Antisemitismus und Hatespeech: Wie verbreitet ist Menschenverachtung in unserer Region? Darüber spricht Sebastian Lipp am Mittwoch in der ehemaligen Synagoge Fellheim. Die Veranstaltung ist Teil einer Ausstellung des Stadtmuseums Memmingen über den NS-Antisemitismus in der schwäbischen Provinz.
Hasskriminalität und Antisemitismus haben ganz offensichtlich Hochkonjunktur. Bundesweit gründen Polizei und Justiz Taskforces und gehen verstärkt gegen Hatespeech im Internet vor, regelmäßig kommt es zu Großrazzien, die auch in unserer Region stattfinden. Zuletzt etwa bei einem Allgäuer, der öffentlich die Hinrichtung von Polizist*innen billigte. Weitere Beispiele betreffen rassistische Hetze, antisemitische Vernichtungsphantasien und die Relativierung oder Verleugnung des Holocaust.
Dabei beschränkt sich das Phänomen längst nicht nur auf das Internet. Eine ganz neue Dynamik bringen die Querdenken-Proteste mit sich, die entsprechendes Gedankengut ventilieren und sogar in Reden und auf Plakaten propagieren – und damit auch hier teilweise Tausende auf die Straßen brachten und bringen. Mehrfach kam es im Allgäu zu geschmierten Mordaufrufen gegen Politiker*innen.
Hatespeech für Rassenkrieg und Nationalsozialismus
Selbst die Memminger Skinheadkameradschaft Voice of Anger geriet kürzlich ins Fadenkreuz der Hatespeech-Fahnder*innen, weil sie in Messengern neonazistisches Gedankengut verbreitet haben. Ihr eigentliches Metier, die internationale Verbreitung und Propagierung von Rassenkrieg und Nationalsozialismus und die Ausrichtung entsprechender Veranstaltungen bleibt indes unangetastet.
Wie groß ist das Phänomen in der Region tatsächlich? Und: Was können wir dagegen tun, wie damit umgehen? Ist das überhaupt notwendig? Darüber spricht der Journalist Sebastian Lipp am 12. Oktober 2022 um 19 Uhr in der ehemaligen Synagoge Fellheim, Eintritt 5 Euro.
Wanderausstellung Feibelmann muss weg
Die Veranstaltung gehört zum Begleitprogramm der Wanderausstellung Feibelmann muss weg. Ein antisemitischer Vorfall
aus der schwäbischen Provinz, die vom 1. Juli 2022 bis zum 22. Januar 2023 im Stadtmuseum Memmingen zu sehen ist. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei.
Die Geschichte des Memmingers Jakob Feibelmann hat weit mehr als nur lokale Bedeutung. Sein Fall führt beispielhaft vor Augen, welche Dynamik die Drangsalierung und Einschüchterung von Jüd*innen nach der NS-Machtübernahme in Deutschland entwickeln konnte. Der Antisemitismus in Deutschland wurde nicht nur von oben verordnet. Persönliche Ressentiments spielten weiter eine wichtige Rolle. Durch sie entwickelten die antisemitischen Hetzkampagnen und Gewaltmaßnahmen vor Ort vielfach eine ganz eigene Dynamik, wie auch Jakob Feibelmann erfahren musste. Der Memminger Unternehmer wurde ab 1933 mit anonymer Drohpost überschüttet, die ihn massiv anfeindete und zur Emigration drängte. Ende 1934 flüchtete er schließlich nach Palästina und nahm die Drohschreiben mit, die er als Beweismittel gesammelt hatte. Über 60 der Postkarten und Briefe blieben erhalten. Diese sind Anlass und auch Grundlage für die Ausstellung.