Das Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) des Bundes tagt unter Anderem beim Bundeskriminalamt (BKA) mit Sitz in Wiesbaden. Innerhalb von zwei Jahren beschäftigten sich das GTAZ drei Mal mit Voice of Anger.

Voice of Anger: Behörden des Bundes tappen im Dunkeln

Obwohl sich das Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum des Bundes in den vergangenen zwei Jahren mehrfach mit Voice of Anger beschäftigte, liegen den Behörden an entscheidenden Stellen kaum Informationen über die Allgäuer Neonazikameradschaft vor.

Im Allgäu und Oberschwaben lässt sich eine Zunahme der Aktivität rechtsextremer Gruppierungen feststellen, die sich unter anderem durch vermehrte Konzertveranstaltungen der Szene bemerkbar macht. Deshalb wandte sich der Kemptener Bundestagsabgeordnete Stephan Thomae zusammen mit seiner Fraktion und dem FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner mit einem Fragenkatalog zur Ausbreitung von Voice of Anger an die Bundesregierung. Die Politiker bezogen sich auch auf die Berichterstattung von Allgäu ⇏ rechtsaußen. Nun liegt die Antwort vor.

Voice of Anger beschäftigt Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum

 »Voice of Anger« am 28.10.2017 beim »Rock gegen Links« in Themar © Thomas Witzgall, Endstation rechts
»Voice of Anger« am 28.10.2017 beim »Rock gegen Links« in Themar © Thomas Witzgall, Endstation rechts

Demnach haben sich Verfassungsschützer und die Ermittler der Bundes- und Landeskriminalämter zwischen dem 24. August 2016 und dem 24. August 2018 mehrfach auf Bundesebene über die Skinheadgruppe aus dem Allgäu ausgetauscht.  Im Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) ist ein Arbeitskreis von über 40 Bundes- und Landesbehörden zur Abwehr von extremistischen und terroristischen Gefahren.

Worum es bei den Gesprächen des GETZ konkret ging und welche Erkenntnisse daraus gewonnen wurden, dazu schweigt die Bundesregierung. Die Frage der Abgeordneten wird kommentarlos übergangen. Andere Fragen möchte die Regierung »aus Gründen des Staatswohls nicht« beantworten, wie es heißt. Die Bundesregierung hält die Angefragten Informationen » für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden« könne. So wird nicht beantwortet, ob Voice of Anger oder die Einzelmitglieder der Neonazigruppierung Beobachtungsobjekt des Bundesverfassungsschutzes sind und wie viele Mitglieder und Unterstützer in der Rechtsextremismusdatei (RED) gespeichert sind. Die Behörden in Bayern beobachten Voice of Anger seit Jahren.

Straftaten nicht systematisch erfasst

Schlagstöcke und Nazirock – bei der »Oldschool Records«-Razzia sichergestellte Gegenstände
Schlagstöcke und Nazirock – bei einer Oldschool Records-Razzia sichergestellte Gegenstände (Bild: Polizei)

In wie vielen Fällen seit dem Jahr 2015 Personen, die dem Mitglieder- und Unterstützerkreis von Voice of Anger zugerechnet werden können, strafrechtlich auffielen, kann die Bundesregierung ebenfalls nicht beantworten. So übermitteln zwar die zuständigen Landeskriminalämter dem  Bundeskriminalamt (BKA) die politisch motivierte Kriminalität. Die Zugehörigkeit zu rechtsradikalen Organisationen wird allerdings nicht systematisch erfasst, wie die Bundesregierung schreibt.

So konnte für die Suchbegriffe »Voice of Anger« und »Oldschool Records«, einem rechtsradikalen Musiklabel aus dem Umfeld der Allgäuer Skinheads, nur je ein Treffer in der Fallzahlendatei erfolgen. Dementsprechend kann die Bundesregierung die Frage der FDP-Abgeordneten nicht beantworten, in wie vielen Fällen das Umfeld von Voice of Anger mit Körperverletzungs- und Raubdelikten, Straftaten gegen das Leben und Verstößen gegen das Waffenrecht auffällig geworden ist.

Verbindungen zu militanten und terroristischen Gruppierungen im In- und Ausland im Dunkeln

Keine Verbindungen zu Blood&Honour im Ausland? Das Photo zeigt einen Allgäuer Anhänger von Voice of Anger in Italien. Er trägt ein Shirt mit der Aufschrift »Blood&Honour Deutschland«, auf seinem Unterarm einen Zahlencode, der auf die verbotene Gruppe verweist. Neben ihm sitzt ein Mitglied der schwedischen Band Pitbullfarm, die beim Allgäuer Label Subcultural Records, einem Nebenprojekt von Benjamin Einsiedlers Oldschool Records, zum selbst produzierten Sortiment gehört.
Keine Verbindungen zu Blood&Honour im Ausland? Das Photo zeigt einen Allgäuer Anhänger von Voice of Anger neben einem schwedischen Kameraden in Italien. Der Allgäuer trägt ein Shirt mit der Aufschrift »Blood&Honour Deutschland«, ein Zahlencode auf seinem Unterarm steht für die verbotene Gruppe. (Screenshot Antifainfoblatt)

Gar keine Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor, mit denen sie die abschließenden fünf Fragen der Parlamentarier beantworten kann:

  • »16. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Kontakte bzw. Kooperationen der Gruppe „Voice of Anger“, ihrer Mitglieder und Unterstützer mit rechtsextremen Vereinigungen, Bewegungen etc. in anderen Staaten?
  • 17. Hat die Bundesregierung Kenntnis von konkreten Treffen von Mitgliedern und Unterstützern von „Voice of Anger“ mit rechtsextremen Vereinigungen, Bewegungen etc. in anderen Staaten?
  • 18. Bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung Verbindungen der Gruppe „Voice of Anger“, ihrer Mitglieder und Unterstützer zur „Blood and Honour“-Bewegung im In- und Ausland?
    Wenn ja, welche?
  • 19. Bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung Verbindungen der Gruppe „Voice of Anger“, ihrer Mitglieder und Unterstützer zu „Combat 18“-Gruppen im In- und Ausland?
    Wenn ja, welche?
  • 20. Bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung Verbindungen der Gruppe „Voice of Anger“, ihrer Mitglieder und Unterstützer zu Mitgliedern und zum weiteren Umfeld der rechtsterroristischen Gruppierung „NSU“?
    Wenn ja, welche?«

Dazu heißt es schlicht: »Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.«


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