Wer dieser Tage die Weingartener OB-Wahl verfolgt, könnte bei einem Kandidaten ins Schmunzeln kommen. Bei genauerem hinsehen wird jedoch klar: Hinter dem schrullig wirkenden Naturfreund steckt ein völkischer Antisemit.
Roman Urban kandidiert für das Amt des Oberbürgermeisters von Weingarten. Im Kandidaten-Porträt der Schwäbischen Zeitung erfährt man, dass er einen »großen botanischen Garten mit Permakultur« für Weingarten möchte. Außerdem sei es seine Berufung »die Menschen in eine wunderbare Zukunft zu führen, in der sie wieder mit der Natur verbunden sind.« Einige fänden die Ideen des 42-Jährigen erfrischend, andere würden nur verständnislos die Köpfe schütteln, schreibt die Schwäbische Zeitung. Doch was sind eigentlich die Ideen von Roman Urban?
Forderung der völkisch-antisemitischen Anastasia-Bewegung
Bereits 2012 kandidierte Urban für das Bürgermeisteramt in Konstanz. Damals wie heute versprach er ein Hektar Land pro Familie. Diese Idee geht zurück auf das Konzept der sogenannten (Familien-)Landsitze, das aus einer Romanreihe des russischen Autors Wladimir Megre stammt. Der Autor erzählt stark esoterisch aufgeladen von der mystischen Heilsbringerin Anastasia. Rassistische, antisemitische, frauenfeindliche und verschwörungsideologische Aussagen werden in eine scheinbar ökologische Utopie eingebunden. Zentral neben einem bei völkischen Siedlungs- und Hofprojekten beliebten quasi-religiösen Überbau ist die Idee, sogenannte Familienlandsitze zur Selbstversorgung auf je einem Hektar im Einklang mit ihren Ahnen und der Natur aufzubauen.
Auf einer früheren Version seiner Internetseite »1hal.de« (1HaL als Kurzform für »ein Hektar Land«) warb er aktiv für diese Romanreihe mit den Worten »Für ein höheres Bewusstsein empfehle ich dir, liebe göttliche Seele, lies dieses Buch«. Außerdem wurde dort »mit Videos in geballter Form für Eso-Spinner, Scharlatane und Gesundbeter geworben«. Sogar ein »unverbesserlicher Geschichtsrevisionist« der »rege Kontakte in die rechtsextreme Szene« pflege, kam dort zu Wort. So schrieb es das Online-Magazin Seemoz in einem Artikel über Urban, anlässlich der OB-Wahl in Konstanz.
Von slawisch-arischen Weden und »Zionisten«
Auf seinem Youtube-Kanal veröffentlichte er ein Video, in dem er beschreibt, wie sich Weingarten bis 2036 mit ihm als OB entwickelt. Sein Ausblick wirkt wie ein Fantasy-Roman. Menschen hätten erlernt sich telepathisch zu verständigen und er habe mithilfe eines pseudomedizinischen Apparates Menschen verjüngt. Doch auch hier scheint seine ideologische Grundlage durch. Die »unbrauchbare Demokratie« sei abgeschafft worden, stattdessen gäbe es eine Herrschaft durch »sieben Weise«. Da er russisch und deutsch spricht, habe er mit Putin geredet. Dabei habe sich herausgestellt, dass es sich beim russischen Angriffskrieg auf die Ukraine lediglich um ein Missverständis gehandelt habe. Weiter hätten sich Deutschland und Russland miteinander verbündet. Der Grund, den Urban dafür anführt, ist völkischer Natur: »Wir haben so viele Gemeinsamkeiten, die Germanen und die Slawen«. Der Ursprung dieser Idee wird durch den Begriff deutlich, mit dem er das aus Deutschland und Russland entstehende Reich bezeichnet – »Gerussia«. Damit bezieht er sich auf den rechten Unternehmer Wjatscheslaw Seewald.
Im Kern geht es in Seewalds »Lektionen« immer um das Gleiche: Die »weiße Rasse« werde von einer »den Juden« zugeschriebenen Weltverschwörung versklavt und existenziell bedroht. Dagegen müssten sich »die Weißen« wehren. Der Weg dazu sei ein slawisch-arisches Bündnis von Deutschland und Russland. Seewald nennt es »Gerussia«. Um seinem Traum vom Bündnis zwischen vermeintlichen Ariern und Slawen näher zu kommen, setzt der Geschäftsmann seine Hoffnungen aktuell auf die sogenannten Querdenker, die AfD und ihr Klientel. Seewald war bei einem Strategietreffen von Querdenken in Kempten dabei und organisierte eine Fahrt zu deren Demonstrationen in Berlin. Dort glaubte der »Gerussia«-Aktivist, vor der russischen Botschaft eine Revolution ausrufen zu können.
Auch sonst geht Urban wenig zurückhaltend mit seinen Ansichten um. Auf Facebook teilt er Videos mit dem Neonazi Frank Willy Ludwig, Querdenken-Propaganda und Inhalte der AfD. Am 21. Dezember 2011 schrieb er: »Habe den Robert persönlich kennengelernt. Sehr zu empfehlen«. Die Rede ist von Robert Briechle. Für ihn warb Urban auch am 21. April 2012 auf seiner damaligen Internetseite. Briechle setzt mit dem Mutterhof bereits die Anastasia-Idee der Landsitze um und versucht diese auch Andernorts zu etablieren.
Rassenlehre in Reinform
Aus seiner antisemitischen Haltung macht Urban kein Geheimnis. Am 18. Februar 2012 schrieb er auf einem seiner Facebook-Profile: »Ich sage: alle Zionisten nach Guatanomo« (sic!)
Seine Ansichten erinnern stark an die Rassenlehre der Nationalsozialisten. In einem Video zur Gründung seiner »Druiden-Partei«, spricht er über die Ergebnisse eines DNA-Tests, mit dem er seine Herkunft klären wollte. Er interpretiert sein Ergebnis so, dass er zu über 70 Prozent Arier, zu 20 Prozent Slawe sei. Mit einem gewissen Anteil »abtrünniger Arier«. Dieser Anteil »abtrünniger Arier« sei der Anteil »aschkenasischer Jude«.
Es sei seine Berufung die »weißen Brüdervölker wieder zu miteinander zu vereinen«. Er führt aus: »Früher waren wir eng verbunden miteinander die Slawen und die Arier und wir waren unbesiegbar«. Das seien sie nun nicht mehr, denn ein Teil »unseres Volkes« habe sich verführen lassen und abgespalten. Verführt worden seien sie durch »die grauen Parasiten aus den Unterwelten«. Ebenfalls eine antisemitische Chiffre?