Zur Erinnerung an Benno und Martha Rosenbaum verlegt Gunter Demnig am 29. Dezember 2019 Stolpersteine in der Kalchstraße 11.

Stolpersteine im Gedenken an Martha und Benno Rosenbaum

Zur Erinnerung an Martha und Benno Rosenbaum verlegt Gunter Demnig Stolpersteine in der Kalchstraße 11. Damit sind nun 75.000 der Mahnmale in Europa verlegt, 115 sind es bislang in Memmingen.

Es ist kurz vor Mittag am Tag nach der Reichspogromnacht als ein Trupp der SS zur Kalchstraße 11 zieht. Ihr Ziel ist die Villa von Benno und Martha Rosenbaum. Dort brechen sie ein und verwüsten das Haus. Erst nach zwei Stunden lassen sie ab, um weitere jüdische Wohnungen und Geschäfte zu traktieren. Benno und Martha Rosenbaum, die sich zu diesem Zeitpunkt in Frankfurt aufhalten, werden als Juden Opfer des NS-Terrors, ihre Wohnung fällt der NS-Volkswohlfahrt zu, ihr Vermögen beschlagnahmt das Deutsche Reich. Sie fliehen nach Südamerika, wo sich die Spur von Martha Rosenbaum verliert und ihr Mann sich das Leben nimmt.

»Unrecht ist uns Verantwortung«

Zur Erinnerung an Benno und Martha Rosenbaum verlegt Gunter Demnig am 29. Dezember 2019 Stolpersteine in der Kalchstraße 11.
Zur Erinnerung an Benno und Martha Rosenbaum verlegt Gunter Demnig am 29. Dezember 2019 Stolpersteine in der Kalchstraße 11.

Was das nationalsozialistische Deutschland Benno und Martha Rosenbaum angetan hat,  ist ein »Unrecht, das sich niemals wieder gut machen lässt«, sagte Oberbürgermeister Manfred Schilder am Sonntag während der Verlegung von Stolpersteinen zum Gedenken an die Rosenbaums vor ihrer ehemaligen Wohnung. Als Schirmherr der Memminger Stolpersteininitiative sei Schilder dieses Gedenken »persönlich eine Herzensangelegenheit«. Denn das Unrecht, das den Rosenbaums angetan wurde, solle als Mahnung für die Zukunft in Erinnerung bleiben.

»Dieses Unrecht ist uns Verantwortung – nicht nur zu sagen nie wieder sondern auch Verantwortung, frühzeitig Haltung zu beziehen und frühzeitig gegen Antisemitismus, gegen Rassismus und gegen Nationalismus aufzustehen«, so Schilder. Statt zu schweigen müsse man aktiv dagegen halten. »Das ist die Verantwortung, die wir aus der Lehre dieser Erinnerung zu ziehen haben.«

Manfred Schilder bedankte sich bei dem ehemaligen Staatsminister Josef Miller und dem Landtagsabgeordneten Klaus Holetschek sowie zahlreichen weiteren Gästen für die Teilnahme an dem Erinnerungsakt. Als Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungskultur und geschichtliches Erbe sprach Ludwig Spaenle. Für ihn bedeute die Stolpersteinverlegung auch »aktives Handeln nach vorne, um denen die Stirn zu bieten, die nicht geschichtsvergessen, sondern geschichtsklitternd unterwegs sind«.

Mahnmal vor Kanzlei von AfD-Politiker

Heute unterhält der AfD-Landtagsabgeordnete Christoph Maier seine Kanzlei in der Kalchstraße 11, wo einst Martha und Benno Rosenbaum wohnten.
Heute unterhält der AfD-Landtagsabgeordnete Christoph Maier seine Kanzlei in der Kalchstraße 11, wo einst Martha und Benno Rosenbaum wohnten.

Bei den Worten von Ludwig Spaenle denkt manch Teilnehmer der Stolpersteinverlegung an den AfD-Landtagsabgeordneten Christoph Maier, der nun beim Betreten seiner Kanzlei in dem Gebäude in der Kalchstraße 11 an die Geschichte der einstigen Bewohner Martha und Benno Rosenbaum erinnert wird.

Auch deshalb hat sich die Memminger Initiative für diesen Standort des 75.000. Stolpersteins entschieden, wie der Vorsitzende Helmut Wolfseher erklärte. Wie Maier zu dem Mahnmal steht, müsse man ihn jedoch selbst fragen. »Zieht er sich den Schuh an, dann passt er ihm«, so Wolfseher. Wenn er aber »ganz anders gestrickt« sei als seine Parteifreunde und im Gegensatz zu diesen den Antisemitismus bekämpfe, dann könne er mit den Stolpersteinen vor seiner Kanzlei ja nur zufrieden sein.

Während einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus verließ Christoph Maier mit Fraktionskollegen demonstrativ das Plenum. Bei einem Treffen des völkisch-nationalen Flügel der AfD stand der Memminger mit Björn Höcke auf der Bühne und sang die inhaltlich höchst problematische erste Strophe des Deutschlandliedes. »Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt«, heißt es dort zunächst. Darauf wird ein Deutschland weit über dessen tatsächliche Grenzen »von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt« besungen.

Den Opfern ihre Namen zurück geben

Zur Erinnerung an Benno und Martha Rosenbaum verlegt Gunter Demnig am 29. Dezember 2019 Stolpersteine in der Kalchstraße 11.
Zur Erinnerung an Benno und Martha Rosenbaum verlegt Gunter Demnig am 29. Dezember 2019 Stolpersteine in der Kalchstraße 11.

Die Grundidee seines Projektes erklärte der Künstler Gunter Demnig am Sonntagmittag auf einer Pressekonferenz im Anschluss an die Verlegung der Stolpersteine für Martha und Benno Rosenbaum: »Überall dort in Europa, wo die deutsche Wehrmacht, die Gestapo, die SS, die Nazis ihr Unwesen getrieben, Menschen ermordet und deportiert haben« sollen symbolisch die Stolpersteine auftauchen.

Die meisten ihrer Opfer hätten »weder Grab noch Grabstein«. Mit den Stolpersteinen schafft Gunter Demnig wieder einen Ort der Erinnerung. »Und der Name ist wieder da«, sagte der Künstler. Das sei »etwas ganz fundamentales«, das er aus dem Talmud mitgenommen habe. Dort heißt es: »Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.«

In Memmingen erinnern nun 115 Stolpersteine an die Opfer des NS-Terrors, in ganz Europa sind es 75.000. Im nächsten Jahr sollen es noch mehr werden. Im Sommer plant die Stolpersteinintiative, 20 weitere solcher Mahnmale zu installieren.

NS-Terror gegen Martha und Benno Rosenbaum

Die Rede zum Terror der Nationalsozialisten gegen Martha und Benno Rosenbaum dokumentieren wir im Folgenden im Volltext.

Benno Rosenbaum wurde 1883 in Memmingen geboren. Martha Rosenbaum kam 1895 in Frankfurt zur Welt. Ihnen gehörte dieses Anwesen in der Kalchstraße 11. Sie betrieben eine Käsehandlung mit Käselager. Benno Rosenbaum war in Memmingen auch als »Käsejude« bekannt.

Um 1925 gehörte Benno Rosenbaum dem Vorstand der jüdischen Gemeinde an, deren erster Vorsitzender er 1932 wurde. Sie waren die wohlhabendsten Juden in Memmingen und wurden von den Nationalsozialisten massiv verfolgt. Dazu zitiere ich aus einem Protokoll der Staatsanwaltschaft, die 1946 zu den Vorgängen am 10.11.1938, also einen Tag nach der Reichspogromnacht, ermittelte:

»Der Trupp SS-Angehöriger unter Führung von Kreisleiter Schwarz und Josef Veh zog zur Villa Benno Rosenbaums in der Kalchstraße 11 weiter. Josef Veh war wie üblich betrunken. Die Familie Rosenbaum hielt sich zu dieser Zeit in Frankfurt am Main auf. Gestapo-Beamte hatten die Villa um die Mittagszeit versiegelt. Jetzt brach man gegen 11:30 das Siegel auf und zerschlug wertvolle Bilder, Möbel und Porzellan im Wert von mindestens 20.000 Reichsmark. Erst nach zwei Stunden verließ die Gruppe wieder das Haus, um weitere jüdische Wohnungen zu traktieren. Schwarz, Wagner und Kleinhaus besichtigten nach Abschluss das Ergebnis. Im Ganzen wurden an diesem Tag 23 Wohnungen jüdischer Bürger Memmingens und drei Geschäfte heimgesucht und zerstört.«

Soweit das Zitat. Benno Rosenbaum wollte dieses Anwesen Anfang 1941 für 75.000 Reichsmark verkaufen. Die Stadt bot nur 55.000, obwohl der finanzamtliche Einheitswert bei 71.200 lag. Der Stadt war bekannt, dass die Rosenbaums unter Zeitdruck standen, weil sie Ende August 1941 auswandern wollten. Unter diesen Umständen versuchte sie sogar, den Kaufpreis bis auf 40.500 zu drücken. Der Landrat genehmigte dann die Transaktion und gestand den Rosenbaums 47.000 zu. Ob er das Geld wirklich bekommen hat, wissen wir nicht. Es ist nicht dokumentiert.

Die Wohnung wurde dann von der NS-Volkswohlfahrt genutzt und das gesamte Vermögen verfiel nach einer Reichsverordnung im November 1941 dem Deutschen Reich. Über das beschlagnahmte Vermögen wurde von der Stadt genau Buch geführt. Auch darüber, wo es hingebracht wurde und zwar vom defekten Kännchen bis zum Ölgemälde.

Von der Vernichtung in einem Todeslager konnten die Rosenbaums 1941 nach Montevideo, der Hauptstadt Uruguays, fliehen. Benno Rosenbaum ertrug allerdings die Flucht und das was ihm angetan wurde nicht. Er ging 1944 in den Freitod. Zu Ehren und im Gedenken an Benno und Martha Rosenbaum verlegen wir heute diese beiden Stolpersteine.


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