In letzter Instanz werden fragwürdige Rechtsgutachten als Freifahrtschein rechtsradikaler Musikunternehmer endgültig entwertet. Damit erweist Neonazi-Anwalt Alexander Heinig der Szene einen Bärendienst. Ein Kommentar.
Mit einer riskanten Revision beschäftigte der Szeneanwalt Alexander Heinig jüngst das oberste bayerische Gericht mit dem langjährigen Verfahren gegen Benjamin Einsiedlers rechtsradikalen Plattenversand Oldschool Records befassen. Doch mit dem Rechtsmittel gegen die Verurteilung der Führungsfigur der Neonazikameradschaft Voice of Anger erweist Heinig der Szene einen Bärendienst.
Das Landgericht Memmingen hatte Einsiedler am 17. Januar 2020 wegen Volksverhetzung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und der Verbreitung jugendgefährdender Schriften schuldig gesprochen. Doch bei dem Urteil geht es um weit mehr als die verhängte Geldstrafe von 4000 Euro. Der Richter am Landgericht folgte den Ausführungen der vorangegangen Revision und entwertete sogenannte Rechtsgutachten, welche der Betreiber von Oldschool Records erneut als Freifahrtschein für den Vertrieb neonazistischer Tonträger verwenden wollte.
Auf Zeit gespielt
In den sechseinhalb Jahren, zwischen der Durchsungaktion der Polizei bei Benjamin Einsiedlers Oldschool Records im Mai 2014 und dem letztinstanzlichen Beschluss von Dezember 2020 wehrten Heinigs Taktik und die laut Gericht »sogenannten Gutachten« eine rechtskräftige Verurteilung Einsiedlers ab und ließen die Anklagepunkte von Instanz zu Instanz regelrecht dahin schmelzen. So blieben schlussendlich lediglich ein Bruchteil der ursprünglich 88 Anklagepunkte übrig, für die eine Verurteilung erfolgte.
In der Zwischenzeit generierte Einsiedlers Propagandaschmiede nach seiner eigenen Aussage mehrere Hunderttausend Euro. Davon dürften neben Einsiedler selbst auch die Neonaziszene insgesamt profitieren. Etwa die von Oldschool Records weiter produzierten und vertriebenen Bands und die Neonazi-Kameradschaft Voice of Anger, zu deren Führungsfiguren Einsiedler zählt.
Revision erweist sich als Bärendienst
Um dem Urteil vom 17.Januar 2020 und der damit verbundenen Strafe von 4000 Euro zu entgehen, oder diese weiter abzumildern, gingen Einsiedler und sein Anwalt Alexander Heinig den riskanten Weg der Revision. Daher befasste sich nun auch das Bayerische Oberste Landesgericht mit dem Verfahren und den Gutachten der Hamburger Anwältin Pahl. Dabei wurden die Münchner Richter überaus deutlich zu den »sogenannten Gutachten« und ihrer Verfasserin.
So sei eine Auskunft nur dann verlässlich »wenn sie objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und insbesondere nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erteilt« würde. Daher habe »der Angeklagte auf die Rechtsauskunft der Rechtsanwältin P. nicht […] vertrauen dürfen«. Damit ersparte das Rechtsmittel Einsiedler nicht nur nicht die Strafe, sondern sorgte vielmehr dafür, dass dem Rechtsrockunternehmer und der gesamten Szene ein Instrument verloren geht, mit dem sie bisher erfolgreich einer Bestrafung entgehen konnten.
Ein Gedanke zu „Schaden höher als die Strafe“