Statt von Julia Op ten Noort zum Christentum bekehrt zu werden, machte Himmler die junge Baroness zur glühenden Nationalsozialistin. Nach dem Ende des Dritten Reiches behielt sie ihre NS-Kontakte bei – und wandelte sich zur spirituellen New-Age-Vorreiterin.
Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lebt eine junge Frau mit ihrem minderjährigen Sohn am Ufer des Chiemsees. Dort betreibt sie direkt am Ufer eine Pension und einen florierenden Laden für »Volkskunst«. Nur wenige wissen um die Vita der kreativen und stets einnehmenden jungen Deutschen mit unüberhörbar niederländischem Akzent und um die Vergangenheit mancher Gäste, die bei ihr ein und ausgehen.
Fanatische Nationalsozialistin auf dem »Schlachtfeld der Frau«
Die junge Unternehmerin ist niemand sonst als Baroness Julia Op ten Noort (1910–1994), eine der wohl einflussreichsten europäischen Nationalsozialistinnen und Muse von Heinrich Himmler, dem Reichsführer SS. Die junge Adelige lernte Himmler in dern 1930er-Jahren als Missionarin für die christliche Oxfordgruppe kennen. Anstatt ihn zu bekehren, geschah das Gegenteil: Sie wurde zu seinem fanatischen Ehrengast auf den Nürnberger Parteitagen der NSDAP.
Auf dem »Schlachtfeld der Frau« selbst setzte sie ihren Körper ein, indem sie in einer geheimen Klinik des Lebensborn einen Sprössling dieser »Superrasse« zur Welt brachte. Dieser Sohn für den Führer hieß Heinrich und sollte später in Deutschland eine mysteriösen Tod finden. Es wurde gemunkelt, dass Himmler der Vater war, aber neben dem Reichsführer gab es auch noch zwei andere mögliche Kandidaten. Im Jahre 1944 war Op ten Noort auch an Himmlers Versuch von Friedensverhandlungen mit den Westmächten beteiligt.
Nazi-Agitatorin wird zur New-Age-Vorreiterin
Der ehemalige niederländische Aktivist und Politiker Roel van Duijn ist den Spuren der Baroness gefolgt, die nach dem Krieg unbehelligt in Deutschland lebte und 1994 in der Nähe von Fulda starb. Aus der Nazi-Agitatorin war letztlich eine spirituelle Lehrerin fernöstlicher Weisheiten und New-Age-Vorreiterin geworden, die aber heimlich noch immer Kontakte zu alten Kameraden pflegte.
Ein einfühlsames und hervorragend recherchiertes Buch, das zum Lehrstück wird in Zeiten, in denen weite Teile der Gesellschaft sich wieder zunehmend für Komplott-Theorien über den Verrat der Eliten und antisemitisches Gedankengut öffnen.
Roel van Duijn: Himmlers holländische Muse. Die zwei Leben der Baroness Julia Op ten Noort, Schmetterling-Verlag, 1. Auflage 2020, ISBN 3-89657-179-6, 340 Seiten, 22,80 Euro