Das Allgäu entwickelte sich in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs zu einem Zentrum der Flugzeugindustrie in Süddeutschland. Mit den Rüstungsbetrieben kamen auch Tausende von Zwangsarbeitern, unter ihnen zahlreiche KZ-Häftlinge. Historiker Markus Naumann zeigt in »Spuren im Wald« am Beispiel des Zweigwerks der Firma Messerschmitt in Fischen deren wirtschaftliche, soziale und lokalpolitische Dimensionen auf.
Unter Werkzeugbau Kottern, Tochterunternehmen von Messerschmitt in Augsburg, verbirgt sich das Dachauer KZ-Außenlager Kottern/Weidach bei Kempten. Die Arbeit gibt detaillierte Einblicke in das Zusammenwirken der Rüstungsindustrie, der SS und der für Zwangsarbeiter zuständigen Behörden. Insbesondere wird die Geschichte des KZ-Außenlagers Fischen/Langenwang dargestellt, das quasi als »Außenlager« des Außenlagers Kottern/Weidach nach dessen Bombardierung 1944 entstand.
Alltag der Häftlinge
Von einer nahezu kompletten Namensliste der Fischinger Häftlinge, deren Nöten mit den hygienischen Verhältnissen und mangelnder Versorgung mit Kleidung und Schuhen, ihrem Umgang mit der örtlichen Bevölkerung, bis zu den Details ihrer Freilassung erfährt man viel Wissenswertes:
Ein Häftling des Verpflegungstrupps flirtete mit einer Bäckereiverkäuferin, währenddessen seine Kameraden ein paar Kipf Brot extra in die Körbe fallen liessen. Auch legten einige Fischinger Einwohner Lebensmittel an den Wegesrand, den die Häflinge zu den Werksanlagen morgens und abends marschierten. Ebenso steckten die Meister und Vorarbeiter im Werk den Häftlingen (und Zwangsarbeitern) immer wieder mal was zu.

Solidarität der Häftlinge untereinander
Interessant ist auch die Solidarität der Häftlinge untereinander, vor allem innerhalb ihrer nationalen Zugehörigkeit: 13 österreichischen Häftlingen, sämtlich Kommunisten und Spanienkämpfer, gelang es, sich gezielt in das Außenlager Fischen verlegen zu lassen. Als die SS-Wachen bei Herannahen der französischen Streitkräfte flüchteten und die Häftlinge sich selbst überliessen, organisierten sie sich gleich Fahrräder und machten sich auf den Weg nach Wien. Mit Verpflegung sollen sie kein Problem gehabt haben: wenn sie in dieser Anzahl bei Bauern und Gaststätten ihr Anliegen vortrugen und höflich um Essen baten, hatten sie immer Erfolg.
An Hand vieler Dokumente und Briefe erkennt man die fast bis zuletzt funktionierende Bürokratie: Da wurden in den letzten Kriegsstunden noch lange Schreiben in die Maschine getippt, ob nun die Miete für diese oder jene Baracke gerechtfertigt ist oder nicht.
Markus Naumann: Spuren im Wald. Messerschmitt/Werkzeugbau Kottern und das KZ-Außenlager in Fischen, Likias Verlag, 86316 Friedberg, 269 Seiten, 24,80 EUR.
Ein Gedanke zu „Spuren im Wald“