9.9.2017: Demo »Keine Stimme für Rassismus« in Lindau (© S. Lipp)

»Keine Stimme für Rassismus und Rechtspopulismus«

»Keine Stimme für Rassismus und Rechtspopulismus» war das Motto der bis zu 150 Menschen, die zwei Wochen vor der Bundestagswahl 2017 durch die Lindauer Innenstadt demonstrierten. In den Wochen vor der Wahl wächst der Druck auf die AfD.

»Der rechtspopulistischen Hetze der AfD und ihrer Gefährten im Geiste bei den anderen Parteien«, sagte ein Antifaschist am 9. September während der Auftaktkundgebung am Bismarckplatz auf der Lindauer Insel, »stellen wir den Wunsch nach einer offenen und freien Gesellschaft entgegen, in der für jeden Menschen unabhängig von seiner Herkunft, seinem Geschlecht oder seiner sexuellen Orientierung ein gutes Leben möglich ist.« Deshalb wolle man, so der Redner weiter, »überall dort eingreifen, wo rassistische Hetze und Rechtspopulismus in die Öffentlichkeit drängen« und darum kämpfen, weitere Wahlerfolge der AfD zu verhindern. Auch den anderen Parteien wolle man deutlich machen, dass sich mit Rassismus und Rechtspopulismus keine Mehrheiten in der BRD gewinnen ließen.

9.9.2017: Demo »Keine Stimme für Rassismus« in Lindau (© S. Lipp)
9.9.2017: Demo »Keine Stimme für Rassismus« in Lindau (© S. Lipp)

ganz rechts außen

Nachdem die Demonstration mit bis zu 150 Teilnehmern vom Alten Rathaus zum Hafen gezogen war, beschäftigte sich ein weiterer Redebeitrag mit Verbindungen der AfD nach ganz rechts außen. Die Aufzählung sei nur exemplarisch und bereits einige Wochen alt. Beinahe täglich ergäben sich neue Beispiele. So hätten etwa einige hochrangige Funktionäre ihren Austritt aus der niedersächsischen Jugendorganisation der AfD Junge Alternative (JA) erklärt, nachdem Lars Steinke zu deren neuem Vorsitzenden gewählt wurde. Intern sei dazu unter Anderem erklärt worden, Steinke und insbesondere der Bezirk Braunschweig der JA würden gemeinsam mit dem extrem rechten und offenbar waffenaffinen Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen agieren. Auch Steffi Brönner erklärte ihren Rücktritt als Björn Höckes Stellvertreterin im Thüringer Landesvorstand der AfD. Begründet habe sie das mit der Überlassung von Flächen für eines der größten Neonazikonzerte in Deutschland und der Beschäftigung eines früheren Aktivisten inzwischen verbotener militanter bis terroristischer Neonazi-Organisationen. Heute entwerfe er unter Björn Höcke Propaganda für die AfD und sei aktiv im Allgäuer Kreisverband der Partei. Es werden weitere einschlägige Beispiele problematischer Verbindungen und Positionen von Teilen der Partei genannt.

9.9.2017: Demo »Keine Stimme für Rassismus« in Lindau (© S. Lipp)
9.9.2017: Demo »Keine Stimme für Rassismus« in Lindau (© S. Lipp)

»Zum Glück noch weit entfernt« sieht der Redner die Partei von den beeindruckenden Wahlerfolgen der FPÖ in Österreich. Damit das so bleibe, »müssen wir jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass der Bundestagswahlkampf der AfD zum Desaster wird! Entsorgen wir die AfD und ihre menschenfeindlichen Ideologien wie Rassismus, Homofeindlichkeit und Nationalismus auf dem Müllhaufen der Geschichte zu Gunsten einer solidarischen Gesellschaft! Entreißen wir der Partei die Reste ihrer schlecht sitzenden bürgerliche Maske!”

Gedenken an Neonazi-Überfall

Für eine spontane Zwischenkundgebung machten die Demonstrationsteilnehmer halt an der Ecke Zeppelin-/Maximilianstraße. Hier wurde vor elf Jahren der Punk »Rubel« von Neonazis beinahe tot geprügelt. Noch Monate nach der Tat, der an dieser Stelle gedacht wurde, lag der Lindauer im Wachkoma. Heute sitzt er im Rollstuhl und wird sich von den Folgen des Skinhead-Überfalls wohl nie erholen.

»Rechtsruck in Politik und Gesellschaft«

Seit im Jahr 2015, als deutlich mehr Flüchtlinge als zuvor in Deutschland Zuflucht suchten, hätten sich sowohl die Stimmung im Land als auch die ausländerrechtliche Gesetzgebung »kontinuierlich nach rechts verschoben«, heißt es in einem Aufruf der regionalen Kampagne gegen rechte Hetze im Allgäu und in Oberschwaben in Zusammenhang mit den Bundestagswahlen 2017. Der Druck auf Asylsuchende erhöhe sich. Wegen immer massiverer EU-Abschottungspolitik sei die Zahl der Flüchtlinge, die die Bundesrepublik erreichten, wieder deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig hätten mehr Menschen als zuvor »für eben diese Grenzpolitik mit ihrem Leben bezahlen müssen.« Dennoch seien die Rufe nach schärferen Maßnahmen gegen Geflüchtete nicht leiser geworden. Stattdessen erfahre der Rechtspopulismus und dessen Umsetzung in »rassistischer Gesetzgebung« einen Aufschwung.

9.9.2017: Demo »Keine Stimme für Rassismus« in Lindau (© N. Kelpp)
9.9.2017: Demo »Keine Stimme für Rassismus« in Lindau (© N. Kelpp)

Die »treibende Kraft bei diesem Rechtsruck in Politik und Gesellschaft« stelle die AfD dar, sei aber dennoch nur einer unter vielen Akteuren, »die den offenen Rassismus und Nationalismus in Deutschland« wieder salonfähig gemacht hätten. An der Stimmungsmache gegen Geflüchtete und deren Unterstützende würde auch viele Menschen aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft teilhaben. Teile etablierter Parteien seien »mit ihrer Politik und mit ihren Diskussionsbeiträgen keinesfalls so weit von der AfD entfernt, wie dies auf beiden Seiten gerne behauptet wird.«

Kritik an allen Parteien

Die Gruppe Reclaim Your Streets (RYS) Ravensburg benannte die Kritik an den Parteien während der Abschlusskundgebung an der Ludwigsbastion konkret. CDU und CSU brüsteten sich nach Ansicht des antifaschistischen Rednerduos von RYS mit der Reduzierung der Asylberechtigten durch willkürliche Festlegung weiterer sogenannter Drittstaaten. Bereits in ihrem Wahlprogramm kündige die CDU weitere Gesetzte an, um Abschiebungen zu erleichtern. Die SPD fordere schärfere Grenzkontrollen und eine andere Verteilung von Geflüchteten, um diese aus dem Land zu bringen oder gar nicht erst herein zu lassen. Die FDP indes wolle das Vorgehen an Europas Außengrenzen weiter militarisieren und konsequenter abschieben. Tenor aller genannten Parteien und der Grünen sei das Begreifen von Asylsuchenden als Wirtschaftsfaktor: »Bist du nicht attraktiv genug für den deutschen Markt, hast du kein Recht herzukommen und zu bleiben.« Auch die Linke wird für die Äußerungen ihrer Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Sahra Wagenknecht, zu einer Verwirkung eines Gastrechts und ihrer Forderung nach einer Obergrenze für die Aufnahme von Geflüchteten kritisiert. Während ihre eigene Partei als ganzes nicht interveniere, unterstütze Alexander Gauland von der AfD die Forderung. Da müsse man »aufpassen«, wen man wähle.

9.9.2017: Demo »Keine Stimme für Rassismus« in Lindau (© S. Lipp)
9.9.2017: Demo »Keine Stimme für Rassismus« in Lindau (© S. Lipp)

AfD gerät unter Druck

Seit Monaten bekommt die AfD im Allgäu und im Oberschwaben bei der Durchführung ihrer Veranstaltungen verstärkt Gegenwind ab. Neben einer inhaltlichen Kritik an den rassistischen und rechtspopulistischen Aktivitäten der AfD wird dabei in der Region verstärkt auch die Forderung gegenüber den Veranstaltungsorten laut, rechter Hetze keine Räume anzubieten. Zwei Wirte in Ravensburg und Weingarten haben dem offenbar bereits im Juli nachgegeben. In einem Artikel der Schwäbischen Zeitung meldet sich der Betreiber des Gasthaus Rössle zu Wort. Er wolle keine weitere Veranstaltung mit der AfD durchführen. Das selbe gilt für den Betreiber der Kiesgrube in Ravensburg. In beiden Gaststätten hätten, so die Initiative gegen Rassismus Westallgäu in einer Stellungnahme zuvor bereits mehrere AfD-Veranstaltungen stattgefunden. Damit habe die AfD ihre wichtigsten Veranstaltungsorte im Landkreis Ravensburg verloren »und gleichzeitig einen deutlichen öffentlichen Dämpfer erhalten.«

9.9.2017: Demo »Keine Stimme für Rassismus« in Lindau (© S. Lipp)
9.9.2017: Demo »Keine Stimme für Rassismus« in Lindau (© S. Lipp)

Auch im bayerischen Teil Schwabens würde der Druck erhöht auf Gaststätten, die regelmäßig der AfD ihre Türen für ihre Veranstaltungen öffnen. Auf einer linksalternativen Plattform kursiere ein Boykottaufruf, in dem sämtliche entsprechende Lokale im Bereich des AfD Ortsverbandes Oberallgäu/Kempten/Lindau mit Namen und Kontaktdaten benannt werden. Darin heißt es unter anderem: »Wer diesen menschenverachtenden Ideologien die Möglichkeit verschafft, ein breites Publikum zu erreichen, vergrault den relevanten Teil seiner potentiellen Gäste, die noch immer weltoffen, tolerant und menschenfreundlich sind – was langfristig zu Recht zur nachhaltigen Schädigung des Rufs der jeweiligen Gastronomie führen wird. Deshalb rufen wir zum Boykott sämtlicher Räume, die der AfD eine Plattform für ihre menschenverachtende Hetze bieten!« Betroffen seien neben dem Goldenen Adler in Weitnau, dem Haus Hochland in Kempten und der Pizzeria Bassano in Oberstaufen auch die Gaststätte Birkenmoos in Lauben.

In Lauben kommt es immer wieder zu Veranstaltungen der AfD – und zu Kritik und Protesten. Peter Felser, der Vorsitzende der örtlichen AfD bewirbt einen Auftritt der »kurdischen Menschenrechtlerin« mit AfD-Parteibuch Leyla Bilge. Intern wird eingeladen zur »letzten großen Veranstaltung vor der Bundestagswahl« mit dem Titel »Der Islam: Scharia, Kinderehen, Frauenrechte«. »Ich bin stolze Deutsche mit kurdischen Wurzeln«, laute das Selbstverständnis der angeblich zum Christentum konvertierten ehemaligen muslimischen Kurdin. Peter Felser hat mit Listenplatz sieben der bayerischen Landesliste Chancen auf einen Einzug in den 19. Deutschen Bundestag. Auch AfD-Gegner mobilisieren für kommenden Sonntag, den 17. September ab 17:30 Uhr zur Kundgebung vor der Veranstaltung im Laubener Birkenmoos.


Hilfe: Du hast selbst einen Übergriff erlebt?

Dann kannst du Hilfe bei B.U.D. Bayern bekommen. Das ist eine unabhängige Beratungsstelle für Betroffene von rechten, rassistischen und antisemitischen Übergriffen.

Zeug_innen können sich an B.U.D. Bayern wenden, dann wird der Vorfall registriert und Betroffenen geholfen – wenn sie das wollen.

Wenn du in Baden-Württemberg bist, ist dieLeuchtlinie für dich da.

Eltern, Angehörige und Freunde von Jugendlichen, die sich rechts orientieren, können Hilfe bei der Elternberatung bekommen.

Und wenn du selbst etwas gegen Rechts unternehmen willst, steht dir die Mobile Beratung zur Seite.

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