Im Kampf gegen sogenannte Hasskommentare durchsuchte die Polizei Bundesweit Wohnungen von Verdächtigen.

Razzien gegen terroristische Reichsbürger auch im Allgäu und Oberschwaben

Am Mittwoch ließ der Generalbundesanwalt bundesweit Razzien und Festnahmen gegen eine terroristische Reichsbürger-Gruppierung durchführen. Dabei kam es auch zu Aktionen im Ostallgäu und Bodenseekreis.

Die Bundesanwaltschaft hat am Mittwoch in den frühen Morgenstunden auf Grundlage von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs 22 mutmaßliche Mitglieder sowie drei mutmaßliche Unterstützer*innen einer terroristischen Vereinigung aus dem Reichsbürger-Milieu festnehmen lassen. Das geht aus Pressemitteilungen des Generalbundesanwalts hervor.

Bei den mutmaßlichen Vereinigungsmitgliedern handelt es sich demnach um die deutschen Staatsangehörigen Maximilian E., Michael F., Paul G. Norbert G. Markus H. Frank H., Matthias H., Ruth L., Birgit M.-W., Andreas M., Thomas M., Harald P., Heinrich XIII P. R., René R., Melanie R., Ralf S., Wolfram S., Thomas T., Marco v. H., Rüdiger v. P., Christian W. und Peter W. Als mutmaßliche Unterstützer*innen nahmen die Ermittler*innen die russische Staatsangehörige Vitalia B., den deutschen Staatsangehörigen Alexander Q. und den deutschen Staatangehörigen Frank R. fest.

Die Festnahmen erfolgten an verschiedenen Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Thüringen sowie in einem Fall in Österreich (Kitzbühel) und in Italien (Perugia). Zeitgleich wurden dort und in anderen Bundesländern (Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland) richterlich angeordnete Durchsuchungsmaßnahmen in bislang über 130 Objekten stattgefunden. Die Maßnahmen richten sich auch gegen weitere 27 Beschuldigte. Auch Räumlichkeiten von nichttatverdächtigen Personen wurden durchsucht.

Auch das Allgäu und Oberschwaben waren von den Aktionen betroffen. So fanden im Bodenseekreis vier der Razzien bei zwei Personen statt und im Ostallgäu wurde ein Objekt durchsucht. Das bestätigt die Bundesanwaltschaft auf Anfrage von Allgäu rechtsaußen.

Die festgenommenen Beschuldigten sind laut Generalbundesanwalt dringend verdächtig, sich in einer inländischen terroristischen Vereinigung mitgliedschaftlich betätigt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder im Falle von Vitalia B., Alexander Q. und Frank R. eine solche Vereinigung unterstützt (§ 129a Abs. 5 S. 1 StGB) zu haben. Die mutmaßlichen Vereinigungsmitglieder Heinrich XIII P. R. und Rüdiger v. P. sollen als Rädelsführer agiert haben (§ 129a Abs. 4 StGB).

Konglomerat aus Verschwörungsmythen führt zu bewaffneten Umsturzplänen

Die festgenommenen Beschuldigten gehören nach den Ermittlungen zu einer spätestens Ende November 2021 gegründeten terroristischen Vereinigung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen. Den Angehörigen der Vereinigung sei bewusst, dass dieses Vorhaben nur durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten verwirklicht werden kann. Hierzu zählt auch die Begehung von Tötungsdelikten. Die Beschuldigten verbinde eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, die im Laufe der Zeit bei ihnen den Entschluss habe wachsen lassen, sich an ihrer gewaltsamen Beseitigung zu beteiligen und hierfür in konkrete Vorbereitungshandlungen einzutreten.

Die Mitglieder der Gruppierung folgen laut Bundesanwaltschaft einem Konglomerat aus Verschwörungsmythen bestehend aus Narrativen der sogenannten Reichsbürger- sowie QAnon-Ideologie. Sie sind der festen Überzeugung, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogenannten »Deep State« regiert werde. Befreiung verspreche nach Einschätzung der Mitglieder der Vereinigung das unmittelbar bevorstehende Einschreiten der »Allianz«, eines technisch überlegenen Geheimbundes von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten, einschließlich der Russischen Föderation sowie der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Vereinigung sei der festen Überzeugung, dass sich Angehörige der »Allianz« bereits in Deutschland aufhalten und deren Angriff auf den »Deep State« zeitnah bevorstehe.

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Militärische Übergangsregierung soll mit der Russischen Föderation verhandeln

Die Bekämpfung der verbleibenden Institutionen und Repräsentanten des Staates sowie die Absicherung der Macht sollten durch die Vereinigung und ein deutschlandweites Netz von ihr gegründeter »Heimatschutzkompanien« übernommen werden. Diese gewaltsame Beseitigung des demokratischen Rechtsstaats auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen solle durch Angehörige eines »militärischen Arms« durchgeführt werden. Der Vereinigung sei zwar bewusst, dass es dabei auch zu Toten kommen werde. Sie nehme dieses Szenario aber als notwendigen Zwischenschritt zur Erreichung des von ihr angestrebten »Systemwechsels auf allen Ebenen« zumindest billigend in Kauf.

Hierzu soll von der Vereinigung eine (militärische) Übergangsregierung gebildet werden, die nach der Vorstellung der Vereinigungsmitglieder dem klassischen Reichsbürgernarrativ entsprechend die neue staatliche Ordnung in Deutschland mit den alliierten Siegermächten des 2. Weltkriegs verhandeln soll. Zentraler Ansprechpartner für diese Verhandlungen ist aus Sicht der Vereinigung derzeit ausschließlich die Russische Föderation. Der Beschuldigte Heinrich XIII P. R. hat auch bereits Kontakt mit Vertretern der Russischen Föderation in Deutschland aufgenommen. Nach den bisherigen Ermittlungen gibt es allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ansprechpartner auf sein Ansinnen positiv reagiert haben.

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Militärische »Heimatschutzkompanien« rekrutierten bei Polizei und Bundeswehr

Auf der Basis dieser Ideologie hätten die Beschuldigten spätestens seit Ende November des Jahres 2021 mit sich seitdem immer weiter in ihrer Intensität steigernden Vorbereitungen begonnen. Diese umfassen die Planung verwaltungsähnlicher Strukturen, die Beschaffung von Ausrüstung, die Durchführung von Schießtrainings sowie die Rekrutierung neuer Mitglieder. Zentrales Gremium der Gruppierung sei der »Rat«, dem Heinrich XIII P. R. vorstehe. Er gelte innerhalb der Vereinigung als zukünftiges Staatsoberhaupt. Als sein persönlicher Referent fungiere Thomas T. Die Mitglieder des »Rates« hätten sich seit November 2021 regelmäßig im Verborgenen getroffen, um die angestrebte Machtübernahme in Deutschland und den Aufbau eigener Staatsstrukturen zu planen. Das Gremium verfügt ähnlich wie das Kabinett einer regulären Regierung über verschiedene Ressorts, beispielsweise »Justiz«, »Außen« und »Gesundheit«. Für die Leitung solcher Ressorts seien jedenfalls die Beschuldigten Birgit M.-W., Paul G., Ruth L., René R. und Melanie R. vorgesehen.

Angegliedert an den »Rat« ist der »militärische Arm«. Einige seiner Mitglieder hätten in der Vergangenheit aktiv Dienst in der Bundeswehr geleistet. Diesem Teil der Vereinigung obliegt es, die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt durchzusetzen. Bewerkstelligt werden soll dies über ein bereits im Aufbau befindliches System sogenannter »Heimatschutzkompanien«, mithin von militärisch organisierten, in der Planung auch bewaffneten Verbänden. An der Spitze des »militärischen Arms« steht Rüdiger v. P. Dieser hat einen Führungsstab eingesetzt, dem die Beschuldigten Maximilian E., Michael F., Frank H., Thomas M., Wolfram S., Marco v. H., Christian W. und Peter W. angehören. Der Führungsstab befasste sich unter anderem mit der Rekrutierung neuer Mitglieder, der Beschaffung von Waffen und anderen Ausrüstungsgegenständen, dem Aufbau einer abhörsicheren Kommunikations- und IT-Struktur, der Durchführung von Schießübungen sowie Plänen für die künftige Unterbringung und Verpflegung der »Heimatschutzkompanien«. In die Umsetzung dieser Maßnahmen waren auch die Beschuldigten Norbert G., Markus H., Matthias H., Harald P. und Ralf S. eingebunden.

Im Fokus der Rekrutierungsbemühungen der Vereinigung standen vor allem Angehörige der Bundeswehr und Polizei. In Umsetzung dieses Ziels kam es im Sommer 2022 zumindest in Baden-Württemberg jedenfalls zu vier Treffen, anlässlich derer u.a. der Beschuldigte Rüdiger v. P. für die Gruppierung und ihre Ziele geworben hat. Im November 2022 versuchten die Beschuldigten Rüdiger v. P., Marco v. H, Michael F., und Thomas M. in Norddeutschland gezielt Polizeibeamte für die Vereinigung zu gewinnen. Im Oktober 2022 kundschafteten Angehörige des »militärischen Arms« Bundeswehrkasernen in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern aus, um sie auf ihre Tauglichkeit für die Unterbringung eigener Truppen nach dem Umsturz zu inspizieren.

Kontaktaufnahme zur Russischen Föderation und Vorbereitung zum bewaffneten Eindringen in Bundestag

Vitalia B. sei dringend verdächtig, die Vereinigung insbesondere dadurch unterstützt zu haben, dass sie dem Beschuldigten Heinrich XIII P. R. bei der Kontaktaufnahme zu Vertretern der Russischen Föderation behilflich war. Alexander Q. wird Unterstützung zur Last gelegt, weil er für die Vereinigung öffentlich in Internetforen geworben hat. Frank R. soll in die Aufgaben des »militärischen Arms« unterstützend eingebunden gewesen sein.

Nach den bisherigen Ermittlungen bestehe zudem der Verdacht, dass einzelne Mitglieder der Vereinigung konkrete Vorbereitungen getroffen haben, mit einer kleinen bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Deutschen Bundestag einzudringen. Die Einzelheiten sind noch aufzuklären. Die weiteren Ermittlungen dienen auch zur Feststellung, ob der Straftatbestand der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund (§ 83 Abs. 1 StGB) verwirklicht wurde.

An den Ermittlungen waren auch das Bundeskriminalamt, die Landeskriminalämter in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst sowie die Landesämter für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen und Thüringen beteiligt. An den Razzien nahmen über 3.000 Sicherheitskräfte und Polizist*innen des Bundeskriminalamts, Spezialkräfte der Bundespolizei, der vorgenannten Landeskriminalämter sowie weitere Polizeikräfte aus Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Thüringen teil.


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