen lassen. Selbst für eine Veranstaltung mit EU-Spitzenkandidat Jörg Meuthen konnte die Rechtsaußenpartei nach dem Verlust eines Veranstaltungsraums bei Sonthofen keine andere Örtlichkeit im Allgäu finden.
Nachdem Gegner*innen der Partei bereits beim ersten Wahlkampfstand zur Europawahl mit einer Spontankundgebung direkt am Stand protestiert hatten, veröffentlichte die Kampagne Keine Stimme für Rassismus (KSFR) im April sämtliche geplanten Wahlkampfstände der AfD im Allgäu.
In der Folge kam es immer wieder zu weiteren Protesten bei nahezu sämtlichen öffentlichen Auftritten der Partei und viele geplanten Termine ließen die Wahlkämpfer um den stellvertretenden Kreisvorsitzenden Roland Aicher gleich ganz ausfallen.
Zum Abschluss des Wahlkampfes rief KSFR schließlich in einem Anflug von Galgenhumor gar zur »Schnitzeljagd nach den letzten Überleibseln des AfD Wahlkampfs in der Öffentlichkeit« auf. Entsprechend unterdurchschnittlich fielen die Wahlergebnisse der AfD insbesondere im Kreis Lindau und weiten Teilen des Westallgäus aus.
Die Nazi-Nähe der AfD im Unterallgäu
Etwas besser lief es für die Rechtsaußenpartei im Unterallgäu. Der Memminger Kreisverband konnte schon im Jahr 2018 mit Thomas Wagenseil und Christoph Maier zwei Kandidaten mit dem deutliche rechtsradikalem Profil in den Bezirkstag und den bayrischen Landtag entsenden.
Thomas Wagenseil zeigte sich auf Facebook als Anhänger einer gefährlichen Verschwörungstheorie, nach der Geflüchtete eine feindliche Invasionsarmee darstellen sollen. Andere Postings ließen sich kaum anders deuten, als dass Wagenseil am liebsten wieder Wehrmacht und Waffen-SS dagegen in Stellung bringen würde. Für diese zeigte Wagenseil mehrfach deutliche Sympathie. Bis heute hält er daran Fest, wie er dem Bezirkstagspräsidenten schrieb, der ihn kritisierte: »Politisch gibt es nichts daran auszusetzen der kämpfenden Truppe Respekt und Ehre zu zollen.« Das werde Wagenseil sich »auch in Zukunft nicht verbieten lassen, egal von wem.«
Kreisverbandschef Christoph Maier ist Teil des offen völkischen Flügels der AfD. Beim Treffen des Flügel im Mai stand der Landtagsabgeordnete mit Björn Höcke auf der Bühne und sang die erste Strophe des Deutschlandlieds. Im Publikum ein Anhänger der Identitären Bewegung, der bereits bei der Allgäuer Neonazikameradschaft Voice of Anger zu Gast war. Zuvor störte Maier eine Gedenkveranstaltung für die Opfer der Shoa im Bayerischen Landtag. Zusammen mit Mitgliedern seiner Fraktion verließ er während einer Rede der Präsidentin der Israelischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, demonstrativ das Plenum.
Erstmals versuchte es die Allgäuer AfD im September 2018 mit einer eigenen Demonstration in Ottobeuren. Mehr als eintausend Menschen protestieren gegen die Anti-Merkel-Kundgebung, die deutlich kleiner ausfiel als erwartet. Dafür wurde der Organisator Christoph Maier von Anhängern der Identitären Bewegung und der Neonazipartei Der Dritte Weg unterstützt.
Im Jahr 2019 verzichtete die Rechtsaußenpartei auf weitere Kundgebungen. Im Gegenzug kam es zu einer weiter wachsenden Anzahl von Gegenprotesten, welche die Partei im Allgäu zunehmend in die Defensive drängten. Diese Entwicklung hat sich im Vorfeld des anstehenden Kommunalwahlkampfes in Bayern nochmals deutlich verstärkt.
Datenleck und Personalnot behindern den Kommunalwahlkampf der AfD
Dabei demonstrierten Gegner*innen der Rechtsaußenpartei nicht nur beständig an deren wenigen verbliebenen Veranstaltungsorten sondern wiederholt auch interne Informationen über geheimgehaltene Treffpunkte und geplante Kandidaturen sowie Wahlkampfstrategien veröffentlicht.
Insbesondere der Lindauer Ortsverband um Rainer Rothfuß geriet hierdurch in starke Bedrängnis, verlor seinen seinen letzten öffentlich zugänglichen Veranstaltungsort und konnte letztlich nur eine äußerst geringe Anzahl an Kandidaten für seine Sammellisten gewinnen.
Auch in Kempten leidet die AfD weiterhin unter einem Mangel an erfahrenem kommunalpolitischen Personal. Umfassende interne Informationen ließen indes schon im November tiefe Einblicke in die Pläne der AfD für die Kommunalwahlen zu.
Bei der Erarbeitung des Wahlprogramms will sich das kommunalpolitische Team um den Zweiten Stellvertretendern Vorsitzenden des Kreisverbandes, Walter Freudling, dementsprechend auf die drängende Wohnungsknappheit in Kempten fokussieren. Wie die interne Kommunikation der Partei eindrucksvoll belegt, plant die Rechtsaußenpartei in diesem Zusammenhang gezielt rassistische Ressentiments zu schüren und zu ihren Gunsten auszunutzen.
Der Kemptner Stadtratskandidat Sascha Merk warb hierfür schon im Vorfeld seiner Nominierung rechts der AfD in identitären Kreisen um Unterstützung für den anstehenden Wahlkampf.
Eben hiervor hatten KSFR und weitere Gegner*innen der AfD schon im Sommer gewarnt. Aus ihrer Sicht besteht die Gefahr, dass sich durch die kommunalpolitischen Ambitionen der Partei auf lokaler Ebene »Sammelbecken für Rassisten, Rechtsradikale und Reichsbürger« entwickeln. Dementsprechend sind um dieses Thema auch im kommenden Jahr weitere Proteste und Auseinandersetzungen zu erwarten.
Ein Gedanke zu „AfD im Allgäu 2019 zwischen Personalnot, Datenleck, Nazi-Vorwürfen und Protesten“