Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos: Sie alle siedeln sich bewusst in ländlichen Regionen an, um »nationale Graswurzelarbeit« zu betreiben. Auch das Allgäu bleibt von ihrer »völkischen Landnahme« nicht verschont.
Seit Jahren siedeln sich Rechtsradikale bewusst in ländlichen Regionen an, um dort generationsübergreifend »nationale Graswurzelarbeit« zu betreiben. Diese »völkische Landnahme«, analysieren Andrea Röpke und Andreas Speit in ihrem gleichnamigen Buch, stellt einen Angriff auf die gesamte Gesellschaft dar.
Rückgrat, Bindeglied und Nachwuchsquell der extremen Rechten
Innerhalb der völkischen Sippen herrschen alte Geschlechterbilder und autoritäre Erziehungsmuster vor. Die »Aussteiger von rechts« betreiben ökologische Landwirtschaft, pflegen altes Handwerk und nationales Brauchtum, organisieren Landkaufgruppen und eigene Wirtschaftsnetzwerke, die bundesweit agieren. Sie bringen sich in örtlichen Vereinen ein und gehen in die lokale Politik, um Umweltschutz mit »Volksschutz« zu verbinden und eine angebliche »Überfremdung« zu verhindern.
Röpke und Speit zeigen historische Wurzeln und aktuelle Vernetzungen auf, die bis in die Parlamente reichen. Diese stellen ein strukturelles und organisatorisches Rückgrat und Bindeglied zwischen klassischen, neonazistischen und sogenannten Neuen Rechten dar – und sorgen für deren Nachwuchs.
Doch die Auseinandersetzung mit den völkischen Siedlern sei schwierig, »da die Protagonisten weder Parteibuch noch Fahnen vor sich hertragen und die politischen Ambitionen verschleiert werden.« Erscheint es ihnen opportun, stilisierten sie sich gegenüber Kritikern zuweilen sogar als »alternativ« oder »links«.
Völkische Verstrickungen auch im Allgäu
Und das gelingt ihnen viel zu oft, wie Röpke und Speit auf knapp über 200 fundiert recherchierten Seiten zeigen. Von Nachbar_innen und Interessierten werden sie zum Teil tatsächlich als »Linke« und »Ökos« wahrgenommen. So etwa auch beim Mutterhof in Unterthingau, der hochprofessionelles Marketing betreibt, um sich als permakulturelles Vorzeigeprojekt darzustellen.
Den Mutterhof thematisieren Röpke und Speit zwar nicht als solchen, wohl aber dessen grundlegende Ideen um die völkisch-esoterische Sekte Anastasia und Teile des Netzwerks, in das der Mutterhof eingebunden ist. Auch werden unsere Recherchen zu Peter Felsers Vita und seinen Verstrickungen in die extreme Rechte behandelt. Der Kemptener durchlief in seiner Jugend eine stramm rechte, völkisch-nationalistische Kaderschmiede. Heute sitzt er als Vize-Präsident der AfD-Fraktion im Bundestag, Familie und Umfeld engagieren sich für Erziehung im völkischen Sinne.
Die beiden ausgewiesenen Szene-Expert_innen Andrea Röpke und Andreas Speit verfolgen seit Jahren diese bislang bundesweit aber vor allem im Allgäu unterschätzte und kaum erforschte Gefahr. Manchen mögen sie damit die Augen öffnen.
Andrea Röpke, Andreas Speit:
Völkische Landnahme
Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos
2. Auflage, Oktober 2019, Ch. Links Verlag, 208 Seiten
ISBN: 978-3-86153-986-5
Broschur: 18 Euro
E-Book: 12,99 Euro
Wenn ich im Naturkostladen oder woanders Biowaren kaufe, muss ich mir bewusst machen, dass diese auch von rechtsnationalen oder rechtsesoterischen Erzeugern kommen können. Ich frage mich, wie ich damit umgehen soll?
Nun vielleicht hilft es, mit offenen Augen und Ohren durch den Biomarkt zu gehen, entsprechende Produkte zu meiden und hie und da die Debatte zu führen, dass Bio nicht alles ist. Und wenn sich herausstellt, dass die Ladenbetreibenden selbst rechten Ideen zugewandt sind, kann sich eine öffentliche Thematisierung lohnen.