Amtsgericht Kaufbeuren erteilt den Zuschlag für ein Gebäude bei Marktoberdorf, das den rechtsradikalen argo-Verlag beherbergt. Die Reichsbürger könnten dennoch unbeirrt weitermachen.
Rund 35 Personen erschienen am Dienstag im völlig überfüllten Saal 1 des Amtsgerichts Kaufbeuren, um die Zwangsversteigerung einer Immobilie zu verfolgen. Doch das Interesse der Meisten dürfte weniger dem alten Schulgebäude als dessen Bewohnern gegolten haben. Das Haus beherbergte Teile einer selbsternannten Reichsregierung und seit rund 20 Jahren den argo-Verlag, dessen Themenspektrum bis tief ins Rechtsradikale reicht.
Als Reichsbürger bekannt
Entsprechend groß waren die Vorbehalte potentieller Bieter gegenüber den derzeitigen Bewohnern des Gebäudes: »Es ist ja bekannt, dass wir es hier mit Reichsbürgern zu tun haben. Aber wie wirkt sich das auf den Erwerb des Gebäudes aus«, fragte eine Interessentin vor Beginn der Gebotsphase die vorsitzende Richterin. »Mit dem Zuschlag werden Sie Eigentümerin. Wie Sie sich den Besitz verschaffen, damit hat das Gericht nichts zu tun«, gab diese ratlos zurück.
»Wer bezeichnet mich als Reichsbürger?« Rolf Schlotterbeck, der bisherige Eigentümer des Gebäudes, weist den Vorwurf scharf zurück. Mit Reichsbürgern habe er nichts zu tun. Dabei firmierte er einst als »Wirtschaftsminister« einer Kommissarischen Regierung des Deutschen Reiches, als »Außenministerin« verschickte seine Frau »diplomatische Schreiben« an echte Regierungen.
Drohung trotz Bewährung
Erst am Montag verurteilte das Landgericht Kempten Rolf Schlotterbeck zu einer Haftstrafe – wegen reichsbürgertypischer Schreiben. Mit den Schreiben versuchte der Rentner, Justizpersonal zur Zahlung von Milliardenbeträgen zu nötigen. Vor dem Kemptener Gericht beteuerte Schlotterbeck, sich von seinem Handeln zu »distanzieren« und es nicht zu Wiederholen. Er sei einem Irrtum unterlegen und das habe er nun eingesehen. Wegen dieses Sinneswandels sah der vorsitzende Richter es als ausreichend an, die Haftstrafe auf drei Jahre zur Bewährung auszusetzen.
Doch schon am Dienstag legte der 72-Jährige während der Zwangsvollstreckung seines Hauses vor dem Amtsgericht Kaufbeuren wieder los: »Der Bieter sollte wissen, dass er einen Titel erwirbt und keine Substanz.« Er verfüge über eine »Sicherungsvereinbarung zwischen dem Mann Rolf und der Person.« Mit beidem meint er offenbar sich selbst. Im Falle eines Zuschlages sei der neue Eigentümer daher »Schadensersatzpflichtig nach internationalem Recht.« Entsprechende Forderungen werde er verschicken, drohte Rolf Schlotterbeck nur einen Tag, nachdem ihm das Landgericht Kempten die Bewährung unter der Maßgabe gewährte, dass es nicht wieder zu einem solchen Verhalten komme.
Verlagsprogramm zwischen Esoterik, Aliens und Holocaustleugnung
Ingrid Schlotterbeck, die Ehefrau des ehemaligen Eigentümers, gibt sich dagegen gelassen. Die 70-Jährige Verlagsleiterin sagt, eine Zwangsversteigerung werde den Verlag nicht gefährden. Sie mache einfach weiter wie in den vergangen 20 Jahren.
In diesen 20 Jahren deckte der argo-Verlag ein breites Themenspektrum ab. Von Esoterik und Alternativmedizin, Kornkreisen, Ufos und Außerirdischen ist dort zu lesen. Dabei sind aber auch extrem rechte Themen bis in den neonazistischen Bereich, Geschichtsrevisionismus, Holocaustleugnung und vor allem antisemitische Verschwörungsideologien.
Reichsbürger bedienen Gläubiger nicht
Weil die Schlotterbecks jedoch irgendwann Gläubiger nicht mehr bedienten, wurde die Zwangsversteigerung eingeleitet und das Gebäude unter Zwangsverwaltung gestellt. Weder die Bank, das Finanzamt oder die Stadt Marktoberdorf konnten ihr Geld bis dato vollstrecken. Der Landesjustizkasse blieb Rolf Schlotterbeck Gerichtskosten schuldig. Selbst Geldstrafen bezahlte das Reichsbürger-Duo nicht, weshalb die Verlagsleiterin mehrere Monate im Gefängnis verbrachte. Es war nicht ihr erster Gefängnisaufenthalt. Erst vor kurzem verurteilte sie das Amtsgericht Kaufbeuren zu einer weiteren über einjährigen Haftstrafe.
Nur ein Teil der vielen Anwesenden gab am Dienstag tatsächlich ein Gebot ab. Den Zuschlag für 380.000 Euro erhielt eine Frau aus der Nähe von Krumbach. Damit werden nun die Gläubiger bedient. Ingrid Schlotterbeck indes könnte Recht behalten: Im Gespräch mit den neuen Eigentümern deutete sich bereits an, dass die Schlotterbecks womöglich das Gebäude weiter werden nutzen dürfen.
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