Kurz vor der Kommunalwahl wird FDP-Stadtratskandidat Fritz Tröger beim Trinken mit Flügel-Politiker der AfD und einem Neonazi erwischt und der Christliche Rathausblock bietet Selbstverteidigungskurse in von Voice of Anger und Der Dritte Weg frequentiertem Studio an.
Als im vergangenen Sommer ein Team aus Journalist*innen vom Bayerischen Rundfunk, Spiegel, Zeit online und Allgäu ⇏ rechtsaußen bei der Neonazi-Propagandaschmiede Oldschool Records recherchiert, verlassen zwei Männer das Unternehmen von Benjamin Einsiedler, der als Führungsfigur der Skinheadkameradschaft Voice of Anger gilt. Sie besteigen ihre schweren Motorräder und knattern, die Halstücher über die Nase gezogen, lautstark davon. Einer davon ist Bernd F., das Kennzeichen seiner Maschine endet auf I488.
Rechtsterroristischer Glaubenssatz
Der Zahlencode gilt in Neonazikreisen als Anspielung auf die »Fourteen Words«, einen unter Rassisten verbreiteten Glaubenssatz. Als dessen Erfinder gilt der US-amerikanischen Rechtsterrorist David Eden Lane, Die Zahl 88 bezieht sich oft auf Lane’s »88 Grundsätze« und wird gerne als Alternative zum verbotenen Hitlergruß verwendet.
Am Wochenende vor der Kommunalwahl ist der Rocker in einer Memminger Kneipe anzutreffen. Photos, die Allgäu ⇏ rechtsaußen vorliegen, zeigen Bernd F. zwischen Christoph Maier und Fritz Tröger an einem Tisch der Kneipe beim gemeinsamen Biertrinken. Der 27-jährige Optikermeister tritt für die FDP zur Stadtratswahl an, Christoph Maier möchte am Sonntag als Spitzenkandidat für seinen AfD-Kreisverband in das Stadtparlament einziehen.
Völkischer Burschenschafter
Christoph Maier gilt als rechte Hand von Katrin Ebner-Steiner. Gemeinsam mit Fraktionskollegen verließen sie während einer Rede im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus demonstrativ den Plenarsaal. Der Landtagsabgeordnete bekennt sich zum offen völkischen Flügel der AfD, auf dessen Treffen er im vergangenen Jahr mit Björn Höcke auf der Bühne stand und die erste Strophe des Deutschlandlieds sang. Darin wird Deutschland zunächst »über alles, über alles in der Welt« gestellt. Dann wird ein Deutschland weit über dessen tatsächliche Grenzen »von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt« besungen.
Auch im Allgäu umgibt sich Christoph Maier mit Personen von ganz rechts außen. Den Ordnerdienst seiner Anti-Merkel-Kundgebung in Ottobeuren rekrutierte Maier aus dem Milieu korporierter Studenten, er selbst soll bis heute der Sudetia angehören, die Beobachter im Umfeld stramm rechtsnationaler Burschenschaften sehen.
»Fußgängerzone bunter gestalten«
Fritz Tröger führt in Memmingen ein Optikergeschäft. Für die FDP kandidiert er auf Listenplatz 7. Der Jungunternehmer möchte als Stadtrat »die Memminger Fußgängerzone grüner und damit bunter gestalten« und den Einzelhandel stärken. »Den Fritz kenne ich und weiß wie der denkt«, erklärt FDP-Spitzenkandidat Sebastian Baumann am Mittwoch im Gespräch mit Allgäu ⇏ rechtsaußen. Konkret könne er zu dem Treffen nichts sagen, da er zum ersten Mal davon höre. Auch sonstige Kontakte nach Rechtsaußen seien ihm nicht bekannt.
Dennoch sei klar: »Wir arbeiten nicht zusammen. Das gehe »weder vom Gedankengut noch von der Haltung zusammen – auch beim Fritz«. Den wolle er als stellvertretender Vorsitzender der örtlichen FDP konfrontieren. Später am Abend meldet sich Baumann erneut und kündigt eine telefonische Stellungnahme seines Stadtratskandidaten für Donnerstag an. Doch bis Samstagnachmittag blieb diese aus.
Auch FDP-Kandidat Tom Kunz zeigt wenig Berührungsängste zu Christoph Maier. Unserer Redaktion von AfD-Gegnern zugespielte Photos belegen, dass sich der 23-jährige Karosserie- und Fahrzeugbauer von Listenplatz 9 mehrere Minuten mit Christoph Maier an einem seiner Wahlkampfinfostände unterhält. Per Handschlag verabschieden sich die beiden. Das müsse keine inhaltliche Nähe zeigen, sagt FDP-Sprecher Baumann. Er vermutet, dass es lediglich um den Austausch von Positionen ging.
Abgrenzungsprobleme auch beim Christlichen Rathausblock
Auch beim Chrstlichen Rathausblock (CRB) vermissen Beobachter eine Abgrenzung nach Rechtsaußen. So besuchte die Frauenbeauftragte des CRB, Daniela Thiel, ebenfalls den AfD-Infostand »und plauderte heiter« mit
Christoph Maier und der AfD-Kassenprüferin und Stadtratskandidatin Genovefa Kühn. Das berichtet eine SPD-Kandidatin, die zur selben Zeit mit Antifaschist*innen und jungen Kandidat*innen von SPD, Grünen, ÖDP und Linken gegen die AfD protestierte. Dabei sei »klar zu erkennen« gewesen, dass Thiel den Protest »für albern beziehungsweise nicht angemessen hielt«.
Deshalb sei Thiel von einer Protestlerin gefragt worden, ob sie kein Problem mit der AfD habe. Darauf soll die CRB-Kandidatin geantwortet haben: »Nein, ich kenne diese Leute persönlich und finde sie nett.« Ähnlich reagierte Thiel bereits im Oktober auf unsere Anfrage, nachdem die Frauen des Christlichen Rathausblocks einen »Selbstverteidigungskurs für Frauen jedes Alters« im Herzblut Sportclub anboten. Dort trainiert auch die Neonaziszene um die Skinheadkameradschaft Voice of Anger und die am Nationalsozialismus ausgerichtete Partei Der Dritte Weg. Daran werde die Frauengruppe weiter festhalten, denn sie habe bei Herzblut »keine Nazis gesehen«, so Thiel damals.
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