Heute vor drei Jahren schießt der Neonazi Gregor Schallert mit einer Kalaschnikow auf einem Rockerfest im Vorarlberger Nenzing um sich und tötet zwei Menschen. Dann richtet sich der Blood&Honour-Anhänger selbst. Noch immer sind die Ermittlungen nicht abgeschlossen.
Es ist Sonntagmorgen, der 22. Mai 2016. Während seine Lebensgefährtin weinend einen Taxifahrer auffordert, die Polizei zu rufen, nimmt Gregor Schallert eine der Waffen aus dem Kofferraum seines auf dem Parkplatz in Nenzing geparkten Fahrzeuges. Kurz darauf eröffnet der Neonazi gegen drei Uhr das Feuer wahllos auf noch anwesende Gäste eines Rockerfestes des MC The Lords.
Die Kugeln aus seinem Kalaschnikow-Nachbau Marke Zastava M92 töten zwei Menschen und verletzen mehr als elf teilweise schwer. Einem Besucher des Rockerfestes, der versucht, seinen Bekannten per Telefonanruf zum Aufgeben zu bewegen, verpasst Schallert auf 25 Meter Entfernung einen glatten Wangendurchschuss. Durch einen Schuss in den Mund richtet er sich schließlich mit seiner Kriegswaffe selbst und beendet seinen Amoklauf.
Nur eine Beziehungstat?
Schallert war selbst als Besucher auf dem Fest der Rocker und hatte sich bereits früher am Abend mit seiner Lebenspartnerin gestritten. Daraufhin hatte er die Feier zu Fuß Richtung Nüziders verlassen. Hier hatte eine Polizeistreife den Betrunkenen und seinen leeren Rucksack kontrolliert. Bei seinem Arbeitgeber besorgte sich Schallert dann das Fahrzeug, mit dem er unter anderem seine Wohnung bei Bludenz anfuhr. Unklar ist, wo Schallert die Waffen zugeladen hatte. Als der spätere Täter daraufhin erneut zum Rockerfest zurück kehrte, sei es an der Bar erneut zum Streit gekommen.
Schnell war damals die Rede von einer Beziehungstat auf Grund von Meinungsverschiedenheiten. Psychologische Probleme wurden zur Erklärung der Tat diskutiert. Eine politisch motivierte Tat wollten offizielle Stellen eher nicht sehen. Allerdings fand die Polizei bei einer Hausdurchsuchung nicht nur weitere Waffen und Munition. Die Ermittler stellten beim Amokläufer auch rechtsradikale Schriften und Neonazidevotionalien fest.
Nähe zur militanten Neonaziszene um Blood&Honour Vorarlberg
Tatsächlich war Gregor Schallert in informierten Kreisen längst kein Unbekannter mehr. Bereits im Jahr 2000 soll er zuerst als Neonazi aufgefallen sein. Im Dezember 2004 beteiligte sich Schallert an einem Überfall auf ein Rockkonzert in Bludenz. Nach einem Bericht der Vorarlberger Nachrichten griffen bewaffnete Skinheads die Konzertbesucher mit Gaspistolen, einem Springmesser und Baseballschlägern an. Schallert schoss einem jungen Mann aus Schruns ins Gesicht. Dafür verhängten die Behörden ein Waffenverbot gegen den Skinhead.
Auch im Umfeld von Blood&Honour war Gregor Schallert kein Unbekannter. Österreichische Medien berichten übereinstimmend, dass der Amokläufer bis mindestens 2010 Blood&Honour Vorarlberg angehörte. Die Gruppe fiel immer wieder mit Konzerten und Schießtrainings auf. Zuletzt weniger als drei Monate vor dem Amoklauf in Nenzing. Die Anhänger von Blood&Honour Vorarlberg schätzt die Landespolizei auf im Kern 20 Personen. Sie unterhalten beste Verbindungen ins In- und Ausland. Insbesondere nach Deutschland, wo die Strukturen von Blood&Honour den NSU hervorbrachten und anschließend im Untergrund unterstützten.
Nach der Tat in Nenzing gingen die Behörden zwar davon aus, dass sich Schallert von der Gruppierung gelöst hatte. Szenebeobachter widersprachen dem jedoch mit Verweis auf weiter bestehende Kontakte zur Szene. Zumindest sein Facebook-Profil dokumentierte bis zuletzt die ideologische Nähe des Amokläufers zur Szene.
Demnach gefielen ihm Seiten über das Dritte Reich, Wehrmacht und Waffen-SS, neonazistische Parteien, Funktionäre und Medien sowie Ursula Haverbeck und andere antisemitische Agitatoren. Allerdings hatten es Schallert auch die Identitäre Bewegung, eine Seite namens Festung Europa, der als Vizekanzler Österreichs jüngst gefallene Rechtsaußenpolitiker H. C. Strache und der ideologische Vordenker der Neuen Rechten Pierre Krebs angetan. Das belegen Sicherungen des Facebookprofils, die Allgäu ⇏ rechtsaußen vorliegen.
Ideologische Grundierung analog zu Christchurch und Breivik
Das Facebook-Profil des Nenzinger Amokläufers eine ganz ähnliche ideologische Grundierung, mit der am 15. März 2019 der Attentäter von Christchurch seinen Angriff auf zwei Moscheen in Neuseeland begründete. Mit Schusswaffen tötete der aus Australien stammende Rechtsterrorist Brenton Tarrant insgesamt 51 Menschen und verletzte weitere 50, einige davon schwer. Er griff gezielt islamische Zentren der Stadt an und berief sich dazu analog zu dem norwegischen Massenmörder Anders Breivik auf eine Reihe rechtsradikaler und islamfeindlicher Theorien. Darunter der bei der Neuen Rechten – insbesondere der Identitären Bewegung – beliebten Verschwörunggalubens eines »großen Austausches«.
Den Vergleich zu Breivik hatten die Vorarlberger Landtagsgrünen bereits unmittelbar nach dem Amoklauf in Nenzing auf den Lippen. Rund eine Woche nach der Tat bemühten sie sich in einer Anfrage an den Landesrat um Aufklärung der ideologischen Hintergründe und der Herkunft der Waffen: »Die jüngsten Entwicklungen in Vorarlberg werfen aber auch Fragen hinsichtlich der Exekution des Waffenverbots und des illegalen Waffenhandels auf«.
Nicht nur der Attentäter von Nenzing besaß demnach trotz Waffenverbots mehrere hochgefährliche Waffen. Gerade einmal zwei Wochen zuvor sei in Lustenau ein Waffenarsenal in Privaträumen gefunden worden. Auch hier lag ein Waffenverbot vor. Ob es einen Zusammenhang gibt, ist Teil der nach drei Jahren noch immer laufenden Ermittlungen. Bekannt ist inzwischen wie die Waffe ins Land gekommen ist, heißt es aus Sicherheitskreisen. Auf offizielle Anfragen gibt es aber noch keine Antwort, »da die Ermittlungen noch nicht vollständig abgeschlossen sind«, heißt es.