Neonazis feiern in Memmingen nach Katz-und-Maus-Spiel

Ein Konzert zum 5-jährigen Jubiläum der Neonaziband Schanddiktat verhindern die Behörden am Wochenende zuerst in Wertingen und dann in Benningen. Dennoch dürfen die Neonazis am Ende in der Memminger Innenstadt feiern, während Geflüchtete im Untergeschoss einer Bar ausharren müssen.

»Katz und Maus spiel gewonnen«, behaupten Schanddiktat auf Facebook. (Screenshot)
»Katz und Maus spiel gewonnen«, behaupten Schanddiktat auf Facebook. (Screenshot)

»Katz und Maus spiel gewonnen« freute sich die Band Schanddiktat noch am Donnerstag auf Facebook. Der Post zeigte auch ein Photo einer fertig aufgebauten Bühne. Zuvor erließ die Verwaltungsgemeinschaft Wertingen im Landkreis Dillingen eine Allgemeinverfügung die das offenbar dort geplante Konzert untersagte: »alle nichtangezeigten Musikveranstaltungen unter dem Motto ‘Fünf Jahre RAC – fünf Jahre Schanddiktat’ und etwaige Ersatzveranstaltungen« waren demnach im Einflussbereich der Gemeinde für das vergangene Wochenende verboten. Bei Zuwiderhandlungen drohte ein gewaltsames Eingreifen der Polizei und eine Geldbuße von bis zu 1000 Euro. Doch das Verbot galt nur im Bereich der Stadt Wertingen und um Binswangen, Laugna, Villenbach, sowie Zusamalthalm.

Also glaubten die Neonazis das heimlich organisierte Konzert durch eine Verlegung in das Unterallgäu retten zu können. Mit einer Ersatzlocation in Wertingen glaubten die rechtsradikalen Musikfans ihr »Katz und Maus spiel gewonnen«. Doch die Polizei unterbrach die Neonazis am Samstag bei den Vorbereitungen für das Event: »Tatsächlich gelang es den Beamten den Ort des konspirativ beworbenen Konzerts zu ermitteln und die Verantwortlichen anzusprechen. Diese befanden sich zu diesem Zeitpunkt im Konzertaufbau. Rund 30 Gäste waren schon vor Ort«, heißt es in einer Mitteilung der Behörde an die Presse. Darauf untersagte auch die Gemeinde Benningen das Konzert. Die Polizei rechnete mit einer Größenordnung von über 100 Gästen.

Band aus dem Umfeld von Voice of Anger mehrfach in der Region aufgefallen

Anhänger von Voice of Anger am 6. Oktober 2018 in Apolda. Dort kam es zu Ausschreitungen. (Photo: CC BY-NC 4.0 Pixelarchiv)
Bandmitglied von Schanddiktat und andere Anhänger von Voice of Anger am 6. Oktober 2018 in Apolda. Dort kam es zu Ausschreitungen. (Photo: CC BY-NC 4.0 Pixelarchiv)

Mit dem Konzert wollte die Band Schanddiktat aus dem Umfeld der Allgäuer Skinheadkameradschaft Voice of Anger ihre fünfjährige Karriere als Rechtsrockband feiern. In dieser Zeit hatte die Band mehrfach in der Region gespielt: Am 25. März 2017 auf einem geheimen Konzert von Voice of Anger vor 100 Personen in Krumbach und rund einen Monat später auf einer vermeintlich privaten Feier in Engishausen. »Fünf Jahre RAC« genügten der Band aber offenbar nicht, um auch einen eigenen Tonträger herauszubringen.

Im Oktober 2018 kam es in Thüringen zu Flaschen- und Steinwürfen, Pfefferspray und verletzten Polizisten. Nach einem gescheiterten Konzert liefern sich damals Neonazis in Thüringen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Auch ein Bandmitglied von Schanddiktat und andere Anhänger von Voice of Anger waren vor Ort.

Mehr zu diesem Thema:  Allgäuer Neonazis an Ausschreitungen in Apolda beteiligt?

Neonazis feiern trotz unterbundenem Konzert

»Durch das eng abgestimmte und konsequente Vorgehen« habe die Polizei das Rechtsrockkonzert bereits im Ansatz unterbinden können, schreibt diese in der bereits zitierten Pressemitteilung. Feiern konnten die eigentlich als Konzertgäste angereisten Neonazis dennoch. Neben den bereits auf dem Konzertgelände in Benningen anwesenden 30 Personen stellte die Polizei »eine Gruppe von 20 relevanten Personen Stadtgebiet Memmingen fest.« Das schreibt Polizeisprecher Christian Eckel auf Anfrage. Und weiter: »Diese zerstreute sich nach sehr kurzer Zeit; es kam zu keinen Auffälligkeiten. Eine andere Kleingruppe hielt sich an einer Tankstelle auf trat nach kurzer Verweildauer die Rückfahrt an.«

Zeugen allerdings haben an diesem Abend mehrere kleinere und größere Neonazigruppen teils in Klamotten der Skinheadkameradschaft Voice of Anger in Memmingen gesehen. Allgäu ⇏ rechtsaußen liegt Photo- und Videomaterial vor, das das belegt. Zunächst seien diese noch von Polizei begleitet worden, doch die habe sich bald zurück gezogen. Bis zu 50 entsprechende Personen seien an mehreren Orten in der Stadt, insbesondere einer Reihe von Bars gesichtet worden.

Distanzierung von der Distanzierung?

Das bestätigte Personal der Lokale noch in der Nacht auf Anfrage. Etwa sagte der Wirt der Rockbar noch am Samstagabend gegen 23:15 auf Anfrage von Allgäu ⇏ rechtsaußen, er sei von seinen rechtsradikalen Gästen »nicht begeistert«. Zu diesem Zeitpunkt hieß es noch, man sei »eine Rockbar, wir wurden überrannt«. Jetzt werde »nach und nach aussortiert« und sobald genug Sicherheitskräfte vor Ort seien, würden die Neonazis der Lokalität verwiesen. Anschließend würde sich die Rockbar auf Facebook positionieren.

Das tat die Bar noch in derselben Nacht: »Wir wurden durch das auflösen eines Rechtsrockkonzerts, dass die Polizei gesprengt hatte von rechtsorientierten Gruppierungen überrannt!« Weiter heißt es in dem Statement: »Wir distanzieren uns ausdrücklich von der rechten Szene« und: »Dabei bleibt es auch!« Zu der angekündigten Räumung der Rockbar kam es aber nicht.

Stattdessen folgte später ein »Nachtrag: Reflektierend für den gestrigen Abend! ES VERLIEF ALLES mehr als friedlich und höflich! Auch wenn wir die politische Meinung nicht teilen können war es ein schöner Abend! Über reichlich Teilungen würden wir uns freuen!« Gleichzeitig wurde der Anfang des Statements verändert: Das Wort »überrannt« verschwand. Nun wurde die Rockbar nurmehr »von rechts orientierten Gruppen besucht.«

Im Treff mussten sich Geflüchtete laut Augenzeugen in das Untergeschoss zurück ziehen, während die Neonazis im oberen Bereich der Bar feierten.


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