Mehr als ein Dutzend Menschen protestiert spontan gegen einen Infostand zum Auftakt des Europawahlkampfes der AfD in Kempten.

Westendorf: Bürgermeister und Asylfeind*innen gegen Geflüchtete

Asylfeind*innen und Bürgermeister mobilisierten am Mittwochabend, den 8. November 2023, zu einer Demonstration gegen in Westendorf geplante Notunterkünfte für Geflüchtete. Die Gruppe versucht sich vordergründig diskret zu halten, ihre Ausrichtung wird dennoch deutlich: Kein Asyl nirgendwo. Auch AfD und Politiker*innen aus Reihen der Freien Wähler sind involviert.

Etwa 50 geflüchtete Menschen sollen in der Gemeinde Westendorf übergangsweise Asyl in Notunterkünften finden. Für deren Unterbringung plant der Landkreis Ostallgäu Wohncontainer auf dem ehemaligen Kreisbauhof aufzustellen. Eine sich selbst als Bürgerinitiative verstehende Gruppe möchte das verhindern: Bis zu 200 Personen versammelten sich am Mittwochabend, den 8. November 2023, zum zweiten Mal zu einer Kundgebung vor der angedachten Fläche. Die Geräuschkulisse erinnerte durch Kuhglocken-Lärm an Demonstrationen aus dem Querdenken-Spektrum, über den Lautsprecher lief Bob Marley und Hans Söllner.

Gleich zu Beginn der Versammlung stellte der Versammlungsleiter Tilo S. klar: »Keine Gewalt, keine Parolen«, man wisse, was er meine. Zu diesen kam es auch nicht, denn die Gruppe möchte in keiner Schublade landen, so einer der Redner. »Ganz wichtig« sei es dem zweiten Bürgermeister Manfred Wind sich »nicht spalten [zu] lassen«. Auch Bürgermeister Fritz Obermaier fiebere mit, der einen offenen Brief mitinitiiert habe. Als ein Grund gegen die Geflüchtetenaufnahme wird in diesem ein »Sicherheitsbedenken« angeführt, durch das »das bestehende Gehwegenetz in [der] Gemeinde nur noch sehr eingeschränkt nutzbar sein« solle – weshalb genau das der Fall sein sollte, wird jedoch nicht erläutert. Als ein weiterer Grund wird angebracht, dass das Ortsbild darunter leide, denn »der ausgewählte Standort befindet sich mitten im Wohn- und Siedlungsbereich […] in direkter Lage an einer Hauptstraße.« Eine »Einbindung in eine dafür notwendige Infrastruktur« sei deshalb nicht gegeben.

Vorgeschobene Gründe?

Dass eine Unterstützung der Geflüchteten allerdings gar nicht erwünscht ist, verdeutlichte die ehemalige zweite Vorsitzende des AfD-Kreisverbands Ostallgäu/Kaufbeuren Beate Tharr am Mikrophon: »Vor allen Dingen [mit Einsparungen] an Geldleistungen« müsse man sich wehren, stattdessen solle es »nur Sachleistungen, und möglichst wenig Ehrenamtliche« geben, äußerte sie ihre Meinung und erhofft sich offenbar, dass die Bereitschaft zur Hilfe für Geflüchtete aussterben werde. Dafür erhielt sie Zustimmung. Auch aus den Kommentaren einer Petition gegen die Westendorfer Geflüchtetenunterkunft, in denen Unterzeichnende ihre Gründe zur Unterstützung angeben, wird deutlich, worum es eigentlich geht: Man wolle seine »Umgebung und Gewohnheiten beibehalten« und »sich nicht in Gefahr bringen«. »Flüchtlinge in der Region« seien nicht erwünscht, diese sollen stattdessen konsequent abgeschoben werden und »Remigration« sei angesagt. »Der Völkermord an […] indigenen Deutschen« müsse endlich gestoppt werden. Das sind typische Wordings der rechtsradikalen Szene und Motive, die aus Propaganda und rassistischer Angstmacherei dieser resultieren. Teils knüpfen sie an die antisemitisch-rassistische Verschwörungserzählung des »großen Austauschs« an. Gehetzt wird in diesem Zug auch gegen die Grünen.

Asylhass als »berechtigter Zorn«

Diesen »Zorn« der Bevölkerung fände der zweite Bürgermeister Wind berechtigt, schließlich hätte man sich ja nicht »wählen lassen«, um sich »irgendwo mit Flüchtlingspolitik […] da abärgern« zu müssen. Geflüchtete würden seiner Meinung nach hierher kommen, »weil es da schön« sei und verharmlost damit die tatsächlichen Fluchtgründe. Einen Alternativplatz möchte der Gemeinderat nicht anbieten, denn das Motto sei: »Hier kein Container, […] im Ostallgäu kein Container« und in ganz Bayern kein Container mehr. Dafür stehe die asylfeindliche Initiative schon im Austausch mit der Gemeinde Irsee, die »eine ganz eigene, ähnliche Initiative […] am Start« habe, behauptete der Hauptredner. Auch er stellte nochmal das »Credo« klar, das »in Fleisch und Blut übergehen« müsse: »Wir wollen keinen Container. Wir wollen den nicht bei uns, wir wollen den nicht beim Nachbarn, wir wollen den nirgendwo.« Es geht allerdings nicht um »Container«, sondern um eine Ablehnung gegen Unterkünfte für geflüchtete Menschen und um eine Abkehr von der Asylpolitik: »Da muss jetzt ein gnadenloser Stopp her«, so Wind. Die »Ablehnung des Bauprojektes« stehe symbolisch »gegen die aktuelle und ungebremste Flüchtlings-/Asylpolitik hier in Deutschland«, heißt es in dem vom Gemeinderat initiierten offenen Brief.

Ein Zuhörender fragte am Mikrophon nach Alternativplänen, falls die Wohncontainer aufgestellt werden sollten. Der Hauptredner antwortete vorsichtig, denn »anfange[n] zu schwurbeln« wolle er nicht, suggerierte jedoch, dass dann die Zivilgesellschaft tätig werden müsse und stellte klar: »Wenn die Container dann da sind, wird sich unsere Strategie auch ändern – ganz bestimmt.«

Unterstützung aus Freie Wähler und AfD

Gut fände der Hauptredner auch, dass 2018 eine Unterkunft in Rieden-Zellerberg geschlossen worden sei. Daran sei der Landtags-Abgeordnete Bernhard Pohl (Freie Wähler) maßgeblich beteiligt gewesen. Auch die Westendorfer Gruppe unterstütze dieser. Aus dem Publikum gab es jedoch Bedenken an dem Politiker. Der Hauptredner konterte, dass man dessen Hilfe in Anspruch nehmen sollte, wenn dieser »uns […] da irgendwie nutzen« könne, denn er habe »ja Reichweite«. Im Anschluss an die Veranstaltung habe sich die Initiative zu einem Gespräch mit Pohl verabredet. Dieser fordere von Landrätin Maria Rita Zinnecker von dem Vorhaben abzusehen, berichtet die Allgäuer Zeitung, da dieses aus »sozialen Gründen« nicht verwirklicht werden dürfe. Räume jedoch ein, dass er für Propaganda gegen Geflüchtete nicht zur Verfügung stehe und schlage Alternativen zu der Notunterkunft in Westendorf vor – so etwa »Wohnungen in Festbauweise« an »geeigneten Standorten im Landkreis« oder »die leer stehende Kaserne in Sonthofen«.

Die AfD Ostallgäu/Kaufbeuren teilt die Petition ebenfalls und veranstaltete offene Stammtische gegen die Geflüchtetenunterkunft. Der AfD-Regionalpolitiker Wolfgang Dröse solidarisiert sich mit der Westendorfer Gruppe und schreibt in einem Facebook-Post, dass »die Massenmigration generell gestoppt werden« müsse. Unter anderem zusammen mit Beate Tharr posiert er für ein Photo auf der ersten Anti-Asyl-Demonstration in Westendorf.

Gegenwind blieb bisher aus

Mit Widerspruch aus der Zivilbevölkerung hatte die Gruppe bisher kaum zu rechnen. Anders sah das 2022 in der nahegelegenen Gemeinde Waal aus. Auch hier waren Wolfgang Dröse und Beate Tharr an einer Anti-Asyl-Kundgebung beteiligt, auf der ein Hitlergruß gezeigt und später verurteilt wurde. Unter dem Motto »Waal bleibt bunt! Rassismus ist keine Alternative!« formierte sich jedoch innerhalb kürzester Zeit Widerstand: etwa 100 Menschen traten der AfD dort entgegen.


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