ffenbar gegen Geflüchtete gerichteten Anschlägen kam es in Tettnang. Aufgeklärt sind sie bis heute nicht.

Brandanschlag auf Asyl-Unterkunft

Heute vor 27 Jahren schleicht sich ein 14-jähriger Hauptschüler in den Innenhof einer Asylsuchendenunterkunft in Kaufbeuren und schleudert einen Brandsatz.

Im Jahr 1992 ging eine Welle der rassistischen Gewalt durch Deutschland. Allein gegen Ende des Jahres wurden hunderte von Anschlägen gegen vermeintliche Ausländer registriert. Einer davon ereignete sich am Donnerstag, dem 22. Oktober 1992 in Kaufbeuren als ein Molotow-Cocktail gegen einen Wohncontainer geschleudert wurde.

Anschlag vier Tage geheimgehalten

Wie die Polizei erst am Montag darauf bekanntgab, zerbrach die benzingefüllte Flasche beim Aufprall, das Feuer erlosch. Verletzt wurde niemand. »Polizeitaktische Erwägungen gab Polizeipressesprecher Helmut Urbanczyk damals als Grund für die Geheimhaltung an. Fest stand zu diesem Zeitpunkt, dass eine vierköpfige Personengruppe gesehen wurde und eine Person die Flasche geworfen hatte.

Zum Umfeld, aus dem der Werfer stammt, wollte der Pressesprecher sich nicht festlegen. »Das waren offensichtlich nur ein paar Leute«, schloss Barbara Schäffler vom Kaufbeurer Arbeitskreis Asyl aus den Informationen, die sie über den Brandanschlag von Asylsuchenden erhalten hatte. Bereits direkt nach der Tat vermutete sie die Täter in Skinhead-Kreisen, die wenige Jahre später in Kaufbeuren einen Verein gründen sollten, der wegen brutalster organisierter Gewalt und nationalsozialistischer Agitation gleich wieder verboten wurde und als Ursprung der heutigen Allgäuer Skinheadkameradschaft Voice of Anger gilt.

»Geheimhaltung brandgefährlich«

Als »brandgefährlich« bezeichnete der Redakteur Peter Januschke die Geheimhaltung der Polizei in einem Kommentar in der Kaufbeurer Zeitung. »Es brennt auch im Allgäu: Sechs Anschläge auf Asylbewerber innerhalb eines Jahres sind eine erschreckende Bilanz«, schrieb Januschke. Der Journalist warf der Polizei vor, die Gefahr herunterzuspielen, da diese von einer »lediglich allgemeinen Bedrohung spricht wie in der ganzen übrigen Republik«.

Zudem existiere nach Verlautbarungen der Polizei in der Region keine gewaltbereite rechtsextreme Skinhead-Szene. »Wie kommt es dann aber«, fragt Januschke, dass »verschiedene Täter einen Molotow-Cocktail auf eine Türkensiedlung werfen (11. Oktober 1991), ein von Ausländern bewohntes Haus anzünden (12. Oktober 1992), ein Asylbewerberheim überfallen (13. Oktober 1991), in einem Lokal Asylanten massiv bedrohen (10. April 1992), nachts Jagd auf vier Albaner machen (10. Oktober 1992) und jetzt (22. Oktober) wieder mit einem Molotow-Cocktail ein Asylantenheim in Brand setzen wollen?« Vier der Taten spielten sich in Kaufbeuren ab.

Schüler warf Brandsatz

Der Journalist und die Asylhelferin sollten Recht behalten. Am 28. Oktober titelte die Allgäuer Zeitung: »Asyl-Anschlag geklärt: Schüler warf Brandsatz«. Nach »gezielten intensiven Ermittlungen« habe die Polizei demnach einen 14-jährigen Hauptschüler aus Kaufbeuren-Neugablonz geschnappt, der den Molotow-Cocktail geworfen haben soll. Drei weitere Jugendliche, die den Schüler bei der Tat begleitet hatten, konnten ebenfalls ermittelt werden. »Motiv der Tat schein Ausländerhaß und Fremdenfeindlichkeit zu sein«, meldete die Polizei damals.

Nach den derzeitigen Ermittlungen bereitete der 14-jährige Schüler die Tat vor, indem er im Laufe des Tattages Benzin aus dem Tank seines Mofas in eine Flasche umfüllte. Auf die Flaschenöffnung montierte er demnach eine Lunte. Am späten Nachmittag traf er sich dann mit drei Freunden, »um diese zu einer gemeinsamen Aktion gegen Ausländer zu überreden«, zitiert die Allgäuer Zeitung aus dem Polizeibericht.

Triebfeder »Ausländerhaß und Fremdenhaß«

Die beiden 15-jährigen Schüler und der 17-jährige Lehrling begleiteten ihren Freund dann abends auch zu dem Asylbewerberheim. Sie warteten jedoch nach den vorläufigen Ermittlungen vor dem Eingang. Der 14-jährige schlich sich mit dem Molotow-Cocktail allein durch eine Eisentüre in den unbeleuchteten Innenhof des Geländes und schleuderte den Brandsatz in Richtung eines Wohncontainers, in dem sich zu diesem Zeitpunkt zwei chinesische Asylbewerber aufgehalten hatten. Die Flasche zersplitterte zwei Meter vor dem Eingang. Das Feuer ging aus, Sachschaden entstand deshalb keiner.

Obwohl nach Polizeiangaben keine verwertbaren Hinweise auf die Täter vorhanden waren, gelang es »durch intensive Ermittlungen«, die vier Jugendlichen ausfindig zu machen. Nach Aussagen ging die Polizei davon aus, »daß Ausländerhaß und Fremdenhaß die Triebfeder für den Anschlag waren.« Die vier Allgäuer wurden nach ihrer Festnahme dem Ermittlungsrichter vorgeführt und anschließend wieder auf freien Fuß gesetzt.

Versuchter Mord und schwere Brandstiftung

Schon im Dezember wird der 14-jähriger erneut festgenommen. Wieder steht er laut Kaufbeurer Zeitung im »dringenden Verdacht […] aus Haß gegen Ausländer« ein Feuer gelegt zu haben. Am 11. Dezember 1992 soll er demnach ein Mehrfamilienhaus angegriffen haben, das vorwiegend von Gastarbeitern bewohnt wird. Aus einer Bierflasche wurde Benzin in den Keller des Hauses gekippt und entzündet. Der Schüler bestritt die Tat. Dem Haftrichter indes reichten die Indizien aus, um dieses Mal einen Haftbefehl zu erlassen. Dieser gründete sich auf den Vorwurf der schweren Brandstiftung und des versuchten Mordes. Der 14-Jährige habe offenbar versucht, den Anschlag von Mölln nachzuahmen, um endlich Wirkung zu erzielen.


(Titelphoto: Symbolbild Brandstiftung, FWPIXbestimmte Rechte vorbehalten)


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