Trotz Absage fanden sich am Samstag weit über 100 Personen in der Nähe des Wochenmarktes ein, wo eine »Grundgesetz-Versammlung« eine Woche zuvor massiv ausuferte. 

COVID-19-Querfront demonstriert überall im Allgäu

Neonazis und andere Rechte, Verschwörungsgläubige und Querfrontler: Wir haben uns am Wochenende einige der vielen sogenannten Grundrechtedemos im Allgäu angesehen.

Kempten: »Querdenker« gegen »faschistoiden Hygienestaat«

Trotz Absage fanden sich am Samstag weit über 100 Personen in der Nähe des Wochenmarktes ein, wo eine »Grundgesetz-Versammlung« eine Woche zuvor massiv ausuferte. 
Trotz Absage fanden sich am Samstag weit über 100 Personen in der Nähe des Wochenmarktes ein, wo eine »Grundgesetz-Versammlung« eine Woche zuvor massiv ausuferte.

Bereits am Freitagmorgen hatten die Veranstalter für Kempten bekannt gegeben, die von ihnen angemeldete Demo am Rathausplatz nicht zu veranstalten, da die Auflagen der Behörde »sehr unverhältnismäßig« seien. Dennoch fanden sich am Samstag zunächst am Rathausplatz, wo die Kundgebung unter dem Motto »Einschränkungen der Grundrechte aufheben« stattfinden sollte, einige Menschen ein.

Die Polizei erfuhr laut einer Pressemeldung erst kurz vor Beginn der Versammlung von der Absage. »Teilnehmer, die die Absage nicht mehr mitbekommen haben, wurden von Polizeikräften auf den Umstand aufmerksam gemacht«, schreibt die Polizei in der Meldung. Teilweise mussten die Beamten demnach Platzverweise aussprechen. Der Großteil der angesprochenen Personen sei den Anweisungen nachgekommen. Einige wenige Personen entfernten sich trotz mehrfacher Aufforderung jedoch nicht und wurden nach dem Infektionsschutzgesetz angezeigt.

»Auch am Residenzplatz hatte sich wiederum eine größere Personengruppe zusammengefunden, die nach ihrem Verhalten dort möglicherweise eine Versammlung abhalten wollten«, so die Polizei weiter. Auch diese seien des Platzes verwiesen worden. Einige reagierten auf die Aufforderung allerdings mit »Pfuuiii«-Rufen und verteilten sich in der näheren Umgebung.

So fanden sich dennoch weit über 100 Personen in der Nähe des Wochenmarktes ein, wo die selbe Versammlung eine Woche zuvor massiv ausuferte. Unter deren Teilnehmenden wurde bereits gleich auf die Versammlungsabsage am Freitag  ausdrücklich dafür geworden, sich an der Residenz zu versammeln. Teilnehmende demonstrierten erneut gegen »Bill Gates«, bezeichneten die BRD als »faschistoiden Hygienestaat«, wiesen sich mit Alu-Bommeln als »Querdenker« aus, warben für die »Mitmach-Partei« Widerstand2020 und die Deutsche Mitte, die als rechte Querfrontpartei mit Reichsbürger-Anleihen gehandelt wird. In Gesprächen ging es etwa um »Impfchips« oder die »BRD GmbH«, die das zentrale Motiv einer vor allem bei Reichsbürgern beliebten Verschwörungstheorie darstellen.

Erneut beteiligten sich auch Querfront-Aktivist_innen aus dem Umfeld der sogenannten Montagsmahnwache für den Frieden. Ein Journalist, der für Allgäu ⇏ rechtsaußen vor Ort recherchierte, wurde aus ihren Reihen bedroht und beleidigt. Bereits am Freitag traf sich eine kleine Gruppe zu einem »Spaziergang«, trug die Zeitung von »nicht ohne uns« als Erkennungszeichen und verbreitete Zettel gegen eine »Corona-Diktatur«. Auch diese unangemeldete Aktion bezog sich auf Widerstand2020. Eine Teilnehmerin entgegnete dem Photographen, der sie dabei beobachtete: »Heil Corona!«

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Wangen: »Unpolitisch« gegen »Notstands-Regime«

Den einzige Redner und Versammlungsleiter der Hygienedemo in Wangen wollen antirassistische Aktivist_innen erkannt haben. Am 29. Februar soll er demnach am Rande eines Wahlkampfstandes der AfD Teilnehmer_innen einer spontanen Gegenkundgebung bedrängt haben.

Auf dem Wangener Marktplatz fanden sich am Samstag rund 200 Personen ein. Einige waren augenscheinlich dort, um sich das Geschehen nur anzusehen, doch gut die Hälfte dürfte dem Aufruf von Gerhard Fiegl gefolgt sein, »für die sofortige Beendigung des Notstands-Regimes« eine »friedliche und unpolitische Kundgebung« abzuhalten. Wirklich unpolitisch lief die Versammlung freilich nicht ab.

Am Rande der Versammlung kam es zu Wortgefechten zwischen Verschwörungsgläubigen und Antifaschist_innen, die das Geschehen kritisch begleiteten. Unter den Teilnehmenden waren keine derartigen Auseinandersetzungen zu erkennen. Ein Teilnehmer beschriftete sein T-Shirt mit einem NS-relativierenden Spruch. Auch in Wangen waren Anspielungen auf Verschwörungstheorien, Alu-Bommel sowie Schilder mit der Aufschrift »(ver)fassungslos« zu sehen.

Schon im Vorfeld schrieb Gerhard Fiegl von einem »kranken Plan« der »Mächtigen« und verwies auf den antisemitischen Verschwörungsideologen Ken Jebsen. Beobachter wollen ihn erkannt haben. Er soll bereits im Februar am Rande eines Wahlkampfstandes der AfD in Lindenberg Teilnehmer_innen einer spontanen Gegenaktion bedrängt haben.

In Wangen trat Gerhard Fiegl als Versammlungsleiter und einziger Redner auf. Die behördlichen Versammlungsauflagen durfte er über den Lautsprecherwagen der Polizei verlesen. Dabei brachen die Teilnehmenden in lautes Gelächter und Pfeifen aus, als es darum ging, dass der Versammlungsleiter eine Teilnehmerliste vorrätig zu halten habe, um später gegebenenfalls Infektionsketten nachvollziehen zu können.

Gerhard Fiegls eigene Rede war dann mangels Technik kaum mehr zu verstehen, doch der Schwäbischen Zeitung liegt seine Rede vor: »Als Stichworte fallen die ›drohende Zwangsimpfung‹ und die ›bereits beschlossene Zwangs-Masernimpfung‹, eine Verschwörungstheorie, die vor allem auf Grundlage eines manipulierten Videos mit einer Rede des CDU-Bundestagsabgeordneten Rudolf Henke im Internet kursiert. Zwangsimpfungen sind nach dem Masernschutzgesetz nicht möglich.«

Die etwa 15minütige unverständliche Rede unterbrach eine Polizistin, um die Kundgebungsteilnehmer_innen aufzufordern, Masken aufzusetzen. Diese reagierten teils mit lauten Protestrufen. Darauf ließen es die Beamte nach einigem hin und her zunächst beruhen, bis die Versammlung nach einer knappen halben Stunde auf Druck der Polizei beendet wurde. Nach einer weiteren viertel Stunde hatte sich die Menge dann aufgelöst.

Ravensburg: Rechtsaußen-Redner und NS-Relativierung

Als sich in Ravensburg am Samstag Hunderte gegen die Maßnahmen auf Grund der Corona-Pandemie versammeln, beteiligen sich auch Neonazis und ein bekannter Rechtsaußen-Redner. Wieder waren Reden NS-relativierend und vom Verschwörungsglauben geprägt.

Mehr zu diesem Thema:  MIt Rechtsaußen-Redner und NS-Relativierung gegen Corona-Maßnahmen

Memmingen: »Widerstand 2020« und »Wir sind das Volk«

Trotz Absage tauchte auch die eigentliche Anmelderin mit »Widerstand 2020«-Weste auf der Versammlung in Memmingen auf und stimmte die einst bei Pegida beliebte Parole »Wir sind das Volk« an. Sprechchöre stimmten mit ein.
Trotz Absage tauchte auch die eigentliche Anmelderin mit »Widerstand 2020«-Weste auf der Versammlung in Memmingen auf und stimmte die einst bei Pegida beliebte Parole »Wir sind das Volk« an. Sprechchöre stimmten mit ein.

Auch in Memmingen sagte die Veranstalterin ihre Versammlung im Vorfeld ab. Als die Veranstaltung um 16 Uhr hätte beginnen sollen, sammelten dennoch bereits 50 Personen auf dem Marktplatz. Schnell wuchs die Demonstration auf 150 Personen an. Darunter auch die ursprüngliche Anmelderin in einer gelben Warnweste mit dem Schriftzug »Widerstand 2020«. Sie stimmte die einst bei Pegida und heute auf den sogenannten Grundgesetz-Demos beliebte Parole »Wir sind das Volk« an. Mit Sprechchören antworteten weitere Teilnehmende.

»Zwar gab sich eine Versammlungsleitung nicht zu erkennen, die Versammlung verlief aber ausgesprochen friedlich«, berichtet die Polizei später in einer Mitteilung an die Presse. Auch die persönlichen Abstände seien eingehalten worden. Das schlechte Wetter leitete nach rund einer Stunde da Ende der Versammlung ein. Dennoch half die Polizei mit Platzverweisen nach, da sich einige Teilnehmer »nicht rasch genug« entfernten, so die Polizei. Nun werde geprüft, ob Verstöße gegen das Versammlungsgesetz vorlägen.

»Etwas erschreckend« fand der Allgäuer Journalist Thomas Pöppel »so einige Gespräche mit Leuten, die alles in Frage stellen, wie die Gefährlichkeit des Virus, die Ansteckungsgefahr, die Fallzahlen, die Maßnahmen.« Auch Werbung für das Reichsbürger-Projekt staatenlos.info wurde auf der Versammlung gesehen.

Mehr zu diesem Thema:  Solidarität statt Querfront

In Pfaffenhofen a. d. Roth, Buchloe, Kaufbeuren-Neugablonz, Oberstdorf, Krumbach sowie am Oberstdorfer Grenzübergang zum Kleinwalsertal fanden ebenfalls entsprechende Kundgebungen statt. Welche Inhalte die demonstrierenden dort verbreiteten, wurde bislang allerdings nichts bekannt. Die Polizei schweigt sich hierzu grundsätzlich aus.


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2 Gedanken zu „COVID-19-Querfront demonstriert überall im Allgäu“

  1. Uns ist ein Fehler unterlaufen. In der ursprünglichen Version dieses Artikel hieß es: »Schon im Vorfeld warb Gerhard Fiegl für die »Mitmach-Partei« Widerstand2020, schrieb von einem »kranken Plan« der »Mächtigen« und verwies auf den antisemitischen Verschwörungsideologen Ken Jebsen.« Der Verweis auf Widerstand2020 ist falsch und nun gestrichen.

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