Der Aufstieg zum Bundestagspolitiker hat Rainer Rothfuß’ Selbstverliebtheit ohne Frage einen kräftigen Schub versetzt. Doch was konkret tut er in der Hauptstadt? Ein Gastkommentar von Doris Hog für die Omas Gegen Rechts Bodensee.

Da ist zum einen die von ihm angestrebte »Normalisierung« der AfD, Rothfuß will mit seiner Partei als bürgerlich-konservative Kraft wahrgenommen werden, er möchte die Bürger in seinem Wahlkreis vertreten. Das scheint ihm dann doch nicht so ganz zu gelingen. Ein Wahlkreis-Büro des Abgeordneten wäre dazu das probate Mittel und eine angemessene Form, mit den Bürger*innen in Kontakt zu treten. In Lindau wollte ihm jedoch niemand Räume vermieten, weshalb er nun letztlich in Kempten Unterschlupf gefunden hat.

»Für Frieden und Freiheit« – mit Russland, Querdenken und dieBasis

In Kempten vernetzt er sich nach wie vor mit der Querdenken-Bewegung und beackert eines seiner Lieblingsthemen: den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Rainer Rothfuß gehört ja zu jenen in der AfD, die bedingungslos den russischen Narrativen folgen und den russischen Angriff dementsprechend legitimieren.

Bei diesem Thema ist es ihm nun möglich, Teile von Querdenken, Klientel der Partei dieBasis und eben tatsächliche und etwaige AfD-Wähler*innen zu mobilisieren, auch über die Landes- und Wahlkreisgrenzen hinweg. So geschehen etwa in Ravensburg. Gerade mit dieBasis scheint er seine Kontakte zu intensivieren. So hat er die ehemalige Krankenschwester und dieBasis-Mitglied Sabrina Kollmorgen in sein Team geholt, steuerlicher Finanzierung des Mandats und weiterer neuer Privilegien sei Dank. Ansonsten veranstaltet er Wanderungen – fürs ganz große Ganze: Wahlweise für »den Frieden« oder »die Freiheit«. Wie genau seine Wanderungen zu Frieden und Freiheit führen sollen, lässt er freilich offen. Was er sich darunter wohl vorstellt, lässt sich inzwischen aus einer Vielzahl seiner Äußerungen ablesen.

Lügen gegen Grund- und Menschenrecht

Am 25. Mai 2023 durften wir seinen seit dem Nachzug in den Bundestag Anfang Mai ersten Redebeitrag im Bundestag verfolgen. Den mangelnden Respekt vor den Institutionen des Hauses ist man bei der AfD ja gewohnt, da machte Rainer Rothfuß keine Ausnahme: Ehren mag er die Frau Präsidentin und seine Zuhörer*innen nicht, in seiner Anrede zu Beginn belässt er es bei »Frau Präsidentin«. Aber dann: Unter einem Rundumschlag gegen die Genfer Flüchtlingskonvention geht er nicht vom Pult. Diese sei veraltet und bedürfe dringend der Überarbeitung – was wir getrost mit »Abschaffung« übersetzen dürfen.

Eingeleitet wird diese Forderung mit einer glatten Lüge. Behauptet Rothfuß doch gleich zu Beginn seiner Rede, Asylsuchende könnten über die sozialen Sicherungssysteme in unserem Land ein höheres Einkommen erzielen, als »hart arbeitende« Bürger*innen und Rentner*innen. Eine Erzählung der AfD, die schon lange widerlegt ist, und die einmal mehr zeigt, wie perfide diese Partei und ihre Vertreter nicht nur im Bundestag Hetze und Lügen verbreiten.

Geholfen werden soll den Menschen »so nahe wie möglich an der Herkunftsregion«, so seine Empfehlung. Abgesehen davon, dass weltweit die meisten Geflüchteten innerhalb des eigenen Landes oder der Nachbarländer Schutz suchen, negiert Rothfuß mit seiner Forderung nach sogenannten »Schutzzentren außerhalb Europas« das in unserem Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Asyl. Aber das spiegelt die Haltung (längst nicht nur) seiner Partei sehr gut wider.

WHO-»Diktatur« versus Souveränität Deutschlands unter der AfD

Für diese Partei zählen keine Grundrechte, keine internationalen Übereinkünfte – diese werden sie postwendend einstampfen, wenn sie erst in Regierungsverantwortung sind, wie Rothfuß in seiner Rede – und nicht nur da – phantasiert.

Rainer Rothfuß würde sich selbst nicht gerecht, wenn er nicht auch wilde Verschwörungserzählungen auf seiner Agenda hätte. Sein neues Steckenpferd ist der Pandemievertrag. Diese internationale Übereinkunft soll ein sinnvolles Vorgehen im Falle einer weiteren Pandemie regeln. Koordinierte Maßnahmen könnten es leichter machen, eine Ausbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern. Impfstoffe könnten für alle zugänglich gemacht werden, Länder könnten sich gegenseitig sinnvoll unterstützen.

Daraus konstruiert Rothfuß einen Angriff auf die Souveränität unseres Landes, die bei Übernahme der internationalen Übereinkunft angeblich gefährdet sei. Die WHO wolle eine Diktatur errichten. Einig ist er sich da mit einer glühenden Höcke-Verehrerin und Anhängerin des völkischen Flügels innerhalb der AfD: Christina Baum, die auch schon zu Gast in Kempten war.

Verschwörungsideologisch vermengt Rothfuß Queerfeindlichkeit und Rassismus

Ein weiteres Thema war im von der AfD ausgerufenen »Stolzmonat« – eine Persiflage auf den Pridemonth, der im Juni traditionell von der LGBTIQ*-Community begangen wird – das Thema Familie. Rothfuß setzt dies in den verschwörungsideologischen Kontext einer herbeiphantasierten »Überfremdung« und eines durch und durch reaktionären Familienbildes. Direkte Hetze gegen queere Menschen indes vermeidet er. Das überlässt er dann dem AfD-Bayern-Vorsitzenden Protschka, der für seinen Sexismus ja bekannt ist.

Bei Rothfuss findet sich in Bezug auf Queerness der Hinweis auf eine von ihm so bezeichnete »spätwestliche Dekadenz«. Zum Beispiel dann, wenn die amerikanische Botschaft in Berlin im Pridemonth mit Regenbogenfarben geschmückt wird.

Gegen das Erstarken der Antidemokraten: Omas protestieren im Wahlkampf

Neues oder überraschendes hat Rothfuß also auch im Bundestag nicht in petto. Sein Facebook-Profil hat er etwas »aufgehübscht«, scheint sich aber nicht so recht zwischen russischen Nationalfarben und Schwarz-Rot-Gold-Flair entscheiden zu können.

Die Omas Gegen Rechts Bodensee sehen das deutschlandweite Umfragehoch der AfD mit Sorge. Unsere Demokratie ist durch das Erstarken der Antidemokraten gefährdet. Im bayerischen Wahlkampf werden wir uns klar positionieren, die Infostände sind bereits angemeldet.