Mit professioneller PR inszeniert sich der Mutterhof als Vorzeige-Ökoprojekt. Doch weil dahinter auch rassistische und antisemitische Ideen stecken, wenden sich manche ab – oder bleiben ihm gerade deshalb treu. Andere sind noch unentschlossen in ihrer Positionierung.
Bilder einer glücklichen alternativ gekleideten Familie im Grünen, in und mit der Natur lernende Kinder wecken die Sehnsucht nach einem Leben im Einklang mit der Natur. Subtil vermittelt die musikalische Untermalung ein Gefühl von Harmonie und Frieden. So kommt ein hochprofessionell produziertes Werbevideo für den Mutterhof in Unterthingau im Ostallgäu daher. Permakultur-Enthusiast Robert Briechle stellt darin im breiten allgäuer Dialekt die »ewige Idee« seines Hofprojektes vor: Für sein Ziel eines »bedürfnisorientierten, glücklichen Lebens aus und in der Fülle« sucht Briechle »Bioniere für künftige Lebensräume« – und monetäre Unterstützung. Damit sollen die Grünflächen des Hofes nach permakulturellen Prinzipien in »fruchtbare Familiengärten« umgewandelt und die örtliche Biodiversität erhöht werden. Doch was im Werbevideo als modernes Pionierprojekt für einen nachhaltigen ökologischen Wandel daherkommt, sieht bei genauerem Hinsehen ganz anders aus.
Grundlegende Idee des Projektes ist »die Vorstellung von Robert Briechle über die Umwandlung von Bauernhöfen in ›Mutterhöfe mit Familienlandsitzen‹«, berichtet Jochen Koller 2013 in Ausgabe 6 seines Magazins Nachhaltiges Allgäu von einer Veranstaltungsreihe auf dem Mutterhof. Nahtlos schreibt er dann über die nächste Veranstaltung auf dem Hof: »Quintessenz: Den Rechtsstaat BRD gibt es nicht und damit auch keine Demokratie in Deutschland« . Nicht nur die Reichsbürger-Thesen lassen aufhorchen. Name und Konzept der »Familienlandsitze« gehen zurück auf eine Romanreihe des russischen Autors Wladimir Megre, die stark esoterisch aufgeladen von der mystischen Heilsbringerin Anastasia erzählen. Rassistische, antisemitische, frauenfeindliche und verschwörungsideologische Aussagen werden in eine scheinbar ökologische Utopie eingebunden. Zentral neben einem bei völkischen Siedlungs- und Hofprojekten beliebten quasi-religiösen Überbau ist die Idee, sogenannte Familienlandsitze im Einklang mit ihren Ahnen und der Natur aufzubauen.
Intern Blut und Boden, nach Außen Gesang und Tanz
»Wir distanzieren uns von jeglichem Rassismus, Antisemitismus und antidemokratischen Strömungen« , hieß es aber 2018, als Verfassungsschutz und Medien ein Auge auf den Mutterhof warfen. Die Landsitze heißen nun »Familiengärten« . Briechle behauptete, kein Anastasia-Anhänger zu sein, stellte jedoch zugleich in Frage, dass sich hinter der Anastasia-Buchreihe überhaupt eine rassistische und antisemitische Gedankenwelt verbirgt. Hat sich der Mutterhof also in den vergangen zwei Jahren von seinen rechten Wurzeln losgesagt, ist die professionelle Darstellung im Werbefilm als Vorzeige-Ökoprojekt Ausdruck dieser Wandlung?
Erst Ende Juli erschien auf Youtube ein Video, in dem sich Robert Briechle über die Medienberichte zu rechten Tendenzen lustig macht und gemeinsam mit seinem Gesprächspartner Frank Willy Ludwig erklärt, dass sie bereits seit 15 Jahren gemeinsam »unsere Aufgabe für den Stamm, für das Volk, für das Heil der Erde und das Heil der Wesen auf der Erde« erfüllen. Am Ende des 50-Minütigen Gesprächs spricht Ludwig von einer »Verantwortung der weißen Rasse« . Unter dem Namen Urahnenerbe Germania führte der Brandenburger Strategieschulungen für Anhänger der Anastasia-Bewegung durch, die auch Briechle besuchte. Auf einem seiner Vorträge rief der Neonazi etwa auf: »Kümmert euch um eure Frau. Zeugt Kinder. Schafft euch einen Garten an, fertig. Das ist es doch was der Führer auch gesagt hat. Blut und Boden. Kraft durch Freude.«
Öffentlich jedoch solle man sich anders geben, wie Ludwig als Redner in einem dem ARD zugespielten Video einer Schulung sagt: »Gründet etwas Schönes. […] Die bezaubern dann auch die Leute wenn sie öffentlich auftreten durch Gesang und durch die Kleidung und durch Tanz. Das ist wichtig. Weil wenn du dich im Volk beliebt machst, kann kein Politiker, keine dunkle Macht mehr sagen: ›Ey, das sind Böse‹. Dann sagen die: ›Moment mal, die habe ich doch beim Konzert erlebt. Wie können die böse sein, die sind doch toll.‹« Ludwigs Worte wirken wie die Blaupause für den professionellen Imagefilm des Mutterhofs.
»Volkserweckung« von der »Thing-Au«
Seit Jahren teilen auch Bewohner des Mutterhofs online rechte Propaganda. Politisch bringen sie sich aktuell auch über das Corona-Thema ein. Etwa besuchte Kai Stuth im Juni mit seinem Meditations-Caravan neben der sogenannten Grundrechte-Demo in Kempten auch den Mutterhof in Unterthingau. Auf dem Youtube-Kanal von Frank Willy Ludwig erschienen zwischenzeitlich gelöschte Musikvideos von »Schwerti von der Thing Au« . Der Briechle-Vertraute veröffentlichte dort Lieder, die eine Art völkische Revolutionssehnsucht besingen und sich in Wort und Bild auf die Verschwörungsmythen um QAnon beziehen, über die auf den sogenannten Coronademos eine Radikalisierung der Teilnehmenden nach Rechtsaußen vorangetrieben wird.
Unterstützt von aggressivem Bildmaterial besingt »Schwerti« im Song „Die Wahrheit (macht uns frei)“ das Narrativ einer Jahrtausende alten jüdischen Verschwörung aus einem einflussreichen antisemitischen Pamphlet, auf das sich schon die NS-Propaganda stützte. In Schwertis »Hymne des Erwachens« geht es wie auch oft bei Briechle und Co. um Runen und Ahnen. »Aus Dämmerschlaf-Delirium das alte Volk erweckt«, heißt es dort etwa. Das Lied kann – bildlich unterlegt mit Aufnahmen vom Mutterhof und Verweisen auf den Anastasia-Kult – als naturromantisch verklärte Sehnsucht nach einer völkisch-nationalen Revolution verstanden werden.
Bröckelnde grüne Fassade
Außerhalb der Ökoszene kommt das gar nicht gut an. »Geradezu schockiert« davon zeigt sich Monika Schubert auf Anfrage von Allgäu rechtsaußen. Schubert betreibt neben einer kleinen Kunstbühne und einer Theaterschule ein Programmkino im nahen Marktoberdorf, das 2018 die Premiere eines Films über den Mutterhof gezeigt hatte. Ebenso zurückgezogen hat sich zwischenzeitlich ein Tonstudio, das einst für den Mutterhof arbeitete. Auch andere ehemalige Unterstützer wollen nichts mehr mit Robert Briechle zu tun haben. »Das möchten wir in keiner Weise unterstützen und wenn nur ein Hauch davon wahr ist«, sagt etwa der Geschäftsführer eines Unternehmens, der anonym bleiben will. In Zukunft will er vorsichtiger sein, mit wem er zusammenarbeite. Denn der Permakultur-Aktivist hätte ihm gegenüber »nie eine Ideologie verbreitet«, weshalb ihn die Recherchen zu Briechle und seinem Umfeld »überrascht« hätten. Briechle locke »viele Jüngere an, die Alternativen suchen.« Viele dieser jungen Menschen schätzt der Unternehmer »sogar eher links« ein, sie merken anfangs gar nicht, was hinter Robert Briechles ökologischen Ansprüchen steht. Offenbar weiß Briechle, ganz unterschiedliche ökologisch Interessierte Menschen für sich einzunehmen.
Tatsächlich kommt das Projekt jedoch gerade in Ökokreisen weiterhin an. Direkt auf dem Hof betreibt Briechle den rege genutzten Wochenmarkt des Dorfes. Im Image-Film ist zu sehen, wie eine große Zahl Schüler, Studierende und andere Interessierte an Kursen des Mutterhofs teilnehmen. Auch außerhalb hält Briechle Vorträge über Permakultur und die Idee des Mutterhofs mit seinen Familienlandsitzen. So etwa beim Bärengarten in Zell bei Eisenberg. »Mir ist diesbezüglich nichts aufgefallen. Wir haben mit den Leuten nur rein gartentechnische, sprich Permakultur relevante Themen auf dem Plan« , erklärt der Kräutergärtner und Hotelier des Bären, Schorsch Kössel.
Auch die Regionale Wirtschaftsgemeinschaft Allgäu (ReWiG) lud Briechle regelmäßig zu Seminaren ein. Und das obwohl die Genossenschaft, in der sich viele ökologische Projekte der Region zusammengeschlossen haben, laut Homepage der Toleranz verpflichtet und »aktiv bemüht« sei, »den Frieden und die Harmonie unter uns sowie mit den Menschen, mit denen wir Berührung haben, zu bewahren und zu stärken.« Allerdings übernehme man »keine Verantwortung für die Weltanschauung unserer Mitglieder und Besucher.« Diese Selbstverpflichtungserklärung habe man extra wegen der »Anfeindungen« gegen Robert Briechle veröffentlicht, heißt es auf Anfrage bei der ReWiG. Es sei egal, ob man seine Ideen von Permakultur-Pionier Sepp Holzer oder Anastasia beziehe. Von Briechle habe man sich selbst einen Eindruck verschafft. Darauf vertraue man »und nicht darauf mit wem er eventuell Umgang pflegt.« Rechte Sprüche habe man von Robert Briechle persönlich nie gehört. Dennoch werde man sich das nocheinmal ansehen und »wenn es dann Handlungsbedarf gibt, das auch umsetzen.« Bislang aber sieht die ReWiG in der Zusammenarbeit mit Briechle keinen Widerspruch zur Selbstverpflichtung.
»Irgendwas mit Rassen«
Das gelte auch für Jochen Koller und dessen Öko-Anzeigeblatt Nachhaltiges Allgäu, das als Informations- und Vernetzungsplattform für einen erheblichen Teil der Allgäuer Ökoszene dient. Die beiden Permakultur-Enthusiasten galten als enge Vertraute. Heute geht Koller, der als zentraler Netzwerker und »Tausendsassa« der Szene gilt, auf Distanz: »ein enger Vertrauter bin ich schon lange nicht mehr.« Doch er warb weiter für den Mutterhof und beschreibt die Ideen aus der völkischen und antisemitischen Anastasia-Buchreihe weiterhin als maßgeblich für seine »Vision« .
Andere bleiben dem Mutterhof gerade wegen der zugrundeliegenden Ideen treu. So etwa der Grasser Hof in Aitrang nahe Unterthingau. Auf dem Demeter-Betrieb produziert Daniel Oettermann saisonales Gemüse für die Region. Die seit der Betriebsgründung im Jahr 2008 bestehende Zusammenarbeit mit Briechle findet der Bio-Bauer »unproblematisch«. »Mit Rechts hat das nichts zu tun«, sagt Oettermann. Auch er habe die Anastasia-Bücher gelesen und finde sie gut. »Nur weil da mal irgendwas mit Rassen steht heißt das ja nichts«, findet er. Das sei »wie bei Rudolf Steiner, der mal was über Rassen gesagt hat und deshalb jetzt in die rechte Ecke gedrängt wird«, so Oettermann.
Der Zugriff rechter Einflüsse auf die Ökoszene im Allgäu bleibt umkämpft. Dass es auch ganz anders geht, zeigt Kulturland. Die Genossenschaft aus Niedersachsen kauft bundesweit Land, um es als Gemeingut für eine bäuerlich geführte ökologische Landwirtschaft zu sichern. Koller strebte jüngst eine Zusammenarbeit mit der Initiative an, doch Kulturland beschloss unmissverständlich, dass es keine Zusammenarbeit geben kann mit rechten Siedlern, der Anastasia-Bewegung und »Initiativen, die eine klare Stellungnahme zu fraglichen ideologischen Hintergründen – sei es aus Vorsatz oder aus Naivität – vermissen lassen«.
4 Gedanken zu „Umkämpfte Allgäuer Ökoszene“