»Corona ist austauschbar«

Längst geht es bei Querdenken um weit mehr als Corona. Das führte deren Demonstration am Samstag in Kaufbeuren mit Michael Ballweg erneut deutlich vor Augen.

»Ich glaube, wir sind uns mittlerweile einig, zumindest die, die heute hier schon versammelt stehen: Wir haben nicht mehr das Problem von Corona. Das Thema ist mittlerweile austauschbar.« Das sagte Raphael Schindele am Samstag bei der Eröffnung seiner Querdenken-Versammlung in Kaufbeuren. Aus den Reihen der in der Spitze 275 Personen wurde das mit Applaus bedacht. Es gehe etwa um Gerechtigkeit, Friede, Wahrheit und eine andere Vorstellung von Demokratie.

»Revolution jetzt!«

Ein zentrales Banner im Hintergrund der Querdenken-Bühne am alten Rathaus behauptete, man werde von »Politik und MainstreamMedien […] verarscht«, solle aufwachen und sich wehren. Gleichzeitig würden »alternative Medien« zensiert und gelöscht. So etwa der Kanal von Ken Jebsen, der nach Antisemitismus-Vorwürfen seinen Posten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk räumen musste und sich dann als Verschwörungs-Youtuber betätigte, bis die Plattform seinen Kanal schloss. Das habe man, so Schindele NS-relativierend, früher »Bücherverbrennung« genannt.

Auch andere Teilnehmende formulierten, dass es ihnen um weit mehr als die Kritik an Maßnahmen zur Eindämmung von Corona ging. Schilder und Redebeiträge kritisierten eine allgemeine »Ungerechtigkeit«, sprachen von einer »Finanzdiktatur«. Angela Merkel und Markus Söder wurden als Feindbilder präsentiert. Beide müssten »weg«, hieß es mehrfach. Etwa auf Plakaten in den Farben des Deutschen Reiches schwarz-weiß-rot. Zur »Revolution jetzt!« rief das Plakat eines »bekennenden Impfgegners« auf.

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»Herrscher der Finsternis und der Welt«

Nach dem Probstrieder Hotelier Thorsten Gerstmann, der gegen die seine Branche betreffenden Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie wetterte, betrat Daniel Langhans in einem Hexenkostüm die Bühne. In einer Art Ein-Mann-Theaterstück inszenierte er sich als »Herrscher der Finsternis«, der die Weltherrschaft anstrebe. Dieser sei »nicht allein, hinter mir stehen dunkle Mächte«.

Das Stück ist offenbar eine Parabel Langhans‘ verschwörungsideologischer Deutung des Weltgeschehens. Er spricht von Jahrhunderten, Geheimgesellschaften und »der Übernahme der Welt«. Selbst »wenn jemand denkt ich bin gar nicht da, dann ist auch das mein Werk«. Diese Macht gälte es zu bekämpfen, peitschte Langhans, der bereits früher auf Querdenken-Versammlungen im Allgäu antisemitische Verschwörungsmythen bediente, seine Zuhörer_innen merklich auf.

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»Hinter den Kulissen des Corona-Theaters«

»Hinter den Kulissen des Corona-Theaters soll der great reset vollzogen werden«, greift auch der nächste Redner, Wolfgang Effenberger, auf Verschwörungserzählungen zurück. Auch der Autor, der seine Bücher unter anderem beim extrem rechten Kopp-Verlag publizierte, spricht von von einer »Weltregierung«, an der WHO, IWF und Weltbank beteiligt seien. Klimaschutz sei lediglich ein »Vorwand« für die »Installation« dieser »Weltregierung«.

Nach einer Darbietung des Musikers Adolf von Buron und einem Redebeitrag von Michael Ballweg, dessen baden-württembergische Querdenken-Ableger inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtet werden, trat noch einmal Raphael Schindele ans Mikrofon. Zum Schluss führte er eine »Kollegin aus Kempten« auf die Bühne, die aus einer ukrainischen Familie mit »jüdischen Wurzeln« stamme, umarmt sie, sagt: »Soviel zum Antisemitismus bei Querdenken« – und beendet die Versammlung.

»Solidarität statt Sozialdarwinismus«

»Grenzenlose Solidarität« fordern Antifaschist_innen am 13. Februar 2021 in Kaufbeuren, während nebenan Querdenken demonstriert.
»Grenzenlose Solidarität« fordern Antifaschist_innen am 13. Februar 2021 in Kaufbeuren, während nebenan Querdenken demonstriert.

»Kein Schulterschluss mit Rechts« und »Solidarität statt Sozialdarwinismus« forderten dagegen 50 Personen, die sich parallel zu einer Versammlung am Neptunbrunnen in Sicht- und Hörweite der Querdenker_innen eingefunden hatten. Die Gegendemonstration organisierten die Jusos Kaufbeuren/Ostallgäu zusammen mit dem Bündnis Gemeinsam gegen Rechts und dem Stadtjugendring als Partnerschaft für Demokratie. Bewusst riefen sie auch dazu auf, auch virtuell am Protest teilzunehmen. Das sollen bis zu 250 weitere Personen getan haben.

Vor Ort beteiligte sich unter anderem auch die Gruppe Kempten gegen Rechts, die Querdenken im Allgäu bereits vielfach wegen dessen Offenheit für rechtsradikale und Antisemitische Agitation kritisierte und für Montag zum Protest gegen einen »Montagsspaziergang« in Kempten aufruft, bei dem bereits mehrfach das Banner einer NPD-Kampagne getragen wurde.

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