Drei Anschläge mit Brand- und Sprengsätzen auf Unterkünfte für Geflüchtete, 20 rechtsmotivierte gut zur Hälfe bewaffnet, gemeinschaftlich oder in einer sonstigen lebensgefährlichen Weise begangene Körperverletzungsdelikte, mehr als ein Dutzend Bedrohungen und Nötigungen, ein bewaffneter Neonaziaufmarsch und zwei Aufgriffe bewaffneter Rechtsradikaler. Das ist die schockierende Bilanz der vergangenen vier Jahre extrem rechter Umtriebe im südlichen Teil Schwabens. Dazu kommen mehr als 530 registrierte Propagandadelikte: Volksverhetzende Äußerungen gegen Andersdenkende, vermeintliche Ausländer, Homosexuelle oder Juden und die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wie Hakenkreuze oder Abzeichen der Wehrmacht. Wir haben uns die Zahlen ganz genau angesehen und die Hotspots neonazistischer Aktivitäten ausgemacht.
Im März diesen Jahres richtete der bayerische Landtagsabgeordnete Paul Wengert eine parlamentarische Anfrage die Staatsregierung des Freistaats. Der SPD-Politiker fragte unter anderem, wie viele Straftaten mit extrem rechtem Hintergrund im Regierungsbezirk Schwaben seit 2013 registriert wurden. Darauf legte das bayerische Innenministerium eine Liste von 1024 Straftaten vor, die die Polizeipräsidien Schwaben Nord und Schwaben Süd/West als politisch motivierte Kriminalität aus dem »Phänomenbereich Rechts« gewertet und an das bayerische Landeskriminalamt gemeldet haben.
Aufwärtstrend bei rechten Straftaten
Die im Bereich Schwaben von der Polizei als politisch rechts motiviert registrierten Straftaten zeigen nach den Zahlen des Ministeriums seit 2013 einen deutlichen Aufwärtstrend. Zwar gab es 2015 einen Einbruch, der jedoch nicht das Niveau des Vorjahres erreichte. Seitdem steigen die Zahlen wieder. Im ersten Quartal diesen Jahres wurden bereits 37 Fälle registriert. Erfahrungsgemäß sind Nachmeldungen zu befürchten, wodurch diese vorläufige Zahl wohl noch nach oben korrigiert werden müsste.
Während der Polizei nach eigenen Angaben 2016 bei etwas über 70 % die Aufklärung gelang, ist die Aufklärungsquote bei Straftaten aus der extremen Rechten deutlich geringer. Nach einer Spitze 2014 mit 71,9 % ist die Quote im letzten Jahr wieder auf 59,4 % gesunken. Für die ersten drei Monate 2017 beträgt sie vorläufig sogar nur 47,4 %.
Übergewicht rechter Taten in Südschwaben
Im direkten Vergleich der Regionen zeigt sich ein deutliches Übergewicht rechter Straftaten im Bereich des Polzeipräsidiums Schwaben Süd/West. Schon die bloßen Fallzahlen sind in dieser Region mit 699 rechten Taten in etwa doppelt so hoch wie im Norden der Region wo das zuständige Polizeipräsidium 343 Straftaten als rechtsmotiviert klassifiziert hat.
Setzt man die Fallzahlen in Relation zu den Einwohnerzahlen der beiden Regionen, fällt das Übergewicht noch deutlich eklatanter aus. Das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West ist zuständig für etwa 690.000 Einwohner in den Landkreisen Günzburg, Lindau am Bodensee, Neu-Ulm, Oberallgäu, Ostallgäu und Unterallgäu, sowie die kreisfreien Städte Kaufbeuren, Kempten und Memmingen. Das Polizeipräsidium Schwaben Nord deckt mit rund 600.000 etwas weniger Einwohner in der Stadt Augsburg, den Landkreisen Augsburg, Aichach-Friedberg, Dillingen und Donau-Ries ab.
Hotspots rechter Straftaten im Allgäu: absolut
Die Stadt Augsburg führt das Ranking der Fallzahlen mit 174 politisch rechts motivierten Straftaten an – dicht gefolgt von Memmingen mit nur zehn Vorfällen weniger. Darauf folgen Kempten, Kaufbeuren und Mindelheim, die allesamt im südlichen Bereich Schwabens liegen. Erst nach Krumbach auf Position zehn folgt mit Nördlingen wieder eine Stadt aus dem Norden des Regierungsbezirks. Ähnlich geht es weiter bis zu den Ortschaften, in denen weniger als 10 Taten registriert wurden. Erst dort unten im Ranking tauchen vermehrt Einträge aus Nordschwaben auf.
Das gleiche Bild zeigt sich bezüglich der Kreise. Mit 121 Taten führt der Landkreis Unterallgäu das entsprechende Ranking an. Es folgen Günzburg (78 Fälle), Ostallgäu (75) und Oberallgäu (71). Erst danach schließen sich die Gebiete aus Nordschwaben an. Lindau ist mit 23 Fällen am geringsten belastet.
Hotspots rechter Straftaten im Allgäu: relativ
Als äußerst interessant erweist sich die Betrachtung der Hotspots rechter Straftaten im Allgäu in Relation zu den jeweiligen Einwohnerzahlen. Spitzenreiter sind auch hier die Landkreise Unterallgäu, Günzburg, Ostallgäu und Oberallgäu. Erst ab Position fünf zeigen sich nordschwäbische Kreise. Lindau tauscht in diesem Fall den Platz mit dem Landkreis Aichach-Friedberg und rückt auf den vorletzten Platz auf.
Augsburg als drittgrößte Stadt Bayerns fällt nun erwartungsgemäß zurück und wird weit abgeschlagen. Ansonsten bleibt aber das aber Bild wie bereits gezeigt: Memmingen und andere Orte aus dem Allgäu, vornehmlich dem Unterallgäu bilden die Spitze. Erst auf den Plätzen fünf, elf und 19 erscheinen erstmals Gemeinden aus dem Norden Schwabens.
Eine sicherlich spannende spätere Recherche wird sich der Frage nähern müssen, was wohl die Ursachen einer solch hohen Konzentration rechter Taten in einigen dieser Orte sind.
Fazit
Die Hotspots der von Neonazis und anderen Rechtsradikalen in Schwaben verübten Straftaten befinden sich eindeutig im Allgäu und dem angrenzenden Landkreis Günzburg. Das gilt sowohl dann, wenn wir die absoluten Zahlen betrachten als auch dann, wenn wir sie in Relation zu den jeweiligen Einwohnerzahlen setzen – egal, ob auf Landkreis- oder Gemeindeebene. Daran kann nach unserer Analyse der vom bayerischen Innenministerium vorgelegten Zahlen kein Zweifel sein.
3 Gedanken zu „Wo brennts? Die Hotspots rechtsradikaler Taten im Allgäu“