Umfassende interne Informationen der AfD Kempten sind Parteigegnern in die Hände gefallen. Sie lassen tiefe Einblicke in die Pläne der AfD für die Kommunalwahlen zu.
Offenbar ist eine Serie technischer Pannen und Fehlbenutzungen in der Führungsriege des Oberallgäuer Kreisverbands für ein Datenleck verantwortlich. Das zeigen Informationen, die Allgäu ⇏ rechtsaußen zugespielt wurden.
Wie lässt sich die Stimmung anheizen?
Die zentrale Frage für die AfD in Kempten bei den Vorbereitungen für die Kommunalwahl im kommenden März ist demnach offenbar: Wie lässt sich die Stimmung anheizen?
Bei der Erarbeitung des Wahlprogramms will sich das kommunalpolitische Team um den Zweiten Stellvertretendern Vorsitzenden des Ortsverbandes, Walter Freudling, dementsprechend auf die drängende Wohnungsknappheit in Kempten fokussieren. Wie die interne Kommunikation der Partei eindrucksvoll belegt, plant das Wahlkampfteam, in dem neben Freudling unter anderem auch der ehemalige CSU Ortsvorstand Thomas Senftleben, Schriftführer Timo Scheffler und der Kemptner Ergotherapeut Reinhold Völk mitarbeiten, in diesem Zusammenhang gezielt rassistische Ressentiments zu schüren und zu ihren Gunsten auszunutzen.
In für die radikale Rechte typischer Art und Weise sollen dabei internen Aussagen zu Folge geflüchtete Menschen für die Wohnungsnot in Kempten verantwortlich gemacht und deren Interessen gegen die Interessen anderer wohnungssuchender Menschen ausgespielt werden. Dazu bereitet sich das Wahlkampfteam gezielt darauf vor, auch in den sozialen Medien die Stimmung aufzuheizen.
Bereits im Landtagswahlkampf instrumentalisierte Walter Freudling in einer Rede soziale Misstände, um Stimmung gegen Geflüchtete zu machen. Landtagskandidat Wilhelm Vachenauer bediente sich damals beim Sozialpopulismus des völkischen Flügels der AfD. Kruden Verschwörungstheorien aus dem Publikum wurde nicht widersprochen.
Schlüsselrolle für kommunalpolitisch erfahrene Überläufer
Kommunalpolitisch erfahrene Überläufer von der CSU wie Freudling, Senftleben und Tatjana Preuss kommt dabei offenbar eine Schlüsselfunktion zu, wenn es darum geht lokalpolitische Gegebenheiten in eine solche Medienkampagne einzubinden. Insbesondere Preuss könnte darüber hinaus durch ihre gute Vernetzung im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine wichtige Rolle für die kommunalpolitischen Bestrebungen der AfD spielen. Die langjährige Busfahrerin ist nach Informationen von Allgäu ⇏ rechtsaußen bei RBA (Regioalbus Augsburg GmbH) in koordinierender Funktion tätig.
Vor ihrer Geschlechtsanpassung war Tatjana Preuss als Hans-Jürgen Preuss ebenfalls viele Jahre lang für die örtliche CSU in Lauben aktiv. Innerhalb ihrer ehemaligen politischen Heimat ist ihr Wechsel zur AfD diskutiert worden. Auch unter Homosexeullen und in der feministischen Szene wird Kritik an den Überläufern Preuss und Senftleben laut. Durch ihre Kandidatur würden sie es der AfD ermöglichen, ihre persönliche Verortung in Bezug auf Homo- und Transsexualität zu instrumentalisieren, um die tatsächliche Politik der Rechtspartei in diesem Themenfeld zu verschleiern.
Der AfD fehlt erfahrenes Personal
Für die AfD bleibt es weiterhin schwierig, ausreichend passende Kandidaten für ihre Sammelliste zu den Stadtratswahlen in Kempten zu rekrutieren. Während sich Senftleben und Preuss nach der Veröffentlichung ihrer geplanten Kandidatur bereits mit Kritik konfrontiert sehen, sind bislang nur wenige der weiteren möglichen Kandidaten öffentlich geworden.
Eine vollständige Liste mit deren Namen ist aufgrund des Datenlecks in der Führungsriege der AfD Kempten ebenfalls an Gegner der Partei gelangt und unserer Redaktion zugespielt worden. Daraus ergibt sich, dass die AfD für ihre geplante Stadtratsliste abgesehen von den bereits genannten Überläufern aus der CSU kaum über erfahrenes Personal verfügt.
Listenfüller und Spitzenkandidaten geben sich bedeckt
Ein großer Teil davon hat nach den internen Informationen ausdrücklich erklärt, ein Amt im Stadtrat nicht ausfüllen zu wollen. Zu diesen Listenfüllern zählen beispielsweise Vorstandsbeisitzer Paul Alger, Hubert Fischer, der Student Markus Listmar, Manfred Postenreiter, Tanja Endras sowie die Ehefrau von Walter Freudling. Allerdings gelten selbst intern nicht alle davon als sichere Kandidaten. Keiner von ihnen möchte sich offenbar öffentlich zu seinem Engagement für die AfD äußern. Eine Vielzahl von Anfragen durch Allgäu ⇏ rechtsaußen blieb unbeantwortet.
Auch von den oberen Listenplätzen haben sich bislang nur wenige der designierten Kandidaten an die Öffentlichkeit gewagt. Neben dem oben genannten Reinhold Völk zählt hierzu unter anderem Sascha Merk. Auch sie waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Pressestelle der Targobank kündigte hingegen eine Stellungnahme an. Für die Bank ist Merk seit mehr als vier Jahren als Kundenberater tätig. Man befinde sich derzeit in einem internen Klärungsprozess und wolle sich zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls zu einer möglichen Kandidatur des Mitarbeiters positionieren.
Inzwischen liegt die Stellungnahme der Bank vor. »Unsere Unternehmenskultur zeichnet sich durch Offenheit, Toleranz und Respekt vor der Identität anderer, ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft, ihrer Kultur, ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung und ihrer politischen Meinung aus. Verstöße gegen diese Grundsätze nehmen wir sehr ernst«, erklärt darin ein Sprecher der Targobank. Ausgrenzung jedweder Art habe »bei uns keinen Platz, wir kämpfen aktiv dagegen an.« Solange sich Mitarbeiter jedoch außerhalb der Arbeitszeit in nicht verbotenen Organisationen betätigen, könne und wolle man diese Aktivitäten nicht beeinflussen.
Gegenkampagne zu erwarten
Dass die AfD so kurz vor der intern für den 21. November 2019 geplanten Aufstellungsversammlung nur über wenige Personen verfügt, die sich öffentlich zu einer Kandidatur auf ihrer rechten Sammelliste bekennen wollen, dürfte nicht zuletzt auch auf den erheblichen Gegenwind zurückzuführen sein, mit dem die Partei im Allgäu in den letzten Jahren verstärkt konfrontiert war. Man darf davon ausgehen, dass auch der Kampf der AfD um Sitze im Stadtrat von einer Gegenkampagne begleitet wird.
Es bleibt also abzuwarten, in welchem Umfang die AfD in Kempten in der Lage sein wird, im Rahmen einer rassistisch geprägten Wahlkampfkampagne zur Wohnungsknappheit die Stimmung in der Stadt aufzuheizen.
3 Gedanken zu „Stimmung anheizen: Datenleck enthüllt kommunale Wahlstrategie der AfD“