Auf der sogenannten Grundgesetz-Demo in Ravensburg hofiert ein Redner Reichsbürgeransichten, die Organisator_innen lassen es unkommentiert.
Andreas Engler schrieb eine Rede, die seiner Meinung nach Angela Merkel halten solle, um das Vertrauen der Bürger_innen wiederzuerlangen. Darin ließ er sie abschließend sagen: »Zum Abschluss und um deutlich zu machen, dass wir nur mit einem Schulterschluss und gemeinsamer Kraftanstrengung diese Krise bewältigen und verlorengegangenes Vertrauen wieder zurückgewinnen können, werden wir jetzt auch den Artikel 146 unseres Grundgesetzes anpacken und uns eine Verfassung erarbeiten.«
Formal gültig aber Provisorium?
Dafür erntete er seitens der Versammlungsteilnehmenden Jubel und Applaus. Im Nachgang erklärte er zwar er wisse, dass unser Grundgesetz eine formal gültige Verfassung ist. Allerdings sei es immer als Provisorium gedacht gewesen und trotzdem hielt er die Medien dazu an, die Forderung nach einer gemeinsam erarbeiteten Verfassung auf Grundlage des Artikel 146 Grundgesetz zu verbreiten. Das erweckt den Eindruck, dass er das Grundgesetz in seiner aktuellen Fassung nicht als Verfassung haben möchte und er bedient damit Ansichten der Reichsbürgerszene.
Dass die Anhänger_innen dieser Szene ihre Ansichten in den Chats der regionalen Nicht ohne uns!-Bewegung weitestgehend unwidersprochen verbreiten ist belegt. Unter anderem warb dort eine Person für die Fantasiestaaten »Republik Baden« und »Republik freier Volksstaat Württemberg«. Bei Anhänger_innen dieser beiden Reichsbürgerkonstrukte und ihrer Dachorganisation gab es erst kürzlich eine groß angelegte Razzia, bei der neben Fantasiedokumenten und Geldmitteln auch ein große Menge an Waffen gefunden wurde. Darunter laut LKA: Pfeil und Bogen, Macheten, Zwillen mit Stahlkugeln, Kurzwaffen, Schusswaffenmunition und eine Armbrust mit Zielfernrohr. Eine Person verfügte über 200 Messer mit feststehender Klinge, 190 Äxte sowie 520 Klapp- und Einhandmesser.
Im Rahmen des Zulässigen
Der zwischenzeitlich an der Organisation der Demonstrationen beteiligte Klaus Schulz war bisher einer der wenigen, der solche Aussagen kritisierte und sie als Reichsbürgeransichten benannte. Auch während der Rede Herrn Englers machte er an den entsprechenden Stellen einen wenig erfreuten Eindruck.
Als er jedoch zum Ende der Veranstaltung selbst ans Mikrofon trat, kommentierte er die Aussagen Englers nicht. In seiner Antwort auf eine Anfrage von Allgäu ⇏ rechtsaußen erklärte Schulz: »Als Herr Engler Art. 146 GG ansprach, war ich wenig erfreut, da ich befürchtete, jetzt käme tatsächlich schlimmeres. Kam dann aber Gott-sei-Dank nicht, sondern Herr Engler hat festgestellt, dass das GG durchaus eine Verfassung ist. Damit bewegte er sich im Rahmen des Zulässigen, wenngleich ich diesen Ausflug ins Verfassungsrecht als völlig sinnlos erachte.«
Abgrenzung nach Rechts bleibt Lippenbekenntnis
Hier wird deutlich, wie groß das Problem der fehlenden Abgrenzung dieser Veranstaltungen nach Rechts ist. Denn wenn der Maßstab dafür der »Rahmen des zulässigen« ist, kann es keine wirkungsvolle Abgrenzung von rechtem bis rechtsradikalem Gedankengut geben. Denn genau dieser »Rahmen des Zulässigen«, ist das was von Rechtspopulist_innen genutzt wird, um ihre Ansichten zu verbreiten. Mit seiner Aussage »im Rahmen des Zulässigen« wirbt Engler um die Gunst von Reichsbürger_innen, genau wie Politiker_innen mit dem verschärfen des Grundrechts auf Asyl um die Gunst von Rassist_innen werben.
Englers Aussagen, die ausbleibende Kritik daran seitens der Organisator_innen und die breite durch Jubel und Applaus geäußerte Zustimmung unter den Versammlungsteilnehmenden zeigen erneut, dass auf den sogenannten Grundgesetz-Demonstrationen aus der Nicht ohne uns!-Bewegung auch jene willkommen sind denen es gerade nicht um die Wahrung des Grundgesetztes geht.