Mit einem Bajonett wird Peter Siebert im April 2008 in Memmingen erstochen. Heute vor zehn Jahren fällt das Urteil gegen den rechtsradikalen Täter. Doch das Gericht unterschlägt dessen Gesinnung als Motiv.
Mit einem 34 Zentimeter langem Bajonett dringt Alexander B. am 26. April kurz nach Mitternacht in die Wohnung von Peter Siebert ein. Dort sticht der Rehtsradikale zu. Der erste Stich gleitet an einer Rippe seines Opfers ab. Der zweite Hieb dringt zwischen der zweiten und dritten Rippe auf der linken Brustseite ein. Schwer verletzt werden unter anderem die Leber und der vordere Rippenfellraum sowie der rechte Lungenoberlappen. Kurz darauf ist Siebert tot.
Damals erregt der Fall nur wenig Aufsehen. Heute vor zehn Jahren verurteilt das Memminger Landgericht der Stadt den Täter am 22. Dezember 2008 in einem Prozess, der nur einen Tag dauert, zu acht Jahren und drei Monaten Haft. Wegen Totschlags, nicht wegen Mordes. Ob der Täter ein rechtes Motiv hatte, was Mord und eine weit höhere Strafe bedeuten würde, interessiert die Richter offenbar kaum.
Streit wegen brauner Hassmusik
Der Tat gingen laut Urteil mehrere Streitgespräche voraus. Siebert klopfte mehrfach an die Wohnungstüre von Alexander B., um sich über dessen lautstark aufgedrehte Musikanlage zu beschweren. Beim zweiten Mal griff der Täter das Bajonett und folgte Siebert in seine Wohnung, wo er ihn tötete. Welche Art von Musik es war, die das Opfer so aufregte und worüber konkret gestritten wurde, geht aus dem Urteil nicht hervor.
Das ist später selbst dem Vizepräsidenten des Landgerichts peinlich. Nach Recherchen von Zeit online und Tagesspiegel hatte Siebert sich oft über die braune Hassmusik beschwert, mit der B. in voller Lautstärke das Haus beschallte. Die Strafkammer habe es dabei belassen, den »äußeren Sachverhalt« zu klären, sagte Manfred Mürbe laut Zeit online. Da B. die tödlichen Stiche gestanden hatte, hätten die Richter »nicht mehr intensiv nachgeforscht«. Obwohl der Täter vor dem Prozess zugegeben hatte, er habe mit Siebert gestritten, »weil ich rechts bin«.
Bis heute nicht offiziell anerkannt
Vizepräsident Mürbe sagte demnach, in der Gesamtschau sei ein rechtsextremer Hintergrund der Tat »wahrscheinlich«. Doch wegen des Urteils wird sie bis heute nicht offiziell als rechts motiviertes Tötungsdelikt geführt.
Damit ist Peter Siebert nicht allein. Seit Jahren schon korrigiert die Bundesregierung ihre Zahlen auf Anfragen der Oppositionsparteien laufend nach oben. Zuletzt im Juni 2018 auf 76 Tötungsdelikte mit 83 Todesopfern seit 1990. Wieder ist Siebert nicht dabei.
Unabhängige stellen listen dagegen 195 Personen, die rechts motivierten Taten zum Opfer gefallen sein sollen. Viele davon gehen auf die Recherchen der Zeit und des Tagesspiegel zurück, die immer wieder auch lange zurück liegende Verdachtsfälle prüfen.
»Nicht die Augen verschließen«
Auch vor Ort wird der Fall bis heute »überwiegend als reine unpolitische Beziehungstat wahrgenommen«, erklärt Franziska Mamitzsch gegenüber Allgäu ⇏ rechtsaußen. Das wolle man ändern, so die Sprecherin von Links im Allgäu (LiA), einem Bündnis linker Gruppen. Verschiedene Initiativen setzen sich seit Jahren in Memmingen für die Anerkennung Sieberts als Opfer rechter Gewalt ein.
Vielfach gab es deshalb Demonstrationen um Sieberts Todestag im April herum, die auch immer wieder auf die starke Neonaziszene im Allgäu hingewiesen haben. Mamitzsch weiter: »Der Mord an Peter Siebert ist kein Ausnahmefall. Es gibt eine ganze Reihe Todesopfer rechter Gewalt. Rechtsradikale sind also gefährlich! Darauf wollen wir aufmerksam machen und nicht die Augen verschließen.«
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