Für einen vernünftigen Umgang mit der Krise und eine solidarische Gesellschaft demonstriert am Samstag vor der Residenz die Seebrücke mit anderen Gruppen gegen die dort üblicherweise zu sehende »Corona-Querfront«.
Trotz Dauerregen demonstrierten am Samstag erneut Aktivist_innen zwischen Residenz und Basilika in Kempten. An diesem Wochenende sind die Forderungen der Versammlung aber ganz anderer Art als in den Wochen zuvor: »Solidarität statt Querfront« – und eine »sinnvolle, differenzierte, konstruktive Kritik an den bestehenden Corona-Maßnahmen und überhaupt an den bestehenden Verhältnissen.« So drückt es eine der Redner_innen aus.
Immer wieder wird den Kritiker_innen der sogenannten Grundrechte-Demos vorgeworfen, sie würden diese nur denunzieren und für einen autoritären Staat stehen. Das Gegenteil ist der Fall, wie die Vielzahl der Redebeiträge belegen, in der die beteiligten Initiativen ihre Kritik aus ihrer je eigenen Perspektive beleuchten.
»Buuh! Hier wird niemand ausgeschlossen!«
Ein Anlass ihres Protests, die in den vergangenen Wochen immer Samstags an dieser Stelle abgehaltene sogenannte Grundrechte-Demo, fiel an diesem Tag wortwörtlich ins Wasser. Wegen des Wetters sagten die Veranstalter kurzfristig ab. Dennoch kamen bis zu 50 Personen, darunter ein Mann in Klamotten der Neonazimarke Thor Steinar. Einige von Ihnen fielen in den vergangenen Wochen mit Shirts auf, die sie als Anhänger der QAnon-Verschwörungsmythen, Fan eines verschwörungsideologischen Youtubers oder Widerstand 2020 auswiesen. Die vermeintliche »Mitmach-Partei« gilt als Sammelbecken von Verschwörungsgläubigen, Rechten und Impfgegner_innen.
Nach der Ansprache durch die Polizei verließen die meisten von ihnen den Platz wieder. Vereinzelte blieben jedoch oder hörten sich die Redebeiträge der Gegendemo an. Auf die Aufforderung, Abstand zu rechten Ideologien zu halten und sich von deren Verbreitern zu distanzieren reagierten sie mit Rufen: »Buuh! Hier wird niemand ausgeschlossen!«
»Kein Schulterschluss mit Rechts« gefordert
Und genau das ist die Haltung, die Gegner_innen der Corona-Demos vehement kritisieren: »Querfront stoppen. Kein Schulterschluss mit Rechts«, heißt es etwa auf einem ihrer Banner. »Wer mit AfD, Reichsbürger_innen, Antisemit_innen, Verschwörungsgläubigen, rechten Esoteriker_innen oder Nazis für ein vermeintlich gleiches Ziel auf die Straße geht, bildet eine Querfront und treibt den Rechtsruck in der Gesellschaft voran«, erläuterte eine Rednerin in einem überarbeiteten Statement der Gruppe Kempten gegen Rechts und dem selbstverwalteten Jugendzentrum react!OR.
Natürlich dürfe und müsse Kritik an Regierungsmaßnahmen und gesellschaftlichen Verhältnissen geübt werden. Doch in einer »durch und durch komplexen Welt« könne es »keine einfachen Erklärungen geben – kein ›wir‹ und ›die da oben‹, kein ›Gut und Böse‹, kein ›Schwarz und Weiß‹«, kritisierte die Aktivistin die unter den Teilnehmenden der Corona-Demos grassierenden Weltbilder, die das komplexe Weltgeschehen auf viel zu simple Verschwörungstheorien herunterbrechen. Damit sind sie häufig Ausdruck antisemitischer Ressentiments und Anknüpfungspunkte für rechte Ideologien. Solchen mitunter abstrusen Ideen seien bereits mehrfach blutige Taten gefolgt, wie etwa der rassistische Anschlag in Hanau gezeigt habe.
»Solidarität statt Querfront«
»Solidarität statt Querfront« ist das zentrale Anliegen der Kundgebung, an der sich auch die Seebrücke im Rahmen ihres bundesweiten Aktionstages beteiligte. Sie fordert unter anderem, dass Kempten zu einem sicheren Hafen für Geflüchtete werden müsse, die Unterstützung und Förderung antirassistischer Initiativen und »eine klare Absage an AfD und andere Rassist_innen«. Dem schloss sich auch Thomas Nuding in einem Redebeitrag an. Als mehrfacher Kapitän des Seenotrettungsschiffes Sea Eye hat der Oberschwabe mit seiner Crew bereits circa 3000 Menschen vor dem Tod gerettet, wie er sagt.
Gerade auch in der Corona-Krise dürfe man niemanden zurücklassen, so die Seebrücke und der Kapitän unisono. Das müsse man auch im Bezug auf »Klimagerechtigkeit« denken, fordert die Kemptener fridays for future-Initiative: »Wir wissen alle um den steigenden Meeresspiegel, mehr Extremwetterereignisse, Dürren und Überflutungen, Ungleichheiten und Krankheiten als Folgen des Klimawandels und des Artensterbens.« Eine Feministin brachte eine Perspektive auf »Corona als Brennglas für das, was schief läuft« ein. Viele Probleme würden dadurch erst offensichtlich, was die Bedeutung feministischer Kämpfe gegen diese und andere Diskriminierungen untermauere. Denn die Corona-Krise treffe »uns alle, aber sie trifft uns nicht alle gleichermaßen.«
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