Rund 9000 Menschen versammeln sich am 27. Januar 2024 zur »Laut gegen Rechts«-Demonstration vom Ravensburger Bahnhof zum Marienplatz.
Dem Aufruf eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses zur »Laut gegen Rechts«-Demonstration sind am Samstag rund 9000 Menschen gefolgt. Schon vor dem offiziellen Beginn um 15 Uhr am Ravensburger Bahnhof ist klar: Diese Demonstration wird groß. Und das nicht nur für Ravensburger Verhältnisse. Dicht gedrängt stehen die Menschen vor dem Bahnhof. Kurz nach 15 Uhr stauen sich die Versammelten bereits auf die umliegenden Straßen zurück. Aus dem Fenster eines Gebäudes an der Georgstraße hält eine Person eine Reichskriegsflagge und beschimpft die Menschenmassen. Diese zeigen sich davon wenig beeindruckt. Die Polizei gab an nach Prüfung des Sachverhalts keine Strafbarkeit festgestellt zu haben.
Überdurchschnittlich hohe Beteiligung
Die letzte vergleichbare Veranstaltung in Ravensburg gab es im Oktober 2018. Damals formierte sich breiter zivigesellschaftlicher Widerstand gegen eine Veranstaltung, die von einem Aktivisten der Identitären Bewegung angestoßen wurde. Die Teilnehmendenzahl belief sich damals auf, für Ravensburg beeindruckende, 2500 Menschen. Mit rund 9000 Demonstrierenden, setzte »Laut gegen Rechts« also ein sehr deutliches Zeichen. Selbst der lokale Ableger der Querdenken-Bewegung, der die größten Demonstrationen der letzten Jahre für sich verbuchen kann, mobilisierte zu seinen Hochzeiten nicht ansatzweise so viele Menschen.
Traktoren verzögern Start
Als die ersten Redebeiträge am Bahnhof beendet waren und der Demozug starten sollte, kam von der Polizei die Information, dass derzeit einige Traktoren die Schussenstraße blockieren würden. Im Interview mit Allgäu ⇏ rechtsaußen erklärten die Organisator*innen, dass es sich hierbei um vereinzelte Traktoren und nicht um die Bauernproteste an sich gehandelt habe. Zudem sollen diese Traktoren auf dem Weg zu einer Veranstaltung gewesen sein, von der sich der Bauernverband distanziert habe. Tatsächlich ist die Veranstaltung, die an diesem Tag in Weingarten stattfand, dem Querdenken-Spektrum zuzuordnen.
Auf Nachfrage teilte die Polizei mit, dass die Traktoren in Unkenntnis der »Laut gegen Rechts«-Demo auf dem Weg nach Weingarten noch eine »Stadtrunde« in Ravensburg fahren wollten. Es sei zu keiner »bewussten Beeinträchtigung oder einer längerfristigen absichtlichen Blockade« gekommen. Dass in den Querdenken-Gruppen im Vorfeld die Behauptung kursierte, ihre Veranstaltung hätte der »Laut gegen Rechts«-Demo weichen müssen, lässt diese Beurteilung fraglich wirken. Nach Angaben der Stadt Singen, habe man die »Sternfahrt« mit Abschluss in Ravensburg aufgrund »fehlender Verkehrs- und Rechtssicherheit im vorgelegten Konzept der Anmelder« untersagt. »Nachdem bis zum heutigen Tag die Anmelder trotz intensiver Unterstützung durch die Versammlungsbehörde aber kein Konzept vorlegen konnten, wie die Kundgebung rechts- und verkehrssicher beendet werden soll, musste die Versammlung, zumindest für Samstag, 27. Januar 2024, in Absprache mit der Polizei untersagt werden«, zitierte der Südkurier die Verwaltung.
Nach einer Verzögerung von knapp 15 Minuten, setzte sich die Demonstration dann wie geplant in Bewegung. Noch am Bahnhof soll ein Mann den Versammelten den Hitlergruß gezeigt und »Heil« gerufen haben. Er fühlte sich offenbar so gestört von der Veranstaltung, dass er bis zum Marienplatz neben der Demonstration herlief und den Passant*innen erklärte die Demonstrierenden seien »eine aussterbende Rasse«.
Mit zwei- bis dreihundert Menschen gerechnet
Die Organisator*innen waren vom großen Erfolg der »Laut gegen Rechts«-Demonstration ebenfalls überrascht. Als sie mit der Planung begannen, hatten die bundesweiten Großdemonstrationen noch nicht stattgefunden. So rechneten sie am Anfang mit 200-300 Teilnehmenden. Dann fiel auf, dass die Beteiligung doch größer ausfallen könnte. Auf ihre Anfragen bekamen sie viele positive Rückmeldungen. Das führte am Ende dazu, dass ein Bündnis von über 50 Organisationen entstand. Besonders bemerkenswert finden die Organisator*innen die diverse Beteiligung. So waren nicht nur die bei solchen Anlässen üblichen Unterstützer*innen dabei, sondern beispielsweise auch Cafés und ein Schützenverein. Und das obwohl es um eine Demo gegen Rechts im Allgemeinen und nicht nur Rechtsradikalismus ging.
Mit dem Ablauf sind sie insgesamt zufrieden. Trotz der vielen Menschen, konnte ein Polizeifahrzeug im Einsatz schnell die Demo passieren und die Redebeiträge hätten inhaltlich alles abgededeckt. Lediglich, dass die Reden gegen Ende weniger Publikum hatten, sei bedauerlich gewesen.
Die Gleichwertigkeit aller Menschen anerkennen
Eine dieser letzten Reden befasste sich damit, was es bedeutet gegen Rechts zu sein. Es gehe darum »die Gleichwertigkeit aller Menschen anzuerkennen«. Das wiederum erfordere nicht nur gegen die AfD, die Identitäre Bewegung und die als neue Partei aus der CDU/CSU hervorgegangene WerteUnion zu sein. Es bedeute auch die Ampel-Regierung dort zu kritisieren, wo diese Menschen abwertet und selektiert. So beispielsweise bei der Asylrechtsverschärfung und beim neuen Staatsangehörigkeitsgesetz, das unter anderem Menschen mit Behinderung und pflegende Angehörige benachteiligt.
Wie geht es weiter?
Erstmal sind sie erschöpft, antworten die Organisator*innen auf die Frage, wie es nun weiter geht. Nach knapp eineinhalb Wochen Organisation, freuen sie sich erstmal über den Erfolg. Für sie ist klar, sie werden weiterhin antifaschistische Arbeit machen. Die Kontakte sind da und sollen auch in Zukunft genutzt werden um viele Menschen zu mobilisieren. Vielleicht auch für andere Anliegen. Klar ist auch: Nächstes Jahr ist Bundestagswahl. Sie hoffen, dass der Wille und der Tatendrang der Menschen nicht nachlässt. Denn bis dahin wird noch viel passieren und »einmal auf der Straße stehen reicht nicht.«