Ein Betreiber des Projekt Gastraum in der ehemaligen Christuskirche in Illertissen ist seit Jahren in der Neonaziszene aktiv. Seinem Partner hat er das verschwiegen. Fliegt er jetzt raus?
»Wo einst der Altar stand, ist jetzt die Bar«, schreibt die Südwest Presse (swp) online über Illertissens alte Christuskirche in der Bahnhofstraße, die »jetzt Bar, Cafe, Event- und Kulturstätte zugleich« sei. Nachdem sich die evangelische Gemeinde ein neues Gebetshaus baute, bot sie das alte Kirchengebäude zum Kauf an. Landschaftsarchitekt Philipp Mörwald und Innenarchitekt Oliver R. griffen zu und bauten um. Von außen sieht das ehemalige Gotteshaus wie eh und je aus, innen ist es seit Mai 2018 »Bar, Café, Gästehaus und Eventlocation«.
»Freiheitsrock«
Während die beiden an ihrer Eventlocation werkeln, steht Mörwald zudem mit seiner E-Gitarre im Studio und nimmt ein Musikalbum auf: Alte liebe rostet nicht. Es ist das vierte Studioalbum der schwäbischen Band. Und die hat es in sich. Doch davon erzählt er seinem Geschäftspartner nichts. Jetzt ist er sauer und will Mörwald vor die Türe setzen.
Mörwalds Band heißt Act of Violence, zu deutsch: Gewalttat. Das Cover des aktuellen Albums ziert ein Wehrmachtssoldat, einem Teil der Auflage liegt ein Duftbaum Obersalzberg bei. Die Band hat es in sich, ihr Name war schon früher Programm. Wegen Gewaltaufrufen, nationalsozialistischer und antisemitischer Texte indizierte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPJM) das dritte Werk von Act of Violence. Die Doppel-CD mit dem Titel Wilde Vögel fliegen enthielt 25 Lieder. Nur fünf davon hatte das Gremium seinerzeit keine »Indizierungsrelevanz« beigemessen.
»Bekenntnis zum Nationalsozialismus«
Das Album durchziehen laut Begründung der Prüfstelle »durchgängig Codierungen, Anspielungen und Bezugnahmen auf die Zeit, Herrschaft und Ideologie des Nationalsozialismus in Deutschland in Verbindung mit Treueschwüren und der Aufforderung zur absoluten Hingabe.« Diese würden gewalttätig inszeniert, um »Gewalthandeln für die vorausgesetzten Ziele« zu befördern. Das »Bekenntnis zum Nationalsozialismus« erfolge gleich im zweiten Titel des Albums.
Wilde Vögel fliegen ist bei Oldschool Records erschienen. Das Rechtsrock-Label übernimmt heute den Vertrieb für die Marke Freiheitsrock, unter der Act of Violence inzwischen firmieren. Oldschool Records produziert und vertreibt aus dem Allgäu eine Vielzahl einschlägiger rechtsradikaler Musikgruppen. Darunter sind auch etwa die National Born Haters (NBH), die der bayerische Verfassungsschutz beobachtet und als derzeit inaktiv einstuft. Auch für NBH, die international auf Tour waren, spielte Mörwald seine Gitarre.
Lange dabei und gut vernetzt
In Themar, wo im vergangenen Jahr tausende Neonazis feierten und sich vernetzten, stand Mörwald ebenso auf der Bühne. Am 29. Juli 2017 spielte er bei einem Auftritt der Band Phönix auf dem Neonazi-Festival im Süden Thüringens. Angereist ist der braune Musiker mit Mitgliedern seiner Band Act of Violence (AoV) und bekannten Anhängern der Neonazikameradschaft Voice of Anger (VoA).
Beide durften im letzten Jahr ihr 15-jähriges Bestehen feiern. VoA feierte mit einem Jubiläumskonzert und gewann verschiedene Neonazibands für einen Jubiläumssampler. Die Geburtstagskinder selbst waren auf der CD nicht enthalten, doch Besteller des jüngsten Albums von AoV durften sich über die CD als Gratisbeigabe freuen.
Verschickt hatte sie Benjamin Einsiedler, der Plattenproduzent hinter Oldschool Records. Er gilt als Führungsfigur der Neonaziszene im Allgäu. Zum RechtsRock-Festival in Themar reiste auch er in Begleitung seiner Kameraden von VoA und Musikern von AoV an.
Fliegt der Neonazi aus seiner eigenen Gaststätte?
Seinem Partner, mit dem er den Gastraum in Illertissen aufgebaut hat, hat Mörwald von alledem nichts erzählt. »Das ist nicht ihr Ernst«, sagte Oliver R. als wir ihn auf die Aktivitäten seines Neonazi-Partners aufmerksam machten. Jetzt fragt der Innenarchitekt sich, wie er mit der Situation umgehen soll: »Eine schwierige Frage.«
Nun werde R. selbst seinen Partner mit den Vorwürfen konfrontieren und »wenn das so stimmt«, bleibe ihm wohl nichts anderes übrig, als sich von ihm zu trennen und ihn auszuzahlen. Dann verliert Mörwald seine Beteiligung an dem Projekt Gastraum. Mörwald selbst behauptete auf telefonische Nachfrage, wegen schlechtem Empfang könne er »kaum etwas verstehen«. Dann legte er auf und war nicht wieder erreichbar.
Wenn Nazis für Nazis werben
Aus der Szene um die rechtsradikale Skinheadkameradschaft Voice of Anger erfährt Philipp Mörwald auch für seine Tätigkeit außerhalb der Neonaziszene als Landschaftsbauer und als Wirt des Projekt Gastraum Unterstützung.
So empfiehlt etwa Boris G. als Bau- und Handwerksdienstleister auf Facebook den Landschaftsbau von Philipp Mörwald. G. gilt ebenfalls als wichtiger Mann bei Voice of Anger. Er kaufte 2016 eine ehemalige Gartenschänke, die in der Folge von der Skinheadkameradschaft als Clubhaus genutzt wurde. Seit einem Brand können die Neonazis die Gaststätte allerdings nicht mehr nutzen.
Act of Violence verhöhnt die Opfer des Nationalsozialismus
Im Titel Jedem das Seine macht sich Act of Violence auch nach Auffassung der BPJM offensichtlich in sarkastischer Weise über den Holocaust lustig und banalisiert die industriell konzipierte und durchgeführte Massenvernichtung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten. Schon die Nazis verhöhnten ihre Opfer im KZ Buchenwald mit der Inschrift »Jedem das Seine« auf dem Tor, das die Insassen von der Außenwelt trennte.
Millionen Opfer des Nationalsozialismus: Nicht genug
Im Titel Millionen nutzen Act of Violence einige einschlägige Codierungen, um sich zum Nationalsozialismus zu
bekennen. Vordergründig erzählt Mörwalds Band hier die Geschichte eines enttäuschten Lotto-Spielers. Doch allein die Wahl, das Lied Millionen an Position sechs des Albums zu veröffentlichen und so in der Trackliste abzudrucken ist ein subtiler Hinweis auf die Zahl von sechs Millionen durch die Nationalsozialisten ermordeten Juden.
So meint die »zig Millionen Lüge«, die Act of Violence besingen offenkundig nicht die vordergründig beschriebene Ziehung der Lottozahlen. Sie zielt eindeutig auf die Leugnung des Holocausts, seit jeher ein wichtiges Element der Agitation alter und neuer Nazis. Spätestens im Kehrreim wird die perfide Absicht des Liedes unmissverständlich deutlich:
»Ja wär‘ es so gewesen, / wäre die Geschichte wahr, / hätten die zig Millionen nicht gereicht, / das ist doch klar! Sonnenklar!«
Band huldigt rechtsterroristischer Strukturen
Auch die vermeintlichen Lottozahlen, die im Liedtext beschrieben werden, entpuppen sich als Codes: So steht die 28 laut der Entscheidung der Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Medien für die Initialen des in Deutschland verbotenen militanten Neonazi-Netzwerks Blood&Honour, die 33 für das Jahr der Machtergreifung Hitlers, die 8 für »Heil« oder »Hitler« und die 14 für die sogenannten »fourteen words«, einem unter weißen Rassisten verbreiteten Glaubenssatz des US-amerikanischen Rechtsterroristen David Eden Lane.
Act of Violence fordern und propagieren laut BPJM eine rassistisch begründete Kampf- und Kriegsbereitschaft »im Sinne eines Überlebenskampfes der weißen Rasse« – ganz wie beim Rechtsterroristen Lane. Die Band nehme ausdrücklich Bezug »auf den antisemitischen Verschwörungstheoretiker Robert Mathews« und huldige der »Kriegsbereitschaft der Nationalsozialisten, den artikulierten Herrschaftsanspruch mit Gewalt auch umzusetzen«.
5 Gedanken zu „Mitbetreiber hipper Eventlocation als Nazi-Rocker aufgeflogen“