»Hinter dem Reich steckt der Rechtsextremismus«, schematische Darstellung reichsideologischer Fragmente, aus: Broschüre »Wir sind wieder da« der Amadeu Antonio Stiftung

Haftstrafe für Inhaberin eines rechtsradikalen Verlages aus dem Allgäu

Weil sie Justizpersonal horrende Schadenersatzforderungen abpressen wollte, verurteilt das Amtsgericht Kaufbeuren Ingrid Schlotterbeck zu mehr als einem Jahr Haft. Die einstige selbsternannte »Außenministerin« leitet einen rechtsradikalen Reichsbürger-Verlag im Allgäu.

Die Schadenersatz-Androhungen, die eine 70-jährige Ostallgäuerin Anfang vergangenen Jahres an eine Gerichtsvollzieherin, die Direktorin des Amtsgerichts Kaufbeuren, den damaligen Leitenden Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Kempten, sowie den damaligen Justizminister schickte, hatten es in sich: In den Schreiben forderte die Frau insgesamt etwa 524 Milliarden Dollar – wenn nicht binnen 72 Stunden Erklärungen zur angeblichen Unrechtmäßigkeit von Behördenmaßnahmen, wie zum Beispiel einer Pfändung, abgegeben würden.

Horrende Schadenersatzforderungen

In allen Schreiben geht es sinngemäß darum, dass die Adressaten innerhalb einer Frist von 72 Stunden durch eine Erklärung unter Eid etwas beweisen oder erklären sollen.  Der fruchtlose Fristablauf gelte als unwiderrufliches Einverständnis, dass der jeweilige Adressat die von ihr geforderte Summe zwischen 10 Millionen und 222 Milliarden US-Dollar nach Rechnungslegung begleiche.

Dass die Angeklagte Schreiben verfasst hatte gab sie laut Allgäuer Zeitung über ihren Pflichtverteidiger zu. Weitere Angaben zur Sache habe sie nicht gemacht. Auf die Frage nach ihrer Staatsangehörigkeit habe die Ostallgäuerin erklärt, sie habe keine.

»Aus den Angaben der Frau zu ihren Personalien – sie wollte unterschieden haben zwischen sich als ›dem Weib‹ und der durch Geburtsurkunde ausgewiesenen ›Person‹« schließt die Zeitung, »dass sie offenbar den sogenannten ›Freemen of the Land‹ nahesteht. Diese Bewegung entstand in den 1970er Jahren in den USA und breitete sich dann vor allem in andere englischsprachige Länder aus. Die bizarren Ansichten und Vorgehensweisen ihrer Anhänger, wie zum Beispiel horrende Schadensersatzforderungen an Behörden, wurden aber auch teilweise von der sogenannten Reichsbürgerbewegung übernommen.«

Tatsächlich betreibt Schlotterbeck in einer ehemaligen Schule in Sulzschneid bei Marktoberdorf einen Verlag, dessen Themenspektrum bis ins Neonazistische reicht.

Verlagsprogramm zwischen Esoterik, Aliens und Holocaustleugnung

»Alternative Gravitationstheorie«, Kornkreise, Verschwörungsideologie, Geschichtsrevisionismus. Ein Auszug aus dem Programm des argo-Verlag in Marktoberdorf.
»Alternative Gravitationstheorie«, Kornkreise, Verschwörungsideologie, Geschichtsrevisionismus. Ein Auszug aus dem Programm des argo-Verlag in Marktoberdorf.

Der argo-Verlag deckt ein breites Themenspektrum ab. Von Esoterik und Alternativmedizin, Kornkreisen, Ufos und Außerirdischen ist dort zu lesen. Dabei sind aber auch extrem rechte Themen bis in den neonazistischen Bereich, Geschichtsrevisionismus, Holocaustleugnung und vor allem antisemitische Verschwörungsideologien.

Die Verlagsleiterin Ingrid Schlotterbeck bezeichnete sich ab 2001 als »Außenministerin« einer Kommissarischen Regierung des Deutschen Reiches und verschickte »diplomatische« Schreiben an die Behörden echter Regierungen. Ihr Mann Rolf Schlotterbeck firmierte als »Wirtschaftsminister«. Aktuell droht dem Verlag nach Recherchen von Allgäu ⇏ rechtsaußen der Verlust des ehemaligen Schulgebäudes.

Uneinsichtige Wiederholungstäterin

Aus dem Strafregister der Angeklagten indes geht laut Allgäuer Zeitung hervor, dass sie seit 2015 bereits dreimal wegen versuchter Nötigung verurteilt wurde, zuletzt im Jahr 2017 zu einer dreimonatigen Bewährungsstrafe. Diese wurde widerrufen, weil sie die Bewährungsauflagen nicht erfüllt hatte. Die Strafe hat die 70-Jährige dann im Herbst 2018 verbüßt.

So urteilte Richterin Ritter wegen versuchter Nötigung auf eine Haftstrafe von 14 Monaten. Wegen der fehlenden Einsicht sahen Gericht und Staatsanwaltschaft die Voraussetzungen für eine Bewährungsstrafe nicht erfüllt.

Das Vorgehen der Seniorin ist offenbar identisch mit dem ihres Mannes, der Ende letzten Jahres wegen der gleichen Taten verurteilt wurde. »Wie der Angeklagte wusste, war sein Verhalten sozial unerträglich«, so die Staatsanwaltschaft in der Anklage gegen Rolf Schlotterbeck. Aktuell läuft die Berufung in diesem Verfahren. Auch Ingrid Schlotterbeck hat bereits Berufung gegen das Urteil vom 4. Februar 2019 eingelegt. Ebenso die Staatsanwaltschaft.


(Titelbild: »Hinter dem Reich steckt der Rechtsextremismus«, schematische Darstellung reichsideologischer Fragmente, aus: Broschüre »Wir sind wieder da« der Amadeu Antonio Stiftung.; Az: 8 Ds 150 Js 1405/18 (2))


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