Rechte instrumentalisieren Messerattacke für Hetze

Rechtsradikale wollen die Messerattacke eines jungen Afghanen in Ravensburg für rassistische Stimmungsmache instrumentalisieren. Das geht aus internen Chatprotokollen der vermeintlich unpolitischen Veranstalter hervor.

Am Nachmittag des 28. September geht ein Mensch willkürlich auf Passanten in der Innenstadt von Ravensburg mit einem Messer los. Drei Menschen werden teils lebensgefährlich verletzt. Der Täter wird noch am Ort des Geschehens festgenommen.

Mahnwache gegen Flüchtlingspolitik

Rechtsradikale wollen die Messerattacke eines jungen Syrers in Ravensburg für rassistische Stimmungsmache instrumentalisieren.
Rechtsradikale wollen die Messerattacke eines jungen Afghanen in Ravensburg für rassistische Stimmungsmache instrumentalisieren.

Kurz darauf erstellt Dennis H. auf Facebook eine Veranstaltung mit dem Titel »Montagsdemo in Ravensburg – Zeit zum Aufstehen, gegen eine fehlgeschlagene Flüchtlingspolitik!«

Doch was verleitet den jungen Mann dazu, als Reaktion auf eine Straftat, mit einer Versammlung Kritik an einer in seinen Augen fehlgeschlagenen Flüchtlingspolitik üben zu wollen?

Schaut man sich das Facebook-Profil von Dennis H. an, ist der Grund dafür schnell klar: Der Täter ist aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Dennis H. schreibt dazu im Veranstaltungstext auf Facebook: »Nach der Bluttat letzten Freitag haben viele die Schnauze voll. Am oben beschriebenen Platz wird es eine Mahnwache geben, zu der jene eingeladen sind, die unsere momentane Flüchtlingspolitik kritisch sehen. Teilen, weitersagen, anwesend sein!!!«

Streit zwischen Arbeitskollegen

Auslöser der Tat soll ein Streit zwischen Arbeitskollegen gewesen sein, den der Täter auf dem Marienplatz austragen wollte. Als sein Arbeitskollege nicht erschien, stach der Mann unvermittelt und im Rahmen eines psychotischen Erlebens zu. Der Haftrichter erlies einen Unterbringungsbefehl und der Beschuldigte kam in eine psychiatrische Einrichtung, da der junge Mann nach Einschätzung eines Gutachters an einer tiefgreifenden psychiatrischen Erkrankung leidet. Er befand sich laut Polizei
deshalb bereits mehrfach in stationärer Therapie.

Man könnte sich fragen, ob die Behandlung des Täters nicht angeschlagen hatte, ob hier Fehler gemacht wurden. Warum greift Dennis H. aber stattdessen »die Flüchtlingspolitik« an? Hinweise dafür liefert erneut eine Konsultation seines Facebook-Auftritts. Dort tritt er als Veranstalter der Mahnwache auf.

Rechtsradikale Bezüge des Organisators

Oberflächlich betrachtet ist das Profil von Dennis H. unauffällig. Ein junger Mann, der seine Facebook-Seite mit Deutschlandfahne und Motorradbildern schmückt. Schaut man etwas genauer hin, stellt man fest, dass ihm Beiträge von Alice Weidel und anderen AfD-Politikern gefallen.

Doch dabei bleibt es nicht. Auch was Chris Ares auf Facebook postet, gefällt dem Ravensburger. Der Musiker gilt als Anhänger der rechtsradikalen Identitären Bewegung und des Bündnis deutscher Patrioten (BdP).  Das BdP hetzt laut Bayerischem Rundfunk (BR) massiv gegen Geflüchtete. Dort werde diskutiert, »wie man Migranten in Münchner Freibädern umbringen könnte – mit Strom im Becken oder mit Zyklon B, der Chemikalie, mit der die Nationalsozialisten Juden in Auschwitz ermordeten.«

Seite an Seite mit bekannten Neonazis soll Ares durch Prügelattacken auf Journalisten und politische Gegner aufgefallen sein. Dennoch gibt sich Ares als friedliebender patriotischer Rapper. In seinen Raptexten klingt das anders. Etwa im Song Defend Europe:

»Ich bin rechts um unser kommendes Europa bald zu spüren […] Übernehmen jedes Land, das ist die Rückkehr der Germanen, ja wir opfern unser Dasein nur aus Rücksicht auf die Ahnen. Eure vollvermummten Punkvisagen werden mittels Panzerwagen durch das ganze Land gejagt, um euch maden dann anzuklagen. Nach der deutschen Wende wenn das Land in unseren Händen ist, dann sehen wir wen’s am Ende trifft und wer von uns verängstigt ist. Von uns vermummt sich keiner weil wir standhaft sind wie deutsche Eichen. […] Festung Europa, macht die deutschen Grenzen zu! […] Stop the migrants close to german border.«

Eine Szene aus dem Musikvideo zu Defend Europe von Chris Ares. (Screenshot: Youtube)
Eine Szene aus dem Musikvideo zu Defend Europe von Chris Ares. (Screenshot: Youtube)

Da verwundert es kaum noch, dass der Initiator der Ravensburger »Montagsdemo« selbst sogar bei Beiträgen mit klarem NS-Bezug auf den Like-Button klickt.

Ersatzveranstaltung in neuem Gewand

Die ursprüngliche Veranstaltung am 8. Oktober 2018 wurde abgesagt, da sie nach Angaben des Veranstalters für zu wenige Leute angemeldet war. Danach ist die Facebook-Seite Heimatbewegung Ravensburg angelegt worden, um Interessierte über den Ersatztermin zu informieren, den es ab dem 9. Oktober gab. Fortan wurde zum 15. Oktober ab 19 Uhr auf den Gespinstmarkt in Ravensburg mobilisiert.

Sowohl die Seite der selbsternannten Heimatbewegung Ravensburg als auch die Facebookveranstaltung, mit der für den 15. Oktober mobilisiert wurden, sind zwischenzeitlich wieder vom Netz verschwunden.

Mobilisierung für die plötzlich vermeintlich unpolitische »friedliche Mahnwache für die drei Opfer der Messerstecherei in Ravensburg«. (Screenshot: Facebook)
Mobilisierung für die plötzlich vermeintlich unpolitische »friedliche Mahnwache für die drei Opfer der Messerstecherei in Ravensburg«. (Screenshot: Facebook)

Kurz darauf erscheint auf Facebook eine neue Veranstaltung: »Wir möchten eine friedliche Mahnwache für die drei Opfer der Messerstecherei in Ravensburg veranstalten«, mobilisiert jetzt eine Susanne G. im Sozialen Netzwerk. Weiter heißt es: »Jeder der gerne den drei Opfern seine Anteilnahme bekunden möchte ist ganz herzlich eingeladen am Montag mit uns zu Gedenken.« Mehrfach wird dort betont, es gehe »um ein ruhiges und friedliches Miteinander und um ein ruhiges und friedliches Gedenken der drei Opfer.« Man dulde »keinerlei Hetze« und biete »keinen Platz für politische Diskussionen«.

Das Ordnungsamt der Stadt Ravensburg bestätigt die Anmeldung für 500 Personen unter dem Motto »Mahnwache wegen der Messerstecherei«. Offiziell trete nun nicht mehr Dennis H. als Veranstalter auf. Dennoch geht man auch hier von einer Ersatzveranstaltung aus.

Blick hinter die unpolitische Fassade

Doch auch hier lohnt ein Blick hinter die unpolitische Fassade. Intern stellt sich die Intention der Veranstalterin ganz anders dar. »Ich hätte nichts gegen offensichtlich rechte, aber ich will vermeiden, dass die Presse das gleiche macht wie in Chemnitz«, schreibt Susanne G. einem Helfer, den sie als Ordner einweist.

Das geht aus Chatprotokollen hervor, die Allgäu ⇏ rechtsaußen zugespielt wurden. Weiter schreibt sie: »Geht nur um die ganz offensichtlichen. Glatze und Bomberjacke. Mir wäre es anders auch lieber, aber sonst zerreißen die antifa und die Presse uns das komplett.« Zum »Thema Flüchtlinge« bekäme man sonst eine spätere Demo »nie angemeldet«, sorgt sich G.

Auch sonst tut sich Susanne G. auf Facebook in entsprechender Richtung hervor: Wie aus einem Post hervorgeht, will sie in Weingarten gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel protestiert haben. Zudem drückt sie Zustimmung zu Pegida und dem islamfeindlichen Wanderprediger Michael Stürzenberger aus.

Aufstehen für Vielfalt und gegen Rassismus

 

Das Bündnis Bleiberecht Oberschwaben-Bodensee ruft zum »Aufstehen für Vielfalt und gegen Rassismus« auf.
Das Bündnis Bleiberecht Oberschwaben-Bodensee ruft zum »Aufstehen für Vielfalt und gegen Rassismus« auf.

»Tausende Menschen zogen durch Chemnitz, missbrauchten einen sinnlosen Mord für ihre Zwecke und jagten Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Hautfarbe«, schreibt das Bündnis für Bleiberecht Oberschwaben-Bodensee in einem Aufruf zu einer Gegenaktion. Schon in Chemnitz ging es demnach »nicht darum zu trauern, sondern ihrem Hass freien Lauf zu lassen. Die gleiche Instrumentalisierung einer schrecklichen Tat wiederholt sich nun auch in Ravensburg.«

Unter dem Titel »#wirsindmehr – Aufstehen für Vielfalt und gegen Rassismus« soll deshalb am Montag ab 18:30 am Marienplatz in Ravensburg parallel zur rechten Kundgebung protestiert werden. Auch hier bestätigt die Stadt eine Anmeldung unter dem Motto »Gleiche Rechte und ein gutes Leben für alle – gegen nationalrassistische Hetze«.


Hilfe: Du hast selbst einen Übergriff erlebt?

Dann kannst du Hilfe bei B.U.D. Bayern bekommen. Das ist eine unabhängige Beratungsstelle für Betroffene von rechten, rassistischen und antisemitischen Übergriffen.

Zeug_innen können sich an B.U.D. Bayern wenden, dann wird der Vorfall registriert und Betroffenen geholfen – wenn sie das wollen.

Wenn du in Baden-Württemberg bist, ist dieLeuchtlinie für dich da.

Eltern, Angehörige und Freunde von Jugendlichen, die sich rechts orientieren, können Hilfe bei der Elternberatung bekommen.

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