Mit Desinformation und Verschwörungsideologien als verbindendem Element zwischen Querdenken und Putin-Freunden bei der AfD zerlegt die Partei sich selbst. Das schreibt Doris Hog in einem Gastkommentar der Omas gegen Rechts vom Bodensee, der nicht zwingend auch die Auffassung der Redaktion wiedergibt. So sind wir etwa eher skeptisch, ob sich die AfD derzeit ausreichend selbst zerlegt, um in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.
Am 5. März veranstalteten die Omas Gegen Rechts Bodensee eine Mahnwache mit Info-Tisch für Respekt, Toleranz und Solidarität in Lindau. Ursprünglich bezogen auf die Situation in der Pandemie und den Umgang damit, wurden auch wir von den Ereignissen um den Angriff auf die Ukraine überrollt und setzten mit unserer Veranstaltung auch hier einen deutlichen Akzent für Frieden und Solidarität.
Omas eint »bedingungslose Solidarität mit den Menschen in der Ukraine«

Viele von uns kommen aus der Friedensbewegung und haben eine pazifistische Haltung. Andere unterstützen das Recht auf Selbstverteidigung der angegriffenen Ukrainer*innen und befürworten deshalb auch Waffenlieferungen.
Uns eint die bedingungslose Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und deren und unser Wunsch nach Beendigung dieses schrecklichen Krieges, sowie die Sehnsucht nach Frieden.
Es war am 5. März unsere Absicht, mit den Menschen in Lindau ins Gespräch zu kommen, und das gelang uns gut. Natürlich gab es auch kritische Stimmen und auch Leute, die offen bekannten, bei den unangemeldeten, sogenannten »Spaziergängen« in Lindau dabei zu sein.
Angebliche Chemie-Labore und gefangene Klon-Kinder in der Ukraine?
Eine Erzählung in Bezug auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hörten wir dort von einer Frau, die sich den Kritiker*innen der Corona-Maßnahmen zuordnete zum ersten Mal: Die Geschichte von angeblichen Chemie-Laboren (es waren wohl die Bio-Labore gemeint) der Ukraine und der USA, die Putin ja »nur« zerstören wolle. Dazu kam dann noch ein reichlich wirrer Bericht von geklonten Kindern, die angeblich in der Ukraine gefangen gehalten werden… Das hörte sich dann schon sehr nach Q-Anon-Verschwörung an.
Langer Rede kurzer Sinn: Wo fanden sich die Erzählung über die inzwischen als Putins Propaganda entlarvten Berichte über Bio-Waffen-Labore in der Ukraine wieder? – Auf einer der Facebook-Seiten des Lindauer Stadtrates und mittlerweile stellvertretenden AfD-Vorstandes in Bayern, Rainer Rothfuß.
Die AfD an sich ist uneins ob der Position zum russischen Angriffskrieg. Dieser wird zwar offiziell als solcher und völkerrechtswidrig benannt – Sanktionen gegen Russland und Waffenlieferungen für die Ukraine werden allerdings abgelehnt.
Rothfuß, der auch in der Vergangenheit immer wieder gerne bei RT Deutsch aufgetreten ist, gab am 2. März dem Sender NTV von Gazprom Media ein Interview, in dem er Verständnis für den russischen Angriff äußert. Auch hier reproduziert er russische Staatspropaganda, indem er von legitimen Sicherheitsinteressen Russlands spricht und die Nato, den Westen, als eigentlich Schuldigen an der Eskalation ausmacht. Der Angriff sei »definitorisch« völkerrechtswidrig, aber…
Propaganda der »Entnazifizierung« als Kriegsgrund Putins
Was nicht fehlen darf, ist das Narrativ der »Entnazifizierung« der Ukraine. In den russischen Medien wird die Ukraine seit Jahren als von Rechtsradikalen dominiert dargestellt. Das russische Präsidialamt begründet den Angriffskrieg mit der Notwendigkeit, die Ukraine von eben jenen »Nazis« zu befreien. Höhnisch bemerkt Rothfuß dazu an einer Stelle, es gebe ja nun am Bodensee keine Rechtsextremen mehr, die wären jetzt alle in der Ukraine.
Der Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky von Bündnis 90/Die Grünen sagte im Gespräch mit dem ARD-Faktenfinder: »Gibt es in der Ukraine Rechtsradikale und Antisemiten? Natürlich, wie in jedem anderen europäischen Land auch, nicht zuletzt in Russland«.
Rechtsextreme in Russland sollte Rainer Rothfuß auch kennen, traf er sich doch auf seiner »Friedensfahrt« 2016 mit den Nachtwölfen, einem extrem rechten Rocker-Club.
Stichwort »Frieden«: Die »Friedenskette Bodensee«, jene Organisation aus dem Querdenken-Milieu, die sich am 3. Oktober 2020 vergeblich an einer Menschenkette rund um den See versucht hatte, veranstaltete am 20. März eine mit reichlich Herzchen und Täubchen beworbene »Friedensversammlung«. Die Zahl der Teilnehmenden war – wie so oft, wenn Rainer Rothfuß auf den Plan tritt – überschaubar. Macht aber nichts, denn schließlich wurde die Veranstaltung über den Youtube-Kanal Stimme Deutschlands von Sergej Viktor Filbert einem (russischen) »Millionenpublikum« zugänglich gemacht. Dieser Filbert wiederum war Mitorganisator der »Friedensfahrt« und hat auch schonmal den Ober-Verschwörungs-Ideologen Ken Jebsen interviewt. So fügt sich immer wieder eines zum anderen.
Rainer Rothfuß bleibt sich treu

Die Zugänglichkeit für Desinformation und Verschwörungsgeschichten verbindet das Querdenken-Milieu einmal mehr mit den ganz rechten Kräften in unserem Land. Das Thema hat gewechselt, nicht aber die Absicht, diesen unseren demokratisch verfassten Staat zu delegitimieren. Es wird ihnen nicht gelingen. Die AfD schießt sich gerade selbst ins Aus. Offiziell unter Beobachtung des Verfassungsschutzes kann die Partei ihre Zerstrittenheit in der Positionierung zum russischen Angriffskrieg nicht verbergen.
Rainer Rothfuß bleibt sich treu. Er fischt mit der Attitüde des Freiheitskämpfers und der pseudo-bürgerlichen Fassade des »Wissenschaftlers« im trüben Teich derer, die in Zeiten der Krise eher Verschwörungserzählungen zugeneigt sind, als seriöser und freier Berichterstattung. Er scheint dabei noch nicht registriert zu haben, dass er Stück für Stück mehr im Sumpf blau-brauner Bedeutungslosigkeit versinkt.
Doris Hog, Omas Gegen Rechts Bodensee