Während die Beteiligung an der sogenannten Grundrechte-Demonstration in Kempten schwindet, leugnen die Übrigen weiter die gefährlichen und rechten Ideologen in ihren Reihen – und verbreiten intern deren Theorien und Feindeslisten.
Der bayernweite Trend abnehmender Teilnehmendenzahlen zeigte sich am Samstag auch bei der sogenannten Grundgesetz-Demonstration in Kempten. So kamen trotz Unterstützung aus Berlin durch Kai Stuth und seinen Meditations-Caravan nur knapp über 100 Menschen zusammen.
Gegen Querfront und Rassismus
Gerade beginnen in #Kempten "Corona-Rebellen" ihre sogenannte Grundrechte-Demo. Von der anwesenden Presse halten sie nicht viel: “Wir haben alle eure Namen. Sind alle online“, droht jemand. Umso beliebter sind wie immer: QAnon, Alubommel und Verschwörungsyoutuber. pic.twitter.com/4auE3m8ta0
— Sebastian Lipp (@SebastianLipp) June 6, 2020
Dagegen positionierte sich erneut eine Gruppe von rund 15 Personen aus dem Umfeld des selbstverwalteten Jugendzentrums react!OR, Kempten gegen Rechts und der Seebrücke. »Zum Anderen stehen wir heute hier, um unsere aufrichtige Solidarität mit den Black Lives Matter Protesten zum Ausdruck zu bringen«, hieß es in einem Redebeitrag: »Die allermeisten von euch werden vom Mord an George Floyd durch einen rassistischen Cop in den USA hoffentlich mitbekommen haben. Goerge Floyd wurde – wie viele weitere Menschen – Opfer rassistischer Gewalt«, so eine Rednerin. Sein Tod hatte massive Proteste in den USA ausgelöst, die mittlerweile auch auf Europa übergegangen sind.
»Querfront stoppen. Kein Schulterschluss mit Rechts«, heißt es dennoch etwa auf einem ihrer Banner gegen die Versammlung der selbsternannten Corona-Rebell_innen nebenan. Diese hatten die Vorfälle in den USA intern zuvor als Inszenierung bezeichnet, die von den »Corona-Protesten« ablenken oder einen Bürgerkrieg auslösen solle. Außerdem wurde dort verbreitet, dass George Floyd noch am Leben sei und die ganze Geschichte ein Ablenkungsmanöver der US-Regierung sei.
»Wer mit AfD, Reichsbürger_innen, Antisemit_innen, Verschwörungsgläubigen, rechten Esoteriker_innen oder Nazis für ein vermeintlich gleiches Ziel auf die Straße geht, bildet eine Querfront und treibt den Rechtsruck in der Gesellschaft voran«, warf eine Rednerin des Gegenprotests den sogenannten Grundrechts-Demonstrationen schon vor zwei Wochen vor. Doch dort will man davon beharrlich nichts wissen.
Kein Problem mit rechten und gefährlichen Ideologien
So auch Julian Aicher, der schon vor drei Wochen durch eine Rede auffiel, in der es unter anderem um eine Verschwörung der »Mächte der Finsternis« ging. Am vergangenen Samstag hielt er erneut eine Rede. Demnach habe er sich »gerade die Freude erlaubt, mal zur Konkurrenz-Veranstaltung zu gehen«. Zum Teil fände er gar nicht so schlecht, was da auf den Plakaten stand. So zum Beispiel »gegen Rassismus, dies könnte man bestimmt auch hier plakatieren«.
Doch auch Aicher, der seine Verwandschaft mit Hans und Sophie Scholl betont, geht wieder nicht ein auf die Vielzahl von Personen, die für gefährliche bis extrem Rechte Ideologien stehen. So sind erneut T-Shirt und Symbole eines rechtsesoterischen Youtubers, der keine Berühungsängste zur Identitären Bewegung zeigt und das Narrativ des großen Austausches verbreitet. Diese Idee ist nicht nur prägend für die sogenannte Neue Rechte auch für einige Rechtsterroristen war sie in den letzten Jahren handlungsleitend. Auch Kleidung der Neonazimarke Thor Steinar war wieder zu sehen.
Antisemitismus und Anti-Antifaschismus
Trotz aller Beteuerungen wissen die Corona-Rebellen im #Allgäu ganz genau, dass sie den Schulterschluss mit gefährlichen Rechten üben. Schließlich geht es genau darum – oder es ist einfach »Wurscht«.
»Linkes« findet sich dagegen als Feigenblatt – oder als Feindesliste. pic.twitter.com/orS77m1hXc
— Sebastian Lipp (@SebastianLipp) June 7, 2020
In den gruppeninternen Chats zeigen die Corona Rebellen Allgäu, was sie von der antirassistischen Demonstration halten. So wurde dort eine Liste mit 25.000 Namen und Adressen von vermeintlichen Mitgliedern der Antifa verbreitet und darauf hingewiesen, man könne ja mal gucken ob die Nachbarn da auch darauf stehen. Dabei handelt es sich um einen alten Hack der Datenbank des Versandhändlers Impact, der seit Jahren immer wieder als Feindesliste in unter Neonazis und anderen Rechten kursiert. Unter anderem wurde diese Liste auch bei der Preppergruppe Nordkreuz gefunden, die den Mord politischer Gegner plante. (Beim Hasso-Plattner-Institut lässt sich prüfen, ob man von diesem oder anderen Hacks betroffen ist.)
Zudem schreiben Mitglieder dort immer wieder in antisemitischer Manier, Antifaschist_innen seien von Soros finanzierte Schlägertrupps und würden fürs Demonstrieren bezahlt. Nach der Demonstration am Samstag kursierte dort der Vorschlag, man könne ja »Linke Fähnchen mitnehmen« – doch »nur für die Photos«. Offenbar will man so unliebsamer Berichterstattung aus dem Weg gehen, eine Auseindersetzung mit den problematischen Ideologien in ihren Reihen verweigern die »Rebell_innen« nach wie vor.
Schwindende Beteiligung und mangelnde Einsicht
So auch am Samstag vor einer Woche als sich am 30. Mai die Teilnehmendenzahl der sogenannten Grundrechte-Demonstration in Kempten mit unter 150 Personen bereits etwa halbiert hatte. Im einzigen kurzen Redebeitrag des Versammlungsleiters Jochen W. sagte dieser bezugnehmend auf den Gegenprotest, er habe noch nie auf den Kundgebungen etwas verschwörungstheoretisches oder rechtes gesagt oder gesehen. Allerdings waren auch damals wieder eine Vielzahl von Symbolen des genannten Youtubers, Bezüge zu QAnon, Querdenkerbommel gegen Spende usw. zu sehen. Auch Neonazis waren wie bei den vergangenen Versammlungen wieder anwesend.
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