Die AfD im Allgäu reagiert zunehmend aggressiv auf Proteste und Kritik. Derweil wirbt ein designierter Spitzenkandidat für den Stadtrat in Kempten um Unterstützung in identitären Kreisen.
Im Zuge der bayerischen Kommunalwahlen im kommenden März will sich die AfD vor Ort verankern. Die Personaldecke der Rechtsaußenpartei ist hierfür im Allgäu denkbar dünn. Schon seit Monaten wirbt der Kreisverband Oberallgäu/Kempten/Lindau dementsprechend um Kandidaten für mögliche Listen in Stadt-, Gemeinde- und Kreisräten.
Gegner der AfD haben mit verschiedenen Protestaktionen wiederholt davor gewarnt, dass die offenen Listen der Partei zum Sammelbecken für Rassisten, Rechtsradikale und Reichsbürger werden könnten.
Auf Tuchfühlung mit der Identitären Bewegung?
Diese Befürchtung könnte sich nun auch mit Blick auf die anstehende Stadtratswahl in Kempten bewahrheiten. Der intern als einer der Spitzenkandidaten für die dortige Stadtratswahl gehandelte Bankangestellte Sascha Merk hatte bereits vor Wochen begonnen, in Kreisen um Unterstützung für den Kommunalwahlkampf der AfD zu werben, die eine Nähe zur Identitären Bewegung (IB) betonen und sich Merk gegenüber zugewandt zeigten.
Wie unserer Redaktion vorliegende Informationen zeigen, tritt er dabei ausdrücklich als Stadtratskandidat seiner Partei auf. Offiziell hatte die AfD eigentlich einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die vom Verfassungsschutz beobachtete IB gefasst. doch dieser wird regelmäßig übergangen. Auch über den Wahlkampf hinaus kündigt Merk rechtsradikalen Kreisen gegenüber an, sich mit diesen weiter vernetzen zu wollen.
Bereits zur geplanten Kandidatur von Sascha Merk äußerte sich die Targobank, für die er in Kempten als Kundenbetreuer arbeitet eindeutig: »Unsere Unternehmenskultur zeichnet sich durch Offenheit, Toleranz und Respekt vor der Identität anderer, ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft, ihrer Kultur, ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung und ihrer politischen Meinung aus. Verstöße gegen diese Grundsätze nehmen wir sehr ernst«, erklärte ein Sprecher der Bank auf Anfrage. Ausgrenzung jedweder Art habe »bei uns keinen Platz, wir kämpfen aktiv dagegen an.«
Darauf hingewiesen, dass sich Merk identitären Kreisen zugewandt zeigt, legt der Bankensprecher in aller Deutlichkeit nach: »Die Identitäre Bewegung und deren ideologische Grundhaltung ist uns selbstverständlich bekannt.« Sie stehe»weit außerhalb unseres demokratischen Wertekanons.« Nun lässt sich die Targobank von Allgäu ⇏ rechtsaußen Belege für Sascha Merks Engagement für die AfD und seine Nähe zur Identitären Bewegung vorlegen, bevor weitere Schritte in Erwägung gezogen werden.
Stadtratskandidaten unter Druck
Merk ist nicht der einzige designierte Stadtratskandidat dessen Engagement für die AfD in Konflikt mit seiner beruflichen Tätigkeit geraten könnte. Tatjana Preuss ist als langjährige Busfahrerin nach Informationen von Allgäu ⇏ rechtsaußen bei der RBA (Regioalbus Augsburg GmbH) in koordinierender Funktion tätig. Die Geschäftsführung der RBA prüft auf Anfrage ebenfalls, wie sie sich dazu verhalten wird.
Wohl auch in Folge des Druckes unter den die teils unfreiwillig bekannt gewordenen Kandidaten der AfD in der Region bereits geraten sind ist auch wenige Tage vor der geplanten Aufstellungsversammlung nur eine handvoll Personen bereit sich öffentlich zu einer Kandidatur für die Rechtsaußenpartei zu bekennen.
Offenbar aufgrund eines Datenlecks in der Führungsriege des Kreisverbandes sind Gegner der Partei an umfassende interne Informationen gelangt. Diese Daten, welche in der Folge auch unserer Redaktion zugespielt wurden, umfassen unter anderem die geplanten Kandidaturen für die Kemptener Stadtratswahl. Auf Grundlage dieser Informationen haben wir umfassend um Stellungnahme gebeten. Doch auch auf Anfrage war keine weitere Person bereit sich zu ihrer Kandidatur zu bekennen. Unserer Redaktion vorliegende Informationen zeigen allerdings auf, dass mehrere Personen die derzeit noch für die Liste vorgesehen sind selbst intern als unsicher gelten.
Mit Störversuchen aus der Defensive
Nachdem die AfD schon in den vergangenen Wahlkämpfen im Allgäu mit stetig steigendem Gegenwind aus der Zivilgesellschaft konfrontiert war hat sich die Intensität des Protestes gegen die Rechtsaußenpartei schon im Vorfeld des Kommunalwahlkampfes nochmals intensiviert.
So verlor die AfD in Lindau zuletzt mit dem Weingut Peter Hornstein in Nonnenhorn ihren einzigen verfügbaren Veranstaltungsort direkt nach dessen Bekanntwerden umgehend wieder. Rainer Rothfuß selbst macht dafür Proteste von Parteigegner verantwortlich. Eine vom Ortsvorsitzenden der AfD in Lindau angekündigte »öffentliche Dialogveranstaltung der AfD« hat ebenfalls nicht stattgefunden. Stattdessen versuchte Rothfuß, am 7. November 2019 gemeinsam mit einer größeren Gruppe von aus der ganzen Region angereisten Parteifreunden eine Informationsveranstaltung zu den Verstrickungen seiner Partei ins rechtsradikale Spektrum zu stören. Im Nachklang irritierte Rainer Rothfuß Presse und Veranstalter dann mit einem skurrilen Versuch die Veranstaltung als Dialog mit der AfD umzudeuten.
Diese Strategie, Informationsveranstaltungen über die Machenschaften ihrer Partei gezielt zu behindern, hat sich offenbar auch die Führungsriege der Kreisverbandes Oberallgäu/Kempten/Lindau zu eigen gemacht. So waren nahezu alle designierten kommunalen Spitzenkandidaten der AfD zusammen mit weiteren Parteifreunden auch zu einer Veranstaltung der Grünen in Immenstadt angereist.
Störversuch in Immenstadt unterbunden
Dort haben an diesem Abend der Vizepräsident des Bayerischen Landtags Thomas Gehring und die Vizepräsidentin des Bezirkstags Schwaben Barbara Holzmann zusammen mit dem Chefredakteur von Allgäu ⇏ rechtsaußen und rund 40 Interessierten über Strategien im Umgang mit den kommunalpolitischen Ambitionen der AfD diskutiert. In Bezug auf die angereisten Anhänger der AfD hatten die Veranstalter hier aufgrund der vorangegangen Störaktion im Club Vaudeville in Lindau vorgesorgt. Um einen erneuten Versuch der Störung und Übernahme der Veranstaltung durch die AfD zu verhindern hatten Sie einen Einlassvorbehalt gegen Funktionäre und Anhänger der Rechtsaußenpartei erlassen.
So mussten neben dem Leiter des kommunalen Wahlkampfteams, Walter Freudling, unter anderem auch Schatzmeister Axel Keib, Schriftführer Timo Scheffler, Beisitzer Paul Alger und die beiden designierten Stadtratskandidaten Sascha Merk und Tatjana Preuss vor den Türen des Veranstaltungshauses halt machen. Dort offenbarten sie mit einer ganzen Reihe teils schriftlich vorbereiteter Statements ihre Absicht an diesem Abend. Durch das Personal an der Türe mussten sie mehrfach ermahnt und zum Verlassen der Lokalität aufgefordert werden.
Insbesondere Gastwirt Axel Keib, welcher bereits in der jüngsten Vergangenheit mehrfach durch seinen aggressiven und teils sehr beleidigenden Ton gegenüber Gegner der AfD aufgefallen war, geriet hierbei sichtlich in Rage. Erst nachdem die Veranstalter ankündigten, die Polizei hinzuzuziehen, verließ die Gruppe um Keib kurz vor Beginn der Veranstaltung den Eingangsbereich.
»Bei uns stehen die braunen auf dem Bordstein«: Gestern lief fast die gesamte Führungsriege der #AfD im #Allgäu geschlossen zu meinem Vortrag in Immenstadt auf. Doch die Veranstalter hatten vorgesorgt und unterbanden eine gezielte Störaktion wie vergangene Woche in Lindau. pic.twitter.com/FBHKxGhAQl
— Sebastian Lipp (@SebastianLipp) November 15, 2019
Protest gegen geheime Aufstellungsversammlung angekündigt
Ob es der AfD mit derlei Aktionen gelingt gegenüber ihren Gegner aus der Defensive zu kommen darf bezweifelt werden. Diese haben bereits die nächsten Proteste angekündigt. Denn das Datenleck, das offenbar das Wahlkampfteam der AfD belastet, hat auch den nur intern angekündigten Termin zur Aufstellungsversammlung zur Kommunalwahl 2020 offenbart. Demnach werden am Donnerstag ab 18 Uhr im Gasthof Goldener Adler in Weitnau die Kandidaten Akkreditiert, die Versammlung selbst beginnt ab 19 Uhr.
»Gegen eine Normalisierung rechtsradikaler Positionen« und die kommunalpolitischen Ambitionen der AfD wollen AfD-Gegner daher am Donnerstag ab 17:30 Uhr »für ein buntes und weltoffenes Allgäu« am Gasthof Goldener Adler in Weitnau demonstrieren.
…dass nach unser aller beschämenden Vergangenheit und Gegenwart keine ebensolche Zukunft wird… möchte ich ihre Arbeit unterstützen…