Rechtsrock gilt als Bindeglied und Radikalisierungsinstrument bis hin zum Terror. Zwei Indizierungen zeigen, wie auch die Allgäuer Szene diese Dynamik befeuert.
Die Einstiegsdroge Nummer eins in rechtsradikale Kreise ist nach wie vor die Musik. Mit aggressiven rassistischen, antisemitischen und antidemokratischen Texten popularisieren die Bands der Szene neonazistische Argumentationsmuster und Einstellungen. Die Musik ist ein bedeutsames Medium, um speziell bei Jugendlichen Interesse zu wecken, sie damit an die Szene heranzuführen, zu binden und zu radikalisieren. In letzter Konsequenz bildet die neonazistische Musikszene ein Milieu, aus dem heraus rechtsterroristische Taten wie die des NSU geplant, vorbereitet und begangen werden können. Zwei jüngere Indizierungen von aus der Allgäuer Szene herausgegebenen Tonträgern zeigen, wie auch sie diese Dynamik befeuert.
Die von dem Bad Grönenbacher Szeneunternehmen Oldschool Records produzierten Tonträger setzte die Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Medien (BPJM) im Jahr 2019 auf den Index, sodass sie nicht mehr offen verkauft werden dürfen. Denn der Neonazi-Plattenproduzent Benjamin Einsiedler verbreitete darauf ein Bekenntnis zum seit 20 Jahren in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerk Blood&Honour, die Verherrlichung des Nationalsozialismus sowie gewaltanreizende antisemitische und rassistische Texte. Darin sah die BPJM eine offensichtliche Jugendgefährdung und indizierte die Platten. Konkret geht es um Titel der Bands Heiliger Krieg und Spreegeschwader.
Heiliger Krieg: Aufbruchsstimmung für ein nationalsozialistisches Deutschland
So hetzt die Gruppe Heiliger Krieg in ihren Texten gegen Homosexuelle und verherrlicht den Nationalsozialismus und seine Ideologie. In einem Song werde das »heilige Vaterland« Deutschland so wie im Dritten Reich mit dem Hitlergruß gegrüßt. Der stehe im Text in einem positiven Zusammenhang, so die BPJM: »Es wird Aufbruchsstimmung erzeugt und der Eindruck erweckt, als bewege man sich auf ein erstrebenswertes Ziel zu – nämlich das Deutschland, wie es früher zur Zeit der Herrschaft der Nationalsozialisten war.«
Das Gremium befürchtet, dass die nationalsozialistischen Parolen auf dem Tonträger auf Kinder und Jugendliche »eine überaus vereinnahmende Wirkung« hätten. Das sei gerade dann der Fall, wenn sie wie Heiliger Krieg es teilweise tut, in englischer Sprache »gefälliger und zugänglicher« daherkämen, »sodass die erhöhte Gefahr besteht, dass die Hörenden erst die Parole „Sieg Heil“ für sich vereinnahmen und sodann die verfassungsfeindliche Ideologie übernehmen.«
Spreegeschwader: »Widerstand« gegen rassistisch konstruierte Feindbilder
Die Titel von Spreegeschwader wirken laut BPJM verrohend und reizen »zum Rassenhass«: Sie vermitteln demnach »gewaltanreizende, antisemitische, fremdenfeindliche Inhalte«. Auch Spreegeschwader verherrlicht den Nationalsozialismus. Darüber hinaus enthalte die CD erneut Titel, die zuvor bereits Gegenstand von Indizierungsentscheidungen waren und dort auch als entscheidungsrelevant eingestuft wurden.
Auf dem Tonträger »werden Ausländer durch Auflistung angeblicher Fakten als gesellschaftlicher Ballast diffamiert.« Ein zentraler Begriff ist dabei »Multikulti«, mit dem Rechte das Zusammenleben verschiedener Nationalitäten angreifen. In einer Textpassage werde »ein direkter Zusammenhang zwischen „Multikulti“ und der Kriminalität im schwersten Ausmaß – Drogen, Gewalt und Mord – geschaffen.« Die Band suggeriere, entsprechende Kriminalität ginge vorwiegend von Nicht-Deutschen aus. Zugleich »wird unterstellt, dass Ausländer größtenteils arbeitslos seien und daher keinen gesellschaftlichen Beitrag liefern würden«, wobei Arbeitslosigkeit negativ konnotiert sei. Überdies würden Asylsuchende und angehörige vermeintlich fremder Religionen und Kulturen als schädlich bezeichnet.
In einem weiteren Song werde in jugendgefährdender Weise zum »Widerstand« gegen »Multikulti« und damit zur Ausgrenzung und Diskriminierung von vermeintlich nicht-deutschen Personen aufgerufen: Der Text schließt mit den Worten »Widerstand ist unsere Pflicht«.
Aufruf zur Unterstützung von Blood&Honour
Der Titel »Ein Blick zurück« schließlich sei ein persönlicher Rückblick des Interpreten. Er beziehe sich hier auf seine Zugehörigkeit und politische Nähe zu den Hammerskins, den Vandalen und der in Deutschland verbotenen Vereinigung Blood&Honour, die er rückblickend als wunderbar beschreibe und mithin auch die ideologischen Inhalte der vorgenannten Vereinigungen positivierend darstelle.
Der Interpret lege den Hörenden nahe, sich auch in einem dieser rassistischen und nationalsozialistisch geprägten Netzwerke zu engagieren. Er selbst habe »nie kapituliert«. Die direkt daraufhin folgende Aussage »wer nicht kämpft hat schon verloren« stellt nach Ansicht des Gremiums der BPJM einen direkten Aufruf dar, sich in diesen Vereinigungen zu engagieren. Durch diese Lobpreisung werde über die Identifikation mit jenen Vereinigungen hinaus die ihnen zugrunde liegende nationalsozialistisch geprägte Ideologie verherrlicht.
Rassenkrieg, Nationalsozialismus und Schießübungen
Blood&Honour (zu deutsch »Blut und Ehre«) war zur Zeit des Nationalsozialismus ein Schlagwort der Hitlerjugend. Unter dem selben Namen macht seit Jahrzehnten ein militantes Neonazinetzwerk nicht nur musikalisch mit der Verbreitung von Aufrufen für Rassenkrieg und Nationalsozialismus von sich reden. So wurde etwa der NSU noch im Untergrund maßgeblich von Teilen der in Deutschland seit 20 Jahren verbotenen Gruppierung unterstützt. International machte der selbsternannte militärische Arm von Blood&Honour, Combat 18 (»Kampf für Adolf Hitler«), mit terroristischen Anschlägen von sich reden.
Auch die Allgäuer Szene fällt seit Jahrzehnten mit engsten Kontakten zu diesen Gruppierungen auf. So besuchte etwa der kanadische Neonazi David Allan Surette alias „Griffin“ 2016 das Clubhaus der Neonazigruppe. Surette gilt als Anhänger von Blood&Honour und Ehrenmitglied der Vandalen. Photos zeigen Anhänger von Voice of Anger selbst Arm in Arm mit Szenegrößen in Großbritannien und an anderen Orten. Zuletzt produzierte Oldschool Records ein neues Album von Brutal Attack. Die Briten gehören zum Gründerkreis von Blood&Honour. Auf dem Computer von Plattenproduzent und Voice of Anger-Kopf Benjamin Einsiedler befanden sich Photos, die seine Kameraden beim Schießtraining zeigen. Darauf ist neben Waffen und Munition an einem Schießstand zu sehen, dass Voice of Anger offenbar nicht nur das Schießen auf Zielscheiben trainiert. Neben diesen sind Bilder jüdischer Geistlicher zu sehen.
Ein Gedanke zu „Oldschool Records: Aufruf für verbotenes Neonazi-Netzwerk“